Sechs Jahre nach AlphaGo: Mensch besiegt erneut "zuverlässig" stärkste Go-KIs

Eigentlich galt es als klar, dass Menschen gegen Go-Programme den Kürzeren ziehen. Doch gegen eine neue Strategie sind die KI-Systeme – noch – chancenlos.

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(Bild: artpage/Shutterstock.com)

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Mehr als sechs Jahre nach dem publikumswirksamen Sieg von Googles-KI AlphaGo gegen den koreanischen Spitzenspieler Lee Sedol im Strategiespiel Go hat sich der Mensch die Krone gewissermaßen zurückerobert. Wie die Financial Times berichtet, ist es dem US-Amerikaner Kellin Pelrine gelungen, zwei besonders weit entwickelte KI-Systeme ohne direkte Hilfe eines Computers zu besiegen, obwohl er selbst lediglich auf gehobenem Amateurlevel spielt. Bereits im Januar habe er sich dafür eine Schwäche der KI zunutze gemacht, die wiederum von einer anderen KI entdeckt worden war. Die Strategie sei für Menschen "nicht superschwer zu lernen". Damit lassen sich KI-Systeme auf "übermenschlicher" Schwierigkeitsstufe zuverlässig schlagen, während auch Go-Neulinge dagegen bestehen.

"Es war für uns überraschend einfach, das System zu überlisten", zitiert die Financial Times den Chef der Forschungsfirma Far AI, deren System die Lücke gefunden hat. Ihre Software hat demnach mehr als eine Million Partien gegen KataGO gespielt, eine führende Go-KI, die mit AlphaGo vergleichbar sei. Die dabei entdeckte Strategie beruht demnach darauf, dass man die KI auf einem Teil des Spielfelds quasi umzingelt, während sie mit Zügen in einem anderen Teil abgelenkt wird. Selbst als die Einkreisung fast abgeschlossen war, habe die KI das ignoriert. Pelrine hat damit demnach nicht nur gegen KataGo gewonnen, sondern auch ein weiteres System namens Leela Zero. AlphaGo selbst ist nicht mehr verfügbar.

Die überraschende Kehrtwende zeige einmal mehr, dass KI-Systeme nur Situationen "verstehen" können, denen sie in der Vergangenheit bereits ausgesetzt waren, ordnet der Computerwissenschaftler Stuart Russell die Siege gegenüber der Zeitung ein. Die Maschinen könnten weiterhin nicht in einer Art und Weise generalisieren, wie es Menschen leicht falle: "Das zeigt einmal mehr, dass wir Maschinen viel zu vorschnell übermenschliche Fähigkeiten zugeschrieben haben." Die Verantwortlichen bei Far AI gehen demnach davon aus, dass die jetzt entdeckte Strategie so selten benutzt wird, dass die KI-Systeme einfach zu wenige Beispiele in Trainingsmaterial finden. Das dürfte sich nun ändern.

Das Strategiespiel Go ist vor allem in Ostasien verbreitet und als komplexestes unter den besonders bekannte. Mitte des vergangenen Jahrzehnts überraschte die Google-Tochter Deepmind eine Reihe von Experten und Expertinnen, als die KI AlphaGo erst einen dreifachen europäischen Go-Meister, dann den Spitzenspieler Lee Sedol, später gleich fünf Profis und schließlich auch den damaligen Weltranglisten-Ersten Ke Jie besiegt hat. 2019 begründete Lee Sedol das Ende seiner Profikarriere sogar mit der Überlegenheit der Go-Programme. Das Projekt AlphaGo war bereits 2017 beendet worden. Die jetzt publik gewordenen Siege dürften an der Dominanz der KI-Systeme zwar nichts ändern, aber sie verdeutlichen, dass man die menschliche Intelligenz nicht zu früh abschreiben sollte.

(mho)