Anti-Terror-Kampf: Neue Technologien beschränken laut UN-Bericht Grundrechte

Der Einsatz von Drohnen, biometrischer Überwachung, KI und Staatstrojanern gegen Terrorismus gestaltet sich laut einem UN-Bericht verheerend für Menschenrechte.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 30 Kommentare lesen

(Bild: PopTika/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Drohnen, biometrische Erkennungsverfahren, Künstliche Intelligenz (KI) und Spyware wie Pegasus und Predator führten immer stärker dazu, dass "Menschenrechte auf der ganzen Welt behindert und verletzt werden". Fionnuala Ní Aoláin, Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten bei der Terrorismusbekämpfung, schlägt in einem jetzt veröffentlichten Bericht Alarm angesichts der schleichenden Ausweitung der Befugnisse von Sicherheitsbehörden zum Einsatz von Überwachungstechnologien im Anti-Terror-Kampf.

Den Hauptfokus legt Ní Aoláin in der Untersuchung (docx-Datei), die sich auch auf die Bekämpfung von gewalttätigem Extremismus bezieht, auf "digitale Technologien". Sie kritisiert etwa "die weltweite Verbreitung und den Missbrauch hochentwickelter, eingreifender Technologien zur Cyberüberwachung" wie Staatstrojaner. Die Rechtswissenschaftlerin weist auf die menschenrechtlichen Risiken hin, die mit der Entwicklung, dem Einsatz und der internationalen Weitergabe solcher Spähsoftware verbunden sind.

"Tief besorgt" zeigt sich die UN-Berichterstatterin über die diskriminierenden Elemente, die in KI-Systeme, biometrische Verfahren etwa zur automatisierten Gesichtserkennung oder zum Abgleich von Fingerabdruckdaten und die ihnen zugrunde gelegten Algorithmen eingebaut sind. Zu den negativen Folgen gehören direkte Verstöße "gegen nicht abdingbare Rechte, deren Integrität durch neue Technologien ohne sinnvolle Rechtsaufsicht untergraben wird". Die Juristin beklagt, dass staatliche und private Akteure sogar Straffreiheit erhielten, wenn sie einschlägige Technologien verwendeten oder exportierten. Damit gehe eine "systematisch rechtsverletzende Praxis" einher.

Die globalen Auswirkungen auf die Menschenrechte "sind verheerend", resümiert die Irin. Sie bezieht sich dabei "insbesondere auf die Ausübung der Rechte auf Privatsphäre, Meinungsäußerung, Versammlung und politische Beteiligung". Eine ihrer Hauptaussagen lautet, dass missbräuchliche Praktiken im Bereich der Terrorismusbekämpfung längst fest verankert sind. Dazu trage der Mangel einer "internationalen Definition dieser Phänomene" bei. Die Staaten könnten so nach Belieben und im eigenen Interesse viele Dinge als Terrorismus beschreiben, "von denen nur wenige mit den Menschenrechten und der Rechtsstaatlichkeit in Einklang stehen".

Zugleich verurteilt Ní Aoláin "die Zunahme eines engstirnigen Sicherheitsdenkens". Dieses sei "mit einem besonders restriktiven Ansatz bei der Terrorismusbekämpfung" etwa nach den Anschlägen am 11. September 2001 einhergegangen sei. Der Aufhänger der Stärkung der inneren Sicherheit diene häufig "als politische und rechtliche Rechtfertigung für die Einführung von risikoreichen und stark in die Privatsphäre eingreifenden Technologien auf der Grundlage außergewöhnlicher Bedrohungen".

Dazu kommt laut dem Bericht anfangs oft noch das Versprechen, dass solche spezielle Kompetenz nur "streng begrenzt" angewendet würde. Die Behauptung eines außergewöhnlichen Einsatzes als Reaktion auf Sicherheitskrisen sei aber "eine Schimäre". Faktisch komme es zu einem "breiten und umfassenden Einsatz" invasiver Techniken, "dem keine angemessenen menschenrechtlichen oder rechtsstaatlichen Schranken gesetzt sind".

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Umfrage (Opinary GmbH) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Opinary GmbH) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Als Resümee fordert die Professorin ein Moratorium für den Einsatz und die Ausfuhr einer Vielzahl der beschriebenen Überwachungstechnologien. Sie verlangt zudem ein "weltweites Verbot von tödlichen autonomen Waffensystemen" alias Killer-Robotern. Besonders strenge Auflagen müssten für Mitgliedstaaten gelten, "die in der Vergangenheit nachweislich Menschenrechte verletzt haben". Die Studie enthält zudem eine Vorlage für einen globalen Rechtsrahmen für den Einsatz von Überwachungstechnologien, der im Einklang mit den Grundrechten steht. Ní Aoláin geht ferner auf die besonders schädlichen Folgen des Terrorismus für Kinder ein. Sie hält es auch für nötig, dass die Staaten "Gesetze zum Schutz der Menschenrechte von Terrorismusopfern erlassen".

Die Berichterstatterin hatte zuvor zusammen mit Kollegen wiederholt schwere Bedenken gegen die EU-Verordnung zum Löschen terroristischer Online-Inhalte vorgebracht und – größtenteils vergeblich – massive Korrekturen gefordert. Sie rügte insbesondere die zu weit gefasste Definition terroristischer Inhalte in dem Entwurf, die auch legitime Ausdrucksformen umfassen könne. Grenzüberschreitende Löschanordnungen könnten dazu führen, dass einige Mitgliedsstaaten Standards für die gesamte EU setzten. Upload-Filter müssten ausgeschlossen werden, weil nur Menschen beurteilen könnten, ob eine Meinungsäußerung im jeweiligen Kontext beispielsweise eine legitime journalistische Berichterstattung darstelle.

Im Juli 2020 monierte Ní Aoláin zusammen mit ihrer Kollegin Krisztina Huszti-Orbán in einem Bericht, dass es nur in wenigen Ländern wirksame Rechtsvorschriften gebe, die die Verwendung und Weitergabe biometrischer Daten regeln. Selbst wenn solche Vorgaben existierten, blieben Strafverfolgungsbehörden und Geheimdienste in der Regel davon ausgenommen. Es gelte, Transparenz und Rechenschaftspflicht bei automatisierten Entscheidungsprozessen zu gewährleisten, um die potenziell diskriminierenden Auswirkungen der dabei verarbeiteten biometrischen Daten zu minimieren.

(tiw)