Online-Welten für Hochschüler: E-Learning wird immer wichtiger

Mit großen Schritten etabliert sich das E-Learning an deutschen Unis und Fachhochschulen - als Kommunikationsscharnier zwischen den Studenten und ihren Dozenten. Doch bei der Virtualisierung ganzer Lehrveranstaltungen sind die Unis bescheidener geworden.

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  • dpa

Ins Internet statt auf den Campus: Elektronische Lern- und Lehrangebote an Hochschulen werden bald so selbstverständlich sein wie die Kreidetafel im Hörsaal, sind Experten überzeugt. Mit großen Schritten etabliert sich das E-Learning an deutschen Unis und Fachhochschulen – als Kommunikationsscharnier zwischen den Studenten und ihren Dozenten. Doch verfolgte man zunächst den Ansatz, ganze Lehrveranstaltungen zu virtualisieren, ist man bescheidener geworden – und kritischer, was den pädagogischen Nutzwert angeht. So habe es sich nicht nur als aufwendig erwiesen, Vorlesungen etwa nur noch als Podcasts im Netz anzubieten, sagt Norbert Kleinefeld vom Projekt "eLerning Academic Network Niedersachsen" (ELAN), sondern auch als kontraproduktiv: "Die wesentlichen Lerneffekte finden immer noch 'face to face' statt." Ziel sei nicht das Ende für die Präsenzveranstaltungen: Man wolle Studenten zusätzliche "Lernkanäle" eröffnen.

Beim E-Learning an Hochschulen gehe es heute vor allem darum, den überwiegend bestens mit Rechnern und dem Netz vertrauten Studenten eine durchgängige, veranstaltungsbegleitende "Online-Welt" zu bieten, sagt auch Michael Kerres, Professor für Mediendidaktik an der Uni Duisburg-Essen. Solche Plattformen, über die sich etwa Kurs- und Prüfungsanmeldungen abwickeln, Lerninhalte und Testfragen abrufen oder Arbeitsgruppen in Chatform anbieten lassen, würden zunehmend als selbstverständlich betrachtet: "Die Studenten erwarten das."

"Blended Learning" nennt sich diese E-Learning-Philosophie – ein Begriff, der sich in etwa mit "kombiniertes Lernen" übersetzen lässt. Während die eigentliche Basis-Wissensvermittlung weiter in Seminaren oder Vorlesungen von Dozenten geleistet wird, können Studenten auf den begleitend eingerichteten Online-Plattformen das Gelernte nach eigenem Ermessen vertiefen.  "Selbstgesteuerte Lernprozesse" nennen Bildungsforscher das. So könnten sich Studierende bei Bedarf jederzeit mit ihren Kommilitonen austauschen, nach Zusatzliteratur und vertiefenden Übungen suchen oder zusammen Diskussionspapiere erarbeiten, sagt Volker Wittenauer, Geschäftsführer des E-Learning-Centers der Universität Heidelberg. All das sei in Seminaren schon aus Zeitgründen so kaum möglich.

Auch für den Austausch zwischen Dozenten und Studenten bieten solche Lernplattformen zusätzliche Möglichkeiten, betonen Experten. Das beginnt beim Verbreiten der Nachricht, dass eine Veranstaltung kurzfristig ausfallen muss. "Früher erfuhren die Studenten das oft erst, wenn sie bereits vor der Tür des Hörsaals standen", sagt Kleinefeld. Noch weitaus wichtiger aber können virtuelle Sprechstunden oder moderierte Diskussionsrunden sein, in denen die Dozenten bei Bedarf auch außerhalb ihrer früher oft sehr begrenzten wöchentlichen Sprechzeiten zur Verfügung stehen. Gerade vor dem Hintergrund stark steigender Studentenzahlen ist nach Kleinefelds Auffassung ohne E-Learning künftig womöglich kaum noch angemessene Betreuung möglich.

In der Tat ist es nicht überall nur das Streben nach verbesserten Lernbedingungen, das zur Einführung von E-Learning-Systemen führt oder geführt hat: Besonders nachgefragt werden diese nicht zuletzt dort, wo in Folge der derzeit kontrovers diskutierten Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge sowohl der Prüfungsdruck als auch die Standardisierung des abgefragten Wissens steigt. Studenten müssen oft in immer kürzerer Zeit viele Zwischen- und Abschlussprüfungen ablegen – und sind schon aus Effizienzgründen auf E-Learning-Netzwerke angewiesen, die sie für gezielte Recherchen und Prüfungsvorbereitungen nutzen können. Professoren könnten über die Portale zum Beispiel regelmäßig Übungsklausuren anbieten und den Studenten danach umgehend ein Feedback geben, sagt Kleinefeld.

Nach wie vor gibt es in Sachen E-Learning große Unterschiede zwischen Fachbereichen und Universitäten – auch was die Qualität der Angebote angeht. Das liegt daran, dass sich die neuen Methoden wegen unterschiedlicher Lernanforderungen in verschiedenen Studiengängen nicht überall in gleichem Maße durchgesetzt haben.  Weit verbreitet seien sie heute vor allem dort, wo – wie etwa im Medizinstudium – großer Wert auf die Reproduktion feststehender Wissensinhalte gelegt wird, erklärt Wittenauer. Schwerer hätten es Sozial- und Sprachwissenschaften, die nicht in vergleichbarem Maße auf standardisierte Lernangebote fixiert sind. Inzwischen existierten aber auch dort vielversprechende E-Learning-Ansätze. Dabei gehe es etwa um das gemeinsame Erarbeiten von Begriffs- und Problemdefinitionen.

Bis heute hat auch das Engagement der jeweiligen Fachbereiche und Dozenten großen Einfluss auf die Qualität. Zwar habe die Einführung der relativ leicht bedienbaren Open-Source-Software Moodle den Aufbau von E-Learning-Plattformen an Hochschulen insgesamt sehr erleichtert, so Wittenauer. Aber gerade am Anfang sei der Aufwand beträchtlich und von ungeübten Dozenten meist nur mit mediendidaktischer Beratung erfolgreich zu bewerkstelligen. "Das macht Arbeit." Auch Michael Kerres betont, Hochschulen stünden beim Einführen entsprechender Angebote vor nicht zu unterschätzenden "strategischen Herausforderungen". Entscheidend sei vor allem, dass die jeweiligen Institutsspitzen E-Learning konsequent fördern und ihre Mitarbeiter motivieren. (Sebastian Bronst, dpa) / (jk)