Streamingdienste: Neue Strategien von Netflix und Disney+

Der verschärfte Kampf der beiden großen Videostreamingdienste gegen das Missverhältnis von Einnahmen und Ausgaben geht zulasten der Kunden.

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Streaming via TV

(Bild: pixinoo / Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Nico Jurran

Der Jubel war verfrüht: Nachdem Netflix eine FAQ-Seite über die Maßnahmen im Falle von unerlaubten Account-Sharings Anfang Februar nach nur einem Tag wieder zurückgezogen hatte, dachten einige bereits, die Sperrungen bei der Weitergabe von Zugangsdaten seien vom Tisch. Tatsächlich startete der Dienst nur rund eine Woche später die erste breite Aktion gegen Mitgucker. Neben Spanien und Portugal gehören Kanada und Neuseeland zu den ersten Ländern außerhalb des ursprünglichen Testgebiets Lateinamerika, in denen Netflix strikter gegen das Teilen von Accounts vorgeht.

Kunden in diesen Ländern sind aufgefordert, bis zu einem Stichtag einen Fernseher über die Netflix-App als Gerät an ihrem Hauptstandort auszuweisen. Spielt man danach Inhalte abseits dieses Ortes ab, droht eine Sperre des dafür genutzten Gerätes. Das scheint Gerüchte zu bestätigen, wonach der Dienst bei der Lokalisierung der verwendeten Abspielgeräte im ersten Schritt Fernseher ins Visier nimmt. Das ist nachvollziehbar, da man diese üblicherweise dauerhaft an einem Ort nutzt – im Unterschied etwa zu Notebooks, Tablets und vor allem Smartphones. Bei Nutzern ohne TV-Gerät behält sich Netflix nach eigenen Angaben vor, den Hauptstandort automatisch anhand von IP-Adresse, Geräte-IDs und Kontoaktivitäten festzulegen. Wann Netflix die Sperre in Deutschland einführt, ist nicht bekannt.

Dass der Dienst von seinem Plan abrücken würde, war unwahrscheinlich: Laut Presseberichten schätzt das Finanzanalyseunternehmen Cowen & Co., Netflix verdiene jährlich bis zu 1,6 Milliarden Dollar mehr, wenn es das Account-Sharing unterbindet. Dabei gehen die Analysten davon aus, dass rund 50 Prozent der aktuellen Mitgucker ein eigenes Abonnement abschließen. Von dieser Gruppe buche gemäß der Annahme wiederum die Hälfte ein gewöhnliches Abo und die andere Hälfte nutzt einen anderen Account gegen Zuzahlung weiter. Das kostet in Portugal 4 Euro und in Spanien 6 Euro pro Person und Monat, ist aber auf Hauptabos beschränkt, die nicht den Basistarif (mit oder ohne Werbung) nutzen: Beim Standardabo lässt sich ein Nutzer hinzubuchen, beim Premiumabo bis zu zwei (siehe Tabelle unten).

Parallel dazu pimpte Netflix das Premiumabo: Statt auf vier lassen sich Videos nun auf sechs Geräte parallel herunterladen, um sie später offline anzuschauen. Zudem steht dem echten 3D-Format "Dolby Atmos" nun ein virtuelles "3D-Audio" zur Seite, das bei rund 700 Titeln auf beliebigen Geräten mit Stereolautsprechern oder Kopfhörern für Raumklang sorgen soll. Kleiner Schönheitsfehler: Das Feature wurde schon im vergangenen Jahr präsentiert, damals aber noch ohne Beschränkung auf ein bestimmtes Abo.

Nun sind alle gespannt, ob die Rechnung aufgeht – allen voran Netflix’ Konkurrenten, die ihrerseits gerne Mitgucker in zahlende Abonnenten verwandeln würden. Disney+ kämpft in den USA mit einer Kündigungswelle, die die Preiserhöhung von 7,99 auf 10,99 US-Dollar pro Monat ausgelöst haben dürfte. Weltweit wanderten im vergangenen Quartal rund 2,4 Millionen Abonnenten ab; immerhin fiel der Verlust der Sparte mit 1,1 Milliarden Dollar niedriger aus als befürchtet. Dennoch ist das Ergebnis ernüchternd: Im Vorjahresquartal war der Verlust nur halb so groß.

Netflix-Kunden reagierten auf die Account-Sperren in den betroffenen Ländern verärgert – und brachten auch schon mal illegale Kopien als Alternative ins Spiel.

(Bild: Twitter-Screenshot)

CEO Bob Iger will laut Bloomberg-Bericht daher zum traditionellen Geschäft mit exklusiven Kinostarts und dem Verkauf von Film- und Serienlizenzen zurückkehren – eine radikale Abkehr vom aktuellen Modell, bei dem die meisten Disney-Inhalte exklusiv bei Disney+ beziehungsweise dem von Disney kontrollierten US-Dienst Hulu zu sehen sind. Veröffentlichungstermine von Filmen werden bei diesen Diensten teilweise schon bekannt gegeben, wenn diese noch im Kino laufen. Durch diese Exklusivstrategie entgehen dem Unternehmen jedoch Einnahmen, die das Streaminggeschäft derzeit nicht kompensieren kann, schreibt Bloomberg.

Dass bei künftigen Veröffentlichungen Kinostarts wieder priorisiert werden, erfreut die Kinobetreiber, die in den vergangenen Jahren unter dem Streamingwachstum gelitten haben. Spätestens, wenn Disney Filme und Serien an konkurrierende Abodienste lizenziert, dürften sich jedoch so manche Kunden fragen, ob das Angebot von Disney+ noch dessen Preis rechtfertigt.

Netflix-Tarife im Überblick

Tarif Basis mit Werbung Basis Standard Premium
gleichzeitige Streams 1 1 2 4
werbefrei -
alle Titel -
Auflösung HD (720p) HD (720p) Full-HD (1080p) UHD + HDR
3D-Audio - - -
Download max. - 1 Gerät 2 Geräte 6 Geräte
Extranutzer buchbar¹ - - 1 2
Preis pro Monat 4,99 € 7,99 € 12,99 € 17,99 €
¹gegen zusätzliche Kosten und nur in bestimmten Gebieten (aktuell nicht in Deutschland)
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