Microtargeting: EU-Parlament stimmt für schärfere Regeln für politische Werbung

Künftig sollen laut den Abgeordneten für politische Werbung nur noch persönliche Daten verwendet werden dürfen, die Betroffene ausdrücklich dafür freigeben.

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(Bild: Botond Horvath/Shutterstock.com)

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Mit 433 gegen 61 Stimmen bei 110 Enthaltungen hat das EU-Parlament am Donnerstag seine Position zur geplanten Verordnung für mehr Transparenz in politischer Werbung beschlossen. Demnach sollen Werbetreibende wie Parteien oder Politiker für eine gezielte Online-Ansprache potenzieller Wähler nur noch deren personenbezogenen Daten nutzen, die Betroffene ausdrücklich für diesen Zweck zur Verfügung gestellt haben. Die “Do not track”-Einstellung im Browser ist ohne lästige Nachfragen zu respektieren. Der federführende Binnenmarktausschuss, dessen Empfehlung die Abgeordneten im Plenum weitgehend folgten, sieht darin ein "faktisches Verbot von Microtargeting". Solche Verfahren, um Verbraucherdaten und demografische Angaben zum Ermitteln der Interessen bestimmter Personen auszuwerten, dürften so kaum mehr zum Einsatz kommen.

Schon laut dem ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission sollen Anbieter politischer Online-Anzeigen besonders sensible Daten nicht mehr ohne Weiteres für politische Zwecke missbrauchen können. Sie dürfen demnach Informationen etwa über die politische Einstellung, sexuelle Orientierung, Religion, Gesundheit oder ethnische Herkunft nicht mehr ohne Zustimmung der Betroffenen fürs Targeting verwenden. Das Parlament hat unter anderem ein generelles Verbot der Verwendung von Daten von Minderjährigen hinzugefügt. Es fordert zudem den Aufbau eines EU-weiten einschlägigen Werbearchivs, um Bürgern, Behörden und auch Journalisten mehr Informationen zur Verfügung zu stellen. Offenbar werden soll etwa auch, wer eine Anzeige mit wie viel Geld finanziert und woher dieses stammt.

In den 60 Tagen vor einer Wahl oder einem Referendum dürfen unterschiedliche politische Botschaften nur auf Basis der Sprache eines Bürgers und seines Wahlkreises angezeigt werden, um eine Zersplitterung der öffentlichen Debatte sowie widersprüchliche und unehrliche politische Botschaften zu vermeiden. Die Abgeordneten sehen als Sanktionsoption etwa vor, dass große Werbedienstleister ihre Dienste für 15 Tage aussetzen müssten, wenn sie schwerwiegend und systematisch gegen die Regeln verstoßen haben. Die Kommission wird ermächtigt, EU-weite Mindeststrafen einzuführen. Der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) soll Fälle untersuchen können und die Vorschriften durchsetzen. Akteuren mit Sitz außerhalb der EU will es das Parlament untersagen, bezahlte politische Werbung in den Mitgliedsstaaten zu schalten.

"Endlich setzen wir Cambridge-Analytica-Praktiken ein Ende", begrüßte die Grünen-EU-Abgeordnete Alexandra Geese die Initiative. "Parteien, die unterschiedlichen Wählergruppen widersprüchliche Inhalte zuspielen, fliegen auf." Die Transparenz-Vorgaben hätten "einen wichtigen Schutzeffekt für unsere Demokratie". Die Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights (EDRi) sieht den vielfachen Ruf aus dem Parlament nach einem Bann "spionierender Werbung" dagegen durch das mögliche Opt-in verwässert. Schranken für den Einsatz abgeleiteter und beobachteter Daten seien zudem aus dem eigentlichen Gesetzestext in die Erwägungsgründe verschoben worden. Schwere Bedenken bestünden auch gegen die potenzielle Entfernung politischer Inhalte innerhalb einer 48-Stunden-Frist im letzten Monat vor einer Wahl auf Nutzerbeschwerden hin. Die finale Verordnungsversion müssen die Abgeordneten nun mit Vertretern des Ministerrats aushandeln.

(mho)