Corona: Digitalisierungsschub gefährdet Datenschutz

Im Zuge der Coronakrise hatten sich viele Bereiche des öffentlichen Lebens digital abgespielt. Datenschützer Jan Wacke sieht Überwachungstendenzen.

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(Bild: PopTika/Shutterstock.com)

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Vorlage von Impfnachweisen, Tests an Schulen und Kitas, Kontaktnachweise in Restaurants – mit dem Wegfall der Corona-Einschränkungen ist auch die Zahl der Datenschutz-Beschwerden beim Land Baden-Württemberg zurückgegangen. Bezogen auf den Datenschutz sorgten die dabei erhobenen Daten teils für Beschwerden. Die Zahl der neu eingeleiteten Bußgeldverfahren stieg im Vergleich zum Vorjahr von 136 auf 213 an, unter anderem da Polizisten und Datenschützer wieder mehr kontrollieren und die Wirtschaft wieder an Fahrt aufgenommen habe. Aufgrund der "notwendigen Kontaktreduzierung und zum Schutz der Gesundheit der Beschäftigten" hatten Kontrollen nur "in geringerem Maße vor Ort" vorgenommen werden können, teilte Jan Wacke, der die Landesdatenschutzbehörde in Baden-Württemberg vorübergehend leitet, heise online mit.

Jahresstatistiken zu Datenschutzvorfällen (2016 - 2021)

(Bild: Landesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-Württemberg)

"Mit der Rückkehr des freien Zugangs zum öffentlichen Leben und der Wiederbelebung der Wirtschaft ist davon auszugehen, dass auch in diesem Bereich wieder vermehrt Bußgeldanzeigen eingehen", sagt Wacke. Daher werde man davon ausgehen, künftig mehr Bußgeldverfahren einleiten zu müssen als während der Coronakrise. Im vergangenen Jahr sind 3796 Beschwerden eingegangen, im Jahr 2021 waren es noch 4708. Die Zahl der gemeldeten Datenpannen war im vergangenen Jahr mit 2747 weiter hoch, doch geringer als im Jahr zuvor. Dies geht aus dem Tätigkeitsbericht 2022 der Landesbeauftragten für den Datenschutz Baden-Württemberg hervor.

Gegen Ende des Berichtszeitraums seien nur noch wenige pandemiebedingte Datenschutzeingriffe vorgesehen, etwa die "Ermächtigung des Polizeivollzugsdienstes, die Einhaltung der Maskenpflicht und von Pflichten zur Vorlage von Impf-, Genesenen- und Testnachweisen zu kontrollieren. Darüber hinaus wurde dem Polizeivollzugsdienst noch immer die Möglichkeit eingeräumt, sich über Coronamaßnahmen gegen Infektionsverdächtige im Wege eines elektronischen Abrufverfahrens zu informieren", heißt es in einer Pressemitteilung der Datenschutzbehörde. Inzwischen seien die Kontrollmöglichkeiten abgeschafft.

Einen Schwerpunkt wolle man künftig auf die Kontrolle setzen, "ob Verantwortliche personenbezogene Daten, die zum Zwecke der Bekämpfung der Pandemie erheben durften oder mussten, und deren Speicherung aber nun nicht mehr erforderlich ist, auch tatsächlich gelöscht haben."In der Pandemie hätten sich die Beschwerden vor allem auf das private Lebensumfeld bezogen, etwa Videoüberwachung durch den Nachbarn. Nun verlagere sich der Schwerpunkt wieder ins öffentliche Leben, in die Gastronomie und die Wirtschaft. Die Coronakrise habe einen unglaublichen Digitalisierungsschub ausgelöst, sagte Wacke. Dieser könne das Leben stark vereinfachen, berge aber auch überschießende "Überwachungstendenzen".

Der Datenschützer nannte beispielhaft Gesundheitsdaten, die in Medizin und Forschung viel Potenzial hätten, aber auch besonders sensibel seien. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sei in der Pandemie stark unter Druck geraten, teilte die Behörde mit. Zudem sei es unter anderem auch zur zweckwidrigen Verwendung von "zu Zwecken der Pandemiebekämpfung erhobenen Kontaktdaten oder auch unsachgemäß entsorgte Unterlagen" gekommen. "Durch einen solchen Hinweis aus der Bevölkerung ergab sich auch der Verdacht, dass eine Apotheke bei der Entsorgung ihrer Unterlagen mit personenbezogenen Daten der besonderen Kategorie nicht die gesetzlichen Vorschriften einhält und darüber hinaus eine unzulässige Videoüberwachung betreibt", heißt es im Tätigkeitsbericht.

Der Datenschutzbeauftragte führt derzeit auch ein aufsichtsbehördliches Verfahren rund um die Affäre um die Weitergabe eines Anwaltsschreibens durch Innenminister Thomas Strobl, das Brink in seiner Amtszeit eingeleitet hatte. Aus Brinks Sicht hat der CDU-Politiker mit der Weiterleitung eines Schreibens des Anwalts eines ranghohen Polizisten an einen Journalisten klar gegen das Gesetz verstoßen. Ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen Strobl war gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt worden. Das Datenschutzverfahren richte sich nicht direkt gegen Strobl, sondern gegen das Innenministerium als verantwortliche Stelle, betonte Wacke. Man habe eine Anhörung ans Ministerium geschickt, zu dem die Behörde Stellung nehmen könne. Die Frist werde voraussichtlich nächsten Monat ablaufen. Dann werde man den Fallabschließend bewerten.

(mack)