Scoring zur Bonitätsprüfung schwer fehlerbehaftet

Eine Studie der GP Forschungsgruppe im Auftrag des Bundesministeriums für Verbraucherschutz hat ergeben, dass bis zu 45 Prozent der bei vier Auskunfteien gespeicherten personenbezogenen Daten nicht fehlerfrei sind.

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Eine Studie der GP Forschungsgruppe im Auftrag des Bundesministeriums für Verbraucherschutz hat schwere Mängel bei Anbietern von Scoringmethoden für die Prüfung der Kreditwürdigkeit ergeben. Allein bei der größten Auskunftei hierzulande, der Schufa, waren demnach 45 Prozent der gespeicherten Eintragungen fehlerhaft, unvollständig oder falsch. So waren etwa Girokonten, Bankverbindungen, Handyverträge oder Immobilienkredite nicht erfasst. Darüber hinaus listete die Schufa gekündigte Mobilfunkverträge als noch aktiv, Girokonten mit falscher Nummer oder abgelaufene sowie nicht existente Kreditkarten auf. Bei anderen großen Auskunfteien war vor allem die Aussagekraft der gelieferten Kriterien zur Bonitätsprüfung mangelhaft.

Der Leiter der Untersuchung, Dieter Korczak, sprach bei der Vorstellung des Berichts (PDF-Datei) am heutigen Mittwoch in Berlin von einem "ernüchternden Ergebnis". Es sei sehr "fragwürdig", was bei den vier ins Blickfeld genommenen Dienstleistern an Daten erfasst und gespeichert werde. Zugute halten wollte er der Schufa allein, dass falsche Informationen zumindest rasch korrigiert werden könnten. Zudem habe eine Vorläuferstudie 2002 noch eine sich auf 65 Prozent belaufende Fehlerquote ergeben. Trotzdem sei der Anteil zweifelhafter Daten noch viel zu hoch. Tolerierbar wäre höchstens ein "Grundrauschen" an Fehlern in der Höhe von zwei bis fünf Prozent.

Im Einzelnen ergab die Analyse, für die sich hundert von den Forschern ausgewählte Personen Eigenauskünfte bei der Schufa, der Creditreform Consumer GmbH, Arvato Infoscore und bei Bürgel besorgten, dass etwa schon aufgrund fehlender Beziehungen zu Banken den Auskunfteien bestimmte bonitätsrelevante Verbraucherdaten nicht zur Verfügung standen. Daraus habe sich in der Stichprobe allein bei der Schufa bereits eine Fehlerquote von 35 Prozent ergeben. In der Verantwortung des Anbieters selbst liege eine zusätzliche Fehleranfälligkeit von 26 Prozent durch falsche und veraltete Datensammlungen. Grundsätzlich in Frage stellte Korczak den Wert des von der Schufa ermittelten "Basis-Score", der im Durchschnitt bei Werten zwischen 99,70 und 88 geschwankt habe. Diese Zahlen stünden für den Verbraucher in keinem erkennbaren, nachvollziehbaren oder überprüfbaren Zusammenhang zur realen Kreditwürdigkeit.

Deutlich zugeknöpfter als die Schufa gaben sich von vornherein die drei anderen einbezogenen Auskunfteien. Bei der Creditreform lagen angeblich zu über der Hälfte der Probanden keine gespeicherten Informationen vor. Ausnahme bildeten die Angaben, welche die Testpersonen im Zuge der Anfrage selbst übermitteln mussten. Zu fünf Prozent der Probanden bewahrte die Creditreform falsche Daten auf. Scoringwerte gibt die Firma bislang nur an Kunden, nicht aber an Konsumenten im Rahmen der Eigenauskunft weiter. Die Bertelsmann-Tochter Arvato Infoscore übermittelte gar in 95 Prozent der Fälle allein die selbst angegebenen Daten wie Alter oder Adresse gleichsam gespiegelt zurück. Dabei schaffte sie es laut der Untersuchung, bei zwei Prozent der Testpersonen das Geburtsdatum falsch abzuspeichern. Ähnlich wie bei den anderen auf die Probe gestellten Unternehmen hatte die Firma zudem in drei Fällen die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung und die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorrätig.

Korczak zweifelte insgesamt an, wie auf Basis des herausgegebenen Materials überhaupt aussagekräftige Scorewerte zur Bonitätsprüfung von Verbrauchern ermittelt werden könnten. Seiner Ansicht nach würde es reichen, die Kriterien Einnahmen, Ausgaben und laufende Kreditverpflichtungen zu diesem Zweck heranzuziehen. Die Werte, die im Rahmen von komplexen mathematisch-statischen Verfahren dazu dienen sollen, die Kreditwürdigkeit einzuschätzen, müssten prognosefähig sein. Der wissenschaftliche Nachweis, dass dies mit der derzeit genutzten Kriterienvielfalt funktioniere, stehe noch aus. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner bezeichnete die Fehlerquoten als "viel zu hoch". Die den Verbrauchern erteilten Selbstauskünfte seien "oft völlig unbrauchbar", rügte die CSU-Politikerin. Es müsse dringend mehr Licht ins Dunkel der Scoringverfahren gebracht werden. Die Auskunfteien hätten die Verantwortung für die Richtigkeit der gespeicherten Informationen und der daraus abgeleiteten Bonitätsprüfung zu übernehmen.

Aigner setzt ihre Hoffnung dabei auch auf die vom Bundestag Ende Mai beschlossene Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes zur Regulierung von Auskunfteien. Demnach müssen die Branchenvertreter Interessenten künftig einmal pro Jahr auf Anfrage eine kostenlose Eigenauskunft erteilen und dabei über das Zustandekommen von Scorewerten einzelfallbezogen und in allgemein verständlicher Form aufklären. Die Ministerin forderte die betroffenen Unternehmen auf, diese Bestimmungen schon vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. April 2010 umzusetzen. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar allerdings hätte sich "mehr gewünscht" bei der Reform, auch wenn sie in die richtige Richtung weise. Seiner Ansicht nach hätten unter anderem die Dienstleister dazu verpflichtet werden sollen, von sich aus einmal im Jahr eine Bürgerauskunft zu versenden.

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(Stefan Krempl) / (jk)