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Was war. Was wird. Komplett mit einem Wink mit dem Zaunpfahl.

Wenn ein FBI-Direktor über schwäbische Namen stolpert, noh lachd sich Hal Faber ins Fäuschdcha. Und er muss einen Abschied feiern, weil der nun einmal so fällt.

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Die Zeit läuft ab, und die Zahl 23 spielt eine Rolle. Man muss die Abschiede feiern, wie sie fallen.

(Bild: Min C. Chiu/Shutterstock.com)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

*** Hurra for the Länd! Das Schönste an der Übernahme der IT-Infrastruktur von Hive war die Schwierigkeiten, die FBI-Direktor Christopher Wray mit der Aussprache schwäbischer Namen hatte, als er der "police unit in Ruutlingen" gratulierte, die den entscheidenen Tipp gegeben hatte. Passend dazu die Aussage der Pressesprecherin des Polizeipräsidiums, dass "bei uns schaffe 27, 28 Leut", womit die Cybercrime-Einheit in Esslingen gemeint war, die von IT-Forensikern, Datenbankanalysten und klassischen Ermittlern gebildet wird. Ob die schwäbische Entdeckung so gelaufen ist, wie sich das ButterundBrot im Heiseforum vorstellt, sei einmal dahingestellt: "Du Karle, woisch was I grad gfunde henn? I glaub, des isch oin Häggernetzwearg!" Jedenfalls war man stolz im Länd, wie das Logo des Polizeipräsidiums Reutlingen zwischen dem von Europol und dem des "Federal Crime Police Office" zu sehen war. Letzteres ist übrigens unser Bundeskriminalamt in gekonnter Übersetzung. Da geht die eigentliche Nachricht fast unter, dass man bei dieser Aktion mehr als 300 Opfern der Hive-Bande geholfen habe, ihre verschlüsselten Daten wieder zu entschlüsseln. Das soll dazu geführt haben, dass der Bande 130 Millionen Dollar entgangen sind. Auch wenn bisher keine Täter ermittelt werden konnten, ist das ein schöner Erfolg. Wie aus anderem Anlass in der letzten Wochenschau geschrieben: Die Schwaben sind halt sparsam und so wollten die drei angegriffen Firmen im Länd nicht zahlen.

Mir han a Haggernedzwerk gfonda!

*** Manchmal ist das mit internationalen Bezeichnungen ein Kreuz: WWU Münster wäre wohl Doubleyou-Doubleyou-uh und dann noch der Umlaut in Münster. So aber soll die Universität in Zukunft heißen, weil der namensgebende Kaiser Wilhelm II. als Gründer der westfälischen Universität politisch unkorrekt geworden ist. Außerdem weilte Wilhelm, als die Universität eingeweiht wurde, im nahen Bielefeld und weihte dort lieber das Kaiser-Wilhelm-Denkmal für seinen Großvater ein. Ja, so viel Bielefeld war nie, titelt die "Frankfurter Zeitung" auf Papier und erinnert daran, dass die Universität Bielefeld ganz ohne Namenszusatz auskommt. So nüchtern sind sie dort in Ostwestfalen. Aber es gibt auch in Bielefeld immer mal wieder was zum Lachen, besonders dann, wenn wieder einmal die Preisverleihung der Big Brother Awards ansteht, veranstaltet von den Aktivisten von Digitalcourage. Schamlose Werbung on: Sie suchen wieder einmal bis zum nächsten Dienstag würdige Preisträger und obendrein einen organisatorischen Geschäftsführer, der den Laden am Laufen hält. Schamlose Werbung off.

*** Es gab in dieser Woche nicht nur Nachrichten vom Typ Hurra, sondern auch solche vom Typ Aua. Intel servierte einen grausigen Jahresabschluss und einen noch grausigerer Ausblick in die Zukunft. Bei Microsoft gab es Ausfälle in der Azure Cloud, die angeblich auf eine mangelnde Qualitätskontrolle zurückgeführt wurden. Auch die Geschäftszahlen versprechen nicht viel, von trüben Aussichten ist die Rede, weil die Gewinne start zurückgehen. 10.000 Arbeitsplätze sollen abgebaut werden, was eine teure Sache ist. Vielleicht spielt sich vor unseren Augen ein ganz anderes Drama ab als ein Qualitätsproblem in der Cloud. Vielleicht kündigt sich so das Ende der Wintel-Welt an, wie sie seit der Einführung von Windows 3.0 eine Ewigkeit lang das Tempo in der IT-Entwicklung bestimmte. Nun wackelte die Microsoft Cloud und sorgt nur noch für langsam steigende Gewinne. Bei den Chips ist Nvidia der Marktgigant geworden und Intel muss sich neu erfinden, etwa als Auftragsfertiger für alle möglichen Chips.

*** Nun ist das Ende von Unternehmensimperien nicht das Ende der gesamten Welt. Das erzählte am Beispiel der Stahlbranche in einem Zeitzeugengespräch der härteste Manager im Nachkriegsdeutschland, Gerhard Cromme. Das lange Interview lässt aufhorchen, was er am Ende über den Niedergang der Siemens-Welt erzählt, der schmerzhaft war, " weil Anfang der 90er-Jahre drei junge Leute aus Kalifornien in München bei Siemens waren und versucht haben, den damaligen Verantwortlichen klarzumachen, dass die Telekom-Welt in 10, 15 Jahren völlig anders aussehen wird. Das hat man bei Siemens nicht geglaubt. Ich hab dafür ein gewisses menschliches Verständnis: Wenn man Weltmarktführer ist und so erfolgreich, ist es natürlich unwahrscheinlich schwer, sich disruptive Entwicklungen vorzustellen, die all das, was man heute hat, da eben das zu akzeptieren, dass davon nichts mehr bleibt. Und dann sind die drei jungen Leute nach Kalifornien zurück, haben Cisco gegründet, die Vorgesellschaft von Cisco – ja gut, und das Ergebnis war, wo Cisco heute ist und wo die Telekom von Siemens ist." Die ohnehin geheimnisvolle Cisco-Story hat damit eine neue, hübsche Pointe.

*** Er hat ja gesagt! Aus dem Bundkanzler Olaf Scholz ist nach anfänglichem Zögern ein Bundespanzler geworden, der der Lieferung von eigenen und anderswo genutzten Kampfpanzern an die Ukraine zustimmt. Die Ausbildung und Bildung von zwei Panzerbataillonen kann beginnen. Längst begonnen hat die Debatte um ein anderes Ja-Wort von Scholz, nämlich der Zusage, als erster Bundeskanzler auf der re:publica aufzutreten. Im Bericht über seinen Auftritt heißt es zum Schluss: "Auf Twitter zeigten sich Nutzerinnen und Nutzer nach dem Vortrag und dem anschließenden Gespräch mit Moderatorin Linda Zervakis enttäuscht, dass die re:publica-Veranstalter den Kanzler mit einer weichgespülten Runde hätten davonkommen lassen." Ja, da war die Welt von Twitter noch in Ordnung und die Peilung der Twitterati genau richtig: Nach einer Informationsfreiheitsanfrage hat die "Tageszeitung" herausgefunden, dass Linda Zervakis von der Bundesregierung als Moderatorin ausgesucht und bezahlt wurde. Eine weichspülende Journalistin im Dienste ihres Kanzlers, besser kann man die Distanz zur Digitalisierung und all den Menschen, die an "Europas größter Digitalkonferenz" teilnehmen, einfach nicht beschreiben. Ein Bundeskanzler, der sein Bild in der Öffentlichkeit unbedingt kontrollieren will, ist am Ende deutlich weniger souverän als etwa der damalige Innenminister Thomas de Maizière bei seinem Auftritt auf der re:publica. Ganz davon abgesehen, dass Geraldine de Bastion die deutlich bessere Moderatorin ist.

*** Als de Maizière im Jahre 2017 eben diese re:publica besuchte, lobte er die damals neue Entschlüsselungsbehörde ZITiS. Die werde untersuchen, was rechtsstaatlich gemacht oder auch "unter regulären Bedingungen von Firmen angekauft" werden kann. Ein Ankauf von Lücken durch den Staat werde es nicht geben, versicherte er den Zuhörern der Digitalkonferenz. Was so "unter regulären Bedingungen" von ZITiS angekauft werden kann, weiß man ja seit dieser Woche: Die Spyware Predator soll es sein. Noch interessanter: Nach Recherchen basierend auf einer Kleinen Anfrage der Linksfraktion soll dabei der frühere Geheimdienstkoordinator Bernd Schmidbauer als Lobbyist und Türöffner unterwegs gewesen sein. Neben ZITiS soll Schmidbauer auch mit Vertretern vom Verfassungsschutz zusammengetroffen sein und überdies ein Türchen beim BSI zu öffnen, dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, das eigentlich Hintertüren aller Art ablehnen sollte. Schmidbauer, Schmandbauer, da war doch was? Richtig, Bernd Schmidbauer kommentierte und koordinierte die Geheimdienstaktion Rubikon, als Verschlüsselungsgeräte der Schweizer Firma Crypto AG ein Hintertürchen bekamen. In der Wochenschau, die sich mit diesem Fall beschäftigte, beschwerte sich der BND-Chef Bruno Kahl darüber, dass sein Dienst nicht die Mobiltelefone von in Deutschland operierenden Gefährdern überwachen darf. Das Thema ist nach den Verhaftungen von Verdächtigen in Castrop-Rauxel wieder aktuell, nur echt mit einem neuen Anlauf für eine Vorratsdatenspeicherung. Und Bruno Kahl leitet inzwischen die ständig wachsende Großbehörde ZITiS.

Die Grenze der norddeutschen Tiefebene nach Ländergrenzen (rot) und die EU-Definition nach Grad (blau).

Bekanntlich muss man Abschiede feiern, wie sie fallen. Das ist auch bei dieser kleinen Wochenschau so, die am Rande der norddeutschen Tiefebene erscheint und einstmals ins Leben gerufen wurde, um die sonntägliche Leere des Nachrichtentickers zu füllen. Das hat sich gründlich geändert. Allein am letzten Sonntag erschienen 14 Nachrichten neben der Wochenschau. Was es also geben wird, ist ein Blick zurück zum Jubiläum, als vor 23 Jahren das erst Mal "Was war, was wird" erschien. Ha, 23!

(tiw)