Mobilfunkstrahlung: Schäden für menschlichen Körper nicht belegbar

Die Bundesregierung versucht Sorgen in der Bevölkerung angesichts des zunehmenden Elektrosmogs erneut zu beschwichtigen. Langzeitwirkungen bleiben unklar.

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(Bild: Shutterstock/Juan Aunion)

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In der öffentlichen Debatte spielt angesichts der zunehmenden Bedeutung des Mobilfunks und der damit verknüpften Strahlungsintensität die sogenannte Elektrosensibilität eine immer größere Rolle. Dabei geht es um Personen, die möglicherweise besonders empfindlich auf hochfrequente elektromagnetische Felder (HF EMF) reagieren. Die Folgen bei ihnen diverse gesundheitliche Beschwerden sein. Die Bundesregierung gibt nun vorläufig in ihrem zehnten Bericht über Forschungsergebnisse rund um Emissionsminderungsmöglichkeiten der gesamten Mobilfunktechnologie Entwarnung.

Zumindest ein "kausaler Zusammenhang zwischen Beschwerden elektrosensibler Personen und der nicht-thermischen Wirkung von HF EMF lasse sich auch durch neueste Forschungsergebnisse nicht nachweisen, schreibt die Exekutive in dem 20-seitigen Papier, das sie jetzt als Unterrichtung an den Bundestag weiterleitete. Nicht-thermische Effekte sind biologische Auswirkungen, die nicht mit einer Erwärmung des Körpergewebes erklärt werden können. Dazu gehören etwa Kraftwirkungen auf einzelne Zellen, die unter anderem in Verdacht stehen, Krebs auszulösen.

Solche Phänomene träten im Mobilfunkfrequenzbereich erst bei wesentlich höheren Intensitäten auf als die weniger gefährlichen thermischen Wirkungen, ist dem Bericht zu entnehmen, der sich auf die Zusammenfassung aktueller Studien durch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) stützt: "Im Bereich niedriger Intensitäten von HF EMF konnten gesundheitliche Beeinträchtigungen infolge nicht-thermischer Wirkungen in jahrzehntelanger Forschung bisher wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden."

Das Fazit des Deutschen Mobilfunk-Forschungsprogramms, das von 2002 bis 2008 lief, ist den Ergebnissen zufolge nach wie vor gültig. Im Rahmen eines wissenschaftlichen Fachgesprächs, das das BfS im Mai 2022 durchführte, hätten Teilnehmer bestätigt: "Der aktuelle wissenschaftliche Kenntnisstand gibt insgesamt keinen Anlass, die Schutzwirkung der bestehenden Grenzwerte in Zweifel zu ziehen."

Unsicherheiten räumt die Exekutive allerdings bei der Frage möglicher Langzeitrisiken bei intensiver Handynutzung über mehr als 15 Jahre ein. Tierexperimentelle und in-vitro-Studien sprächen insgesamt zwar gegen ein erhöhtes Risiko. Ergebnisse aus lang angelegten Bevölkerungsstudien lägen aber noch nicht vor. Ein südkoreanisches Forscherteam empfahl voriges Jahr Männern mit Kinderwunsch, die Handynutzung zu reduzieren. Elektromagnetische Funkwellen könnten ihnen zufolge die Spermienqualität reduzieren. Diese Metastudie taucht in der Regierungsuntersuchung nicht auf.

Kritiker etwa von Bürgerinitiativen gegen 5G werfen der Politik seit Längerem vor, eine ernsthafte, sachliche wissenschaftliche Auseinandersetzung im Sinne des Vorsorgeprinzips zu scheuen und vor allem den Produktschutz der Telekommunikationsindustrie gewährleisten zu wollen. Mit der fünften Mobilfunkgeneration hätten Sorgen über eine höhere Belastung durch elektromagnetische Felder in Teilen der Bevölkerung zugenommen, räumt die Exekutive nun ein. Die stetig steigenden Datenübertragungsmengen erforderten eine ständige Weiterentwicklung der Mobilfunkstandards. Bisherige Messungen zeigten aber, dass sich die Belastung seit Einführung von 5G "nicht wesentlich" verstärkt habe.

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Die UMTS-Netze seien bis Ende 2021 in Deutschland abgeschaltet worden, führt die Regierung aus. Die bisher für 3G genutzten Frequenzbereiche seien den Mobilfunkbetreibern "technologieneutral" zugeteilt und dürfen so auch durch andere Mobilfunkgenerationen wie 4G, 5G und gegebenenfalls künftig 6G genutzt werden. Neben der Wirtschaftlichkeit würden damit auch die steigende Verdichtung des Spektrums und die Implementierung energiesparender Generationen gefördert. Ob der fortdauernde Netzausbau zu einer insgesamt höheren Beeinträchtigung der Bevölkerung führe, werde weiterhin beobachtet.

Der Analyse zufolge betrifft ein substantieller Teil der sich verändernden Exposition gegenüber HF EMF den Mobilfunk. Dieser werde neben der Telefonie und dem mobilen Internet zunehmend auch für die Vernetzung von Geräten, Gegenständen und Fahrzeugen eingesetzt. Beispiele seien Smart Citys, die Verbindung zwischen Autos oder von Autos mit Infrastrukturelementen (V2X-Kommunikation) oder das Smart Home. Das Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz sowie das BfS hätten deshalb die Informations- und Dialogangebote etwa über das 2020 eingerichtete "Kompetenzzentrum Elektromagnetische Felder" verstärkt.

Entscheidend für die Emissionsminderung der gesamten Mobilfunktechnologie ist es dem Bericht zufolge, Fragen in Bezug auf elektromagnetische Felder bereits bei der Entwicklung der Technologie konsequent als Rahmenbedingung zu beachten. Entsprechende Vorgaben seien Teil der 5G- und der Gigabitstrategie der Bundesregierung sowie der Arbeiten am 6G-Standard. Letztere sollen im Einklang mit den internationalen Leitlinien erfolgen und so dazu beitragen, dass das bestehende hohe Schutzniveau beibehalten wird und als europaweit anerkannter Maßstab verankert bleibt.

Ferner verweist die Exekutive auf ihr Ziel, die bislang befristete Zusage der Mobilfunknetzbetreiber im Bereich der Kleinzellen in ein dauerhaftes Regime zu überführen und auch solche ortsfesten "Small Cells" innerhalb von Gebäuden adäquat in das Schutzsystem einzubinden. Der Bericht erscheint auf Geheiß des Bundestags alle zwei Jahre. 2021 hatte die Regierung ebenfalls keinen Grund zu Alarmismus gesehen. Dies deckt sich mit Erkenntnissen der Internationale Kommission zum Schutz vor nicht-ionisierender Strahlung (ICNIRP).

(tiw)