KI-Generatoren und die Disruption des Urheberrechts – Analyse eines IT-Juristen

KI-Generatoren und ihre Erzeugnisse erschüttern die heile Welt des Urheberrechts, meint IT-Anwalt Joerg Heidrich. Für Heise analysiert er die USCO-Entscheidung.

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Bild einer die Welt beherrschenden allmächtigen KI, KI-generiert von Midjourney durch Joerg Heidrich

Bild einer die Welt beherrschenden allmächtigen KI, KI-generiert von Midjourney durch Joerg Heidrich

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Joerg Heidrich
Inhaltsverzeichnis

Nein, es gibt kein Urheberrecht an Bildern, die vom KI-Generator Midjourney erzeugt werden. Dies entschied das U.S. Copyright Office (USCO) am Beispiel von Bildern eines Comics, die von einer KI erstellt wurden. Diese seien kein Produkt menschlicher Schöpfung ("product of human authorship"), führt das Amt in einer ausführlichen und gut begründeten Entscheidung aus.

Eine Analyse von Joerg Heidrich

Joerg Heidrich auf dem Mount Everest – mithilfe von Midjourney

Joerg Heidrich ist Justiziar und Datenschutzbeauftragter bei Heise Medien und als Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht in Hannover tätig. In seiner Freizeit besucht er mithilfe von Midjourney den Mount Everest.

Die Entscheidung kam nicht wirklich überraschend. Auch in Deutschland sind sich die Juristen weitgehend einig, dass KI-generierte Inhalte nicht dem Schutz des Urheberrechtsgesetz (UrhG) unterliegen. Grundsätzlich fallen zwar Grafiken ebenso wie Gemälde, Filme, Texte und Fotos in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes. Dessen Paragraph 2 sieht jedoch vor, dass nur "persönliche geistige Schöpfungen" Werke im Sinne des Urheberrechts sein können. Geschützt ist also nur das Ergebnis einer "menschlichen Schöpfung", nicht aber das Ergebnis eines von einer Maschine ausgeführten Algorithmus.

Aber was ist das Ergebnis dieser Einsicht? Nicht weniger als eine gehörige Portion Anarchie in der so geordneten Welt des Urheberrechts. Dieses hatte sich in den letzten zwei Jahrzehnten – auch mit Hilfe mächtiger Lobbyorganisationen – immer mehr zu einer Art "Superrecht" entwickelt, in dem die Befugnisse der Rechteinhaber immer weiter zulasten der Allgemeinheit ausgedehnt wurden. Das Ergebnis ist, dass Fotografen teure Abmahnungen versenden können, wenn jemand nur ein Bildmotiv auf einer Fototapete auf Facebook wiedergibt.

Auf diese heile Welt kommt nun nicht weniger als eine gehörige Portion Disruption zu. Denn wenn KI-generierte Bilder und Texte nicht urheberrechtlich geschützt sind, können sie von jedermann lizenzfrei genutzt werden – umsonst und ohne zu fragen! Die Fähigkeiten von Midjourney, Stable Diffusion und Co. sind bereits so weit entwickelt, dass niemand mehr das Bild eines Fotografen braucht, um eine Tulpe auf eine Tapete zu drucken.

In der Praxis stellen sich noch weitergehende Fragen, die von enormer praktischer Relevanz sind: Wie viel KI darf in einem Werk stecken, damit es noch in den Schutzbereich des Urheberrechts fällt? Dies gilt zunächst für selbst erstellte Inhalte, etwa Texte, die mit KI-Tools wie DeepL Write oder dem LanguageTool bearbeitet werden. Die Software überarbeitet Text, korrigiert Fehler und schärft Formulierungen. Ein Service, den gerade Juristen mit dem ihnen eigenen Schreibstil schätzen dürften -- und den auch der Autor dieses Textes in Anspruch genommen hat. Solange es dabei nur um den Feinschliff geht, dürfte das kein Problem sein. Besteht der Text am Ende aber überwiegend aus Formulierungen, die aus dem Computer stammen, so dürfte das eigene Urheberrecht mit den Überarbeitungen verloren gegangen sein.

Macht selbst Texte von Juristen besser lesbar – DeepL Write (Screenshot)

(Bild: DeepL Write)

Umgekehrt stellt sich die Frage, wie umfangreich beispielsweise ein Text umgeschrieben oder ein Bild bearbeitet werden muss, damit an dieser Umgestaltung ein eigenes Recht entsteht. Hier hat das Urheberrecht schon immer hohe Anforderungen gestellt, so dass der Prozentsatz recht hoch sein muss. Immerhin: Einige Bereiche tun sich hier in der Praxis etwas leichter, weil ihnen ein Leistungsschutzrecht zu Hilfe kommt. Dieses schützt etwa KI-Grafiken, wenn sie beispielsweise in Computerspielen oder Filmen verwendet werden.

Die Auswirkungen dieser Einstufung sind von großer Relevanz. Nicht nur sind KI-Inhalte hinsichtlich ihrer Nutzung plötzlich frei nutzbar, was bislang nahezu unvorstellbar war. Auch Verwertungsgesellschaften wie die VG Wort und die VG Bild-Kunst, die für das Einkommen der Kreativen eine nicht unerhebliche Rolle spielen, stehen vor großen Problemen. Letztere vergüten natürlich nur menschliche Produkte, wobei die Unterscheidung in der Praxis schwierig bis unmöglich sein wird. Tatsächlich könnte es sogar als Betrug angesehen werden, wenn dort Werke aus dem Computer zur Vergütung angemeldet werden. Tatsächlich dürfte das gesamte Verteilungs- und Vergütungsmodell der VG Wort mit dieser Disruption durch amorphe Urheberschaft mittelfristig infrage stehen. Letztlich werden sich auch die Reichweiten von Websites, das Lese- und Suchverhalten von Internetnutzern, das Internet als Ganzes verändern.

Und noch eine schlechte Nachricht hält das Urheberrecht für Kulturschaffende aller Sparten bereit, wenn es um die Nutzung ihrer Werke durch KI-Generatoren geht: Es deutet viel darauf hin, dass sich aus Paragraph 44b des Urheberrechtsgesetzes ergibt, dass die Anbieter dieser neuen Technik nicht einmal um Erlaubnis fragen müssen, um Texte, Grafiken oder Fotos für die Nutzung durch KI auszulesen. Vielmehr ist der Anbieter umgekehrt verpflichtet, einen solchen Zugriff auszuschließen.

Wie dies bei der zukünftigen Nutzung von Trainingsdaten geschehen soll und kann, ist allerdings noch weitgehend unklar. Denkbar wäre hier eine entsprechende Kennzeichnung in den Meta-Tags der Website. Eine Kennzeichnung in den robot.txt-Daten müsste dann aber zielgerichtet nur den KI-Bot ausschließen – und nicht etwa den Bot der Suchmaschinen. Hier ist es dringend erforderlich, dass sich beide Seiten zeitnah auf eine praktikable Lösung einigen, die es den Kreativen ermöglicht, eine ungewollte Nutzung auszuschließen und gleichzeitig Rechtssicherheit für KI-Engines schafft.

Die bahnbrechenden neuen Möglichkeiten der KI-Generatoren stellen nicht nur Berufsgruppen wie Illustratoren, Fotografen, Journalisten oder auch Anwälte vor schwierige neue Herausforderungen. Auch das Recht erfährt eine gehörige Portion Disruption. Das gilt vor allem für das bisher so omnipräsente Urheberrecht. Auch Haftungsfragen, Datenschutz oder der Umgang mit Fälschungen und Deepfakes treffen das Rechtssystem, seine Vertreter und auch die Künstler hart und müssen zeitnah beantwortet werden. Eine große Herausforderung für alle Akteure!

(sih)