taz sagt Leichtathletik-WM ab

Die Berliner "tageszeitung" wird aus Protest gegen sogenannte "Zuverlässigkeitsprüfungen" von Journalisten nicht von der Leichtathletik-WM berichten, die kommende Woche in der Bundeshauptstadt startet. Neu ist die Schnüffelpraxis indes nicht.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Die Berliner tageszeitung (taz) wird aus Protest gegen sogenannte "Zuverlässigkeitsprüfungen" von Journalisten nicht von den 12. IAAF Leichtathletik-Weltmeisterschaften berichten, die vom 15. bis 23. August in der Bundeshauptstadt stattfinden. Laut taz hatten sich zwei Sportredakteure der Zeitung um eine Akkreditierung für das Leichtathletik-Spektakel bemüht. Dabei musste neben Angaben zur Person und der auftraggebenden Zeitung auch eine "Einverständniserklärung zur Durchführung einer Zuverlässigkeitsprüfung" der Person "gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 5 ASOG Berlin" unterschrieben werden. In dem zugrunde liegenden "Allgemeinen Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin" (ASOG, PDF-Datei) steht, dass die Ordnungsbehörden und die Polizei personenbezogene Daten an Personen oder Stellen auch "außerhalb des öffentlichen Bereichs" übermitteln können.

Die Voraussetzung für eine Übermittlung solcher Daten ist beispielsweise schon dann erfüllt, wenn der Auskunftsbegehrende – in diesem Fall das Berliner Organisations-Komitee (BOC) – "ein berechtigtes Interesse" geltend macht. Privatunternehmen wie das BOC könnten auf dieser Grundlage also selbst entscheiden, wer das Stadion betreten dürfe und wer nicht, kritisiert die taz. Während das Organisationskomitee argumentiert, man gewährleiste über die Zuverlässigkeitsprüfungen einen "sicheren und störungsfreien Verlauf der Veranstaltung" und halte Personen, die eine "Gefährdung für die Gesamtveranstaltung" darstellten von "sicherheitsrelevanten Bereichen" fern, sieht die taz darin einen massiven Eingriff in die Pressefreiheit: Wer sich der "geölten Maschinerie der Überprüfung" entziehe, dem werde de facto ein Berufsverbot erteilt.

So geschehen bei den beiden taz-Redakteuren: Ihnen wurde den Angaben zufolge die Akkreditierung verweigert, weil sie die Einverständniserklärung nicht unterschrieben beziehungsweise entscheidende Passagen gestrichen hatten. Hätten sie es getan, wären laut taz über sie Erkundungen beim Landesdatensystem POLIKS, beim Polizeiinformationssystem INPOL-neu, beim polizeilichen Staatsschutz Berlin, bei der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze ("Gewalttäter Sport") sowie bei "vergleichbaren Datensammlungen der Polizei des Bundes und der Länder" eingeholt worden. Auch der Verfassungsschutz der Länder und des Bundes sowie der Bundesnachrichtendienst würden in die Untersuchungen eingebunden. Dies sei nicht nur unverhältnismäßig, hält die tageszeitung fest, es fehle zudem eine Rechtsgrundlage und die Journalisten würden ohne Anhaltspunkte zu potenziellen Verdächtigen gestempelt.

Unterstützung bekommen die Journalisten unter anderem vom sportpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen, Winfried Hermann, der das Verfahren als "nicht sauber" bezeichnete. "Es besteht ja ein Zwang: Wer berichten will, muss unterschreiben. Das geht so nicht." Der Staat überlasse es der Privatwirtschaft, in die Pressefreiheit einzugreifen. Neu ist die Praxis indes nicht. Bereits zur Fußball-WM 2006 in Deutschland hatten die Berliner Datenschützer festgehalten, dass es "rechtlich äußerst problematisch" sei, einem privaten Unternehmen wie der FIFA die Möglichkeit zu eröffnen, "gestützt auf Daten der Sicherheitsbehörden Beschäftigungsverbote zu verhängen". Und dieses Verfahren sollte "kein Vorbild für künftige Großveranstaltungen wie die Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2009 in Berlin" sein, heißt es im Jahresbericht 2006 (PDF-Datei) des Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit. Daran erinnert hat sich offenbar niemand.

Auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat sich am heutigen Mittwoch erneut deutlich gegen die gängige "Schnüffelpraxis" ausgesprochen. "Dass Journalisten offenbar generell als Sicherheitsrisiko gesehen werden, ist mit der Pressefreiheit nicht vereinbar", kritisierte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken. Er forderte die Organisatoren der Sportveranstaltung auf, unverzüglich davon Abstand zu nehmen, Einverständniserklärungen zur Durchführung von Zuverlässigkeitsprüfungen von den akkreditierungswilligen Journalisten zu verlangen. "Der Presseausweis der hauptberuflichen Journalisten muss für die Akkreditierung ausreichen", verdeutlichte Konken. "Das Vorgehen des BOC ist geeignet, Berichterstattung zu verhindern und daher politisch und juristisch höchst problematisch." (pmz)