Abgasnorm Euro 7: Drei Bundesländer fordern laschere Grenzwerte

Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bayern fürchten um die Autoindustrie, falls die Abgasnorm Euro 7 wie geplant kommt. Sie sei technologisch zu ambitioniert.

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Auspuff Seat Tarraco

Mit der Abgasnorm Euro 7 werden die Schadstoff-Grenzwerte weiter abgesenkt. Das Verhältnis von Nutzen und Kosten wird dabei angezweifelt.

(Bild: Pillau)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Martin Franz
  • mit Material der dpa
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Die Autoindustrie ist in Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen besonders stark vertreten. So kommt es zu einer seltenen Koalition eines Anliegens von drei Ministerpräsidenten aus unterschiedlichen Lagern. In einem gemeinsamen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) fordern Markus Söder (CSU), Winfried Kretschmann (Die Grünen) und Stephan Weil (SPD), dass Deutschland sich bei der Einführung der Abgasnorm Euro 7 für weniger strenge Grenzwerte einsetzen solle. Zudem seien die Fristen zu knapp bemessen.

Mit der Abgasnorm Euro 7, die derzeit verhandelt wird, sollen nicht nur einige Grenzwerte nochmals deutlich abgesenkt werden, sondern auch die Bedingungen, unter denen sie eingehalten werden müssen. In einem Vorschlag, den die EU-Kommission im November 2022 vorgelegt hatte, ist das Ziel formuliert, dass Neuwagen rund 35 Prozent weniger Stickoxid ausstoßen sollen. Bis zu 50 Prozent sollen es bei Lastwagen und Bussen sein. Bislang ist das allerdings nur ein Vorschlag, denn Europaparlament und EU-Staaten müssten dem noch zustimmen. An dem, was da von der Kommission vorgelegt wurde, kann sich also im Detail noch viel verändern.

Die Kritik der drei Ministerpräsidenten am vorliegenden Entwurf zur Euro 7 ist breit angelegt. Zunächst wird der Nutzen einer Verschärfung der Grenzwerte angezweifelt. "Ob eine weitere Normenverschärfung wegen anderer diffuser Immissionsquellen überhaupt zu einer weiteren wesentlichen Verbesserung der Luftqualität führt, scheint uns eher fraglich", heißt es in dem Brief. Gesellschaftlicher Nutzen und volkswirtschaftliche Kosten müssten "in einem angemessenen Verhältnis stehen". Weiter heißt es in dem Schreiben: "Eine neue Abgasnorm und die dazugehörigen Testbedingungen müssen darüber hinaus technisch und wirtschaftlich erreichbar sein. Zudem bedarf es angemessener Umsetzungsfristen, die auch die Entwicklungszyklen der Automobilhersteller berücksichtigen."

Autohersteller hätten sich zusammen mit Zulieferern bereits auf den unumkehrbaren Weg in Richtung emissionsfreie Antriebe gemacht, heißt es weiter. Daher seien die Regierungen der Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen der Auffassung, dass die neue Abgasnorm nicht dazu führen dürfe, "dass für die Optimierung einer Technologie, die innerhalb der EU voraussichtlich ab 2035 nicht mehr zugelassen wird, über Gebühr Mittel aufgewendet werden müssen". Mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und den Klimaschutz müssten die Finanzmittel der Industrie viel dringender in die neuen, "klimaschonenden Antriebe" fließen.

Heftig kritisiert wird die Frist zur Einführung der Abgasnorm Euro 7. Läuft alles nach Plan, soll sie in der EU ab Juli 2025 für Erstzulassungen von leichten Nutzfahrzeugen und Pkw die Mindestanforderung werden. Zwei Jahre später soll die Euro 7 dann für schwere Nutzfahrzeuge verbindlich sein. Das sei technologisch zu ambitioniert, argumentieren die drei Ministerpräsidenten. Hinzu komme die "reale Gefahr", dass eine rechtssichere Zulassung der Fahrzeuge nicht möglich sei und es zu einem Stau bei den Zulassungsbehörden komme. Gemeint ist dabei die Homologation von Fahrzeugen, die neu auf den Markt kommen.

Der Streit über die Abgasnorm Euro 7 währt schon einige Zeit. Die Grenzwerte sind dabei nur ein Teil dessen, was kritisiert wird. Teuer für die Industrie wird vor allem, dass die strengeren Grenzwerte auch unter verschärften Bedingungen eingehalten werden müssen. Neu ist auch ein Grenzwert für Feinstaub, der nicht während der Verbrennung entsteht, beispielsweise der von den Bremsen. Zudem ist in der Euro 7 erstmals die Mindesthaltbarkeit von Traktionsbatterien in Elektroautos vorgeschrieben.

Die Abgasnorm Euro 6 ist seit September 2015 die Minimalforderung für Erstzulassungen in der EU. Seitdem wurden die Grenzwerte nicht verschärft, allerdings die Bedingungen, unter denen sie eingehalten werden müssen. Das hat zu erheblichen Verbesserung der Abgaswerte im realen Verkehr geführt. Anfangs mussten die Grenzwerte für die Erfüllung der Abgasnorm nur auf dem Prüfstand nachgewiesen werden. Der entscheidende Schritt war dabei der auf die Euro 6d-Temp. Erstmals musste auf der Straße die Einhaltung von Grenzwerten bei Partikeln und Stickoxiden sichergestellt sein. Seither sinkt die Belastung der Luft in Städten mit Feinstaub und NOx messbar.

Aus Sicht der drei Ministerpräsidenten müsse die Bundesregierung bei den anstehenden Verhandlungen zur Euro 7 auf EU-Ebene negative Folgen für Arbeitsplätze, Wertschöpfung und Wettbewerbsfähigkeit verhindern. Für die Länder Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen, "in denen weit über eine Million Menschen vom Automobil leben", stehe viel auf dem Spiel. Auf eine weitere Verringerung der Luftbelastung dürfte die neue Abgasnorm nur kleine Auswirkungen haben. Die Zahl der Neuwagen mit Verbrennungsmotor ist rückläufig, und die gemessene Schadstoffbelastung stammt fast ausschließlich von Fahrzeugen, die vor der Euro 6d-Temp auf den Markt gekommen sind.

(mfz)