Bester Staub fürs Geoengineering? Mondstaub, meinen Forscher

Eine Wolke aus Mondstaub könnte am Lagrange-Punkt L1 schweben und so die Erdtemperatur senken. Ein US-Forscherteam hat die Idee modelliert.

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Die Erde vom Mond aus.

(Bild: Elena11/Shutterstock)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Hanns-J. Neubert
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Die Sonne zu dimmen, um die Erdtemperatur zu senken, hat schon viele Forschergenerationen beflügelt. Sie dachten, dass außerirdische Lösungen der Menschheit Zeit verschaffen könnten, um ihre Treibhausgasemissionen endlich in den Griff zu bekommen.

Einen ersten Versuch will das Start-up Make Sunsets unternommen haben. Nach eigenen Angaben hat es bereits im April des vergangenen Jahres zwei Stratosphärenballons mit Schwefeldioxid gestartet. Der Plan sah vor, dass die Ballons platzten und die Aerosole freisetzten, um so Sonnenlicht zu reflektieren.

Andere Ideen zum Geoengineering sind "abgehobener". Dazu zählt etwa das neueste Gedankenexperiment, nach dem zehn Millionen Tonnen Mondstaub pro Jahr das Sonnenlicht auf der Erde um 1,8 Prozent abschatten und so die globale Temperatur senken könnten.

Eine solche Staubwolke ließe sich nämlich in den sogenannten ersten Lagrange-Punkt (L1) einlagern, 1,5 Millionen Kilometer entfernt zwischen Erde und Sonne. Dort heben sich die Anziehungskräfte von Sonne und Erde auf. Alles was dorthin gelangt, hält das Gravitationsgleichgewicht weitgehend an Ort und Stelle.

In der Vergangenheit haben schon einige Forschungsgruppen in Modellen versucht, Staub an diesem Lagrange-Punkt zu platzieren. Aber der Sonnenwind aus Lichtquanten und geladenen Teilchen blies die Partikel nach einiger Zeit dann doch in den Weltraum.

Eine Forschergruppe der Universität von Utah in Salt Lake City und des Astrophysikalischen Observatoriums des Smithsonian in Cambridge, Massachusetts, hat nun aber in zahlreichen Modellläufen untersucht, welche Art von Staub sich am längsten dort draußen halten könnte und dabei gleichzeitig gute Abschattungseigenschaften hat.

Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass sich Mondstaub besonders gut eignet, weil er aus fluffigen Körnern mit hoher Porosität besteht. Sie lassen sich einerseits nicht so schnell vom Sonnenwind ins All blasen und können andererseits die Erde besonders gut abschatten.

Für einen effizienten Transport denken die Forscher an den kontinuierlichen Abschuss eines Stroms von Staub direkt vom Nordpol des Mondes in Richtung des Lagrange-Punkts. Das könne durch eine Art Railgun erfolgen, die den Staubfluss durch elektromagnetische Energie antreibt, so Erstautor Benjamin C. Bromley gegenüber dem Magazin "New Scientist". Das wäre weit weniger energieaufwendig, als Staub von der Erde aus dorthin zu schießen. Einige Quadratkilometer Sonnenkollektoren in der Nähe des Startplatzes auf dem Mond würden reichen, eine solche Kanone mit Energie zu befeuern. Simuliert haben die Forscher diese Lösung aber nicht.

So könnte der Staub auch woanders landen, wenn der Abschuss nicht ganz so genau ausgerichtet ist. Auch könnten häufiger Mikro-Meteoriteneinschlägen auf die Erde niedergehen und dabei Schäden an Satelliten in der Erdumlaufbahn verursachen. Die Autoren schreiben selbst: "Da die Staubkörner zwischen der Erde und der Sonne dazu neigen, aus der Reihe zu tanzen, müssen sie nachgefüllt werden. Die fehlende Kontrolle über eine Staubwolke kann auch ihre Wirksamkeit als Sonnenschutzschild einschränken."

Wie bei allen Klima- oder Geoengineering-Modellierungen sind die Auswirkungen von Sonnenlichtabschattungen nach wie vor kaum erforscht. So ist vor allem unklar, wie sich eine Temperatursenkung regional auf der Erde auswirkt, wie sie Windfelder und Niederschläge beeinflusst – und damit Ökosysteme, Landwirtschaft und die Wasserverfügbarkeit.

Selbst Bromley warnt davor, mit solchen Techniken die Bemühungen um Klimaschutz auf der Erde zu ersetzen. "Wir müssen die Treibhausgase in unserer eigenen Atmosphäre auf jeden Fall weiter reduzieren", sagt er. "Unsere Staubschutzlösung würde uns einfach nur mehr Zeit verschaffen." Angesichts der noch jahrzehntelang notwendigen Weiterentwicklung jedoch ein fragliches Unterfangen.

(jle)