Mobilfunk: In der Bahn weiter ohne 5G

Die Netzbetreiber setzen laut der Bundesregierung auf frequenzdurchlässige Scheiben und WLAN, um die Zugreisenden ins Gigabit-Zeitalter zu transportieren.​

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Mit der kommenden Generation ICE 3neo soll sich die Empfangslage im Zug verbessern.

(Bild: Deutsche Bahn)

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Verlässlicher Handy-Empfang und superschnelles Internet per 5G-Mobilfunk dürften für viele Bahnreisende vorerst ein Traum bleiben. Momentan ist nicht geplant, die Fernzüge der Deutschen Bahn (DB) mit speziellen Signalverstärkern für 5G auszurüsten. "Im Rahmen der Kooperation mit den Mobilfunknetzbetreibern wurde vereinbart, aktuell keine 5G-Ertüchtigung der Repeater voranzutreiben", erklärt die Bundesregierung in einer heise online vorliegenden Antwort auf eine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Die neue Mobilfunkgeneration wird so bei vielen Zügen vorerst außen vor bleiben.

Bei der Mobilfunkversorgung innerhalb eines Schienenfahrzeugs sind weitere Vorkehrungen wie etwa der Einbau von Repeatern oder der Einsatz Hochfrequenz-durchlässiger Scheiben erforderlich. Aus rechtlichen Gründen können die Mobilfunknetzbetreiber die Installation und die Wartung von Komponenten im und am Zug aber nicht selbst vornehmen und haben daher keinen direkten Einfluss auf die Umsetzung solcher Maßnahmen. Die Provider müssen zwar die Versorgung der Schienenwege, auf denen täglich mehr als 2000 Fahrgäste befördert werden, im Rahmen der Anforderungen aus der Frequenzauktion 2019 erreichen. Die Auflage bezieht sich aber nicht auf eine Sicherstellung der Abdeckung im Zug selbst.

Für 5G im DB-Fernverkehr schwören alle Beteiligten nun vor allem auf "mobilfunktransparente Scheiben", wie das federführende Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) schreibt. Ein solcher "Technologiewechsel" werde bei der Bahn geprüft. Dies gelte auch für eine Aktualisierung der WLAN-System auf 5G. Nach Kenntnis der Regierung plant auch der DB-Konkurrent Flixtrain keine Aufrüstung der von ihm oder in seinem Auftrag betriebenen Wagen auf 5G. Dieses Unternehmen setze aber unbeschichtete Scheiben ein, bei denen eine "Um- oder Aufrüstung" für Frequenzdurchlässigkeit nicht erforderlich sei.

Anders stellt sich die Lage bei DB-Zügen dar. Diese sind nach Regierungsangaben "mit einer isolierenden Metallschicht versehen, um eine energieeffiziente Klimatisierung der Fahrzeuge zu ermöglichen". Der Zusatz schirme neben der Wärmestrahlung auch Mobilfunksignale ab und bewirke so "eine hohe Mobilfunkdämpfung". Bei den Bestandszügen im DB-Fernverkehr werde diese mithilfe der Repeater überwunden. Neu bestellte und zulaufende Flotten wie der ICE 3neo (73 Züge bis 2029) oder ICE L (23 Züge schrittweise ab 2024) seien direkt ab Werk mit mobilfunktransparenten Scheiben ausgerüstet. Bei den Intercity 2K würden solche Fensterfüllungen derzeit nachgerüstet.

Parallel sollen nahezu alle Triebfahrzeuge und Loks, die im DB-Netz verkehren, GSM-R-Funksysteme bekommen. Bei diesen gibt es kein Risiko für Störungen durch Mobilfunkgeräte im leistungsstarken LTE-900-Netz, in dem auch in geschlossenen Räumen pro Zelle bis zu 35 MBit/s Kapazität bereitsteht. Ursprünglich sollte mit dem Fahrplanwechsel im Dezember diese zusätzliche 4G-Funkfrequenz in Zügen in Betrieb genommen werden. Die Pflicht zur sogenannten Härtung des Zugfunks durch Umstellung auf GSM-R setzte die Bundesnetzagentur im November aber aus.

Ziel der Bundesregierung ist es, "dass die Umrüstung der noch nicht mit störfesten GSM-Geräten ausgestatteten Fahrzeuge so schnell wie möglich abgeschlossen wird". Das BMDF sei dazu "im Austausch mit der Bahnindustrie und den Eisenbahnverkehrsunternehmen". Knackpunkt sei ein weiterer Umrüstungsbedarf von rund 1000 Fahrzeugen insbesondere aufgrund begrenzter Ressourcen in dem Sektor, während rund 10.000 im Rahmen der GSM-R-Förderrichtlinie bereits umgebaut worden seien. Für die Nutzung des Frequenzbereichs um 900 MHz für den Mobilfunk sieht die Bundesregierung deshalb "bis Ende 2024 weiterhin Einschränkungen".

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Jarzombek wertete die 5G-Zug-Ansage gegenüber der "Rheinischen Post" als "Hammer" und "Hiobsbotschaft für alle Bahnreisenden". Damit bleibe das Netz nicht nur deutlich langsamer. Bereiche, die mit den neuen Frequenzen zwischen 3,7 und 3,8 GHz mit modernem 5G abgedeckt seien, seien für die alten Bahn-Repeater sogar "Funklöcher".

Mögliche Nachrüstung für ältere Züge: Mit einem Laser wird ein Rautenmuster in die Beschichtung des Fensterglases geschnitten, damit die Mobilfunkwellen hindurchdringen können.

(Bild: Deutsche Bahn / Dominic Dupont)

Auf eine Frage von heise online zu den Leistungsdaten der aktuell eingesetzten Signalverstärker antworte ein DB-Sprecher ausweichend: Gemeinsam mit der Deutschen Telekom und Vodafone arbeitet der Konzern demnach "am lückenlosen Handynetz entlang der Schienen". Bis 2026 würden die Gleise durchgehend von den beiden Netzbetreibern mit 200 MBit/s oder mehr versorgt. Diese verfügbaren Datenraten könnten alle in die Züge geleitet werden. Zum größten hiesigen Mobilfunkversorger, Telefónica Deutschland mit der Marke o2, äußerte sich der Sprecher nicht.

Zunächst seien Repeater für 2G, später für 3G und seit 2016 für 4G-Mobilfunk in die ICE-Züge eingebaut worden, heißt es bei der DB. Die aktuelle Repeater-Generation sei von den Mobilfunknetzbetreibern spezifiziert und dann durch die Fernverkehrsparte in die ICE-Züge eingesetzt worden. Als dauerhafte Lösung sehe man mobilfunkdurchlässige Scheiben, bei denen die Metallschicht "von einem kaum sichtbaren Raster durchbrochen" werde. Jenseits der entsprechend ausgerüsteten neuen Züge seien inzwischen auch Scheiben an einem älteren ICE erfolgreich "mittels Laser nachbearbeitet worden".

(vbr)