Kein schneller Senkrechtstart: Wo die Hürden für diese Elektroflugzeuge liegen

Senkrecht startende und landende E-Flieger müssen zähe regulatorische und technische Prozesse durchlaufen. So dürften konventionelle Modelle zuerst starten​.

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ALIA 250 heißt das von Beta Technologies entwickelte eVOTL. Die Abkürzung steht für "electric vertical take-off and landing", also für Senkrechtstarter.

(Bild: Beta Technologies)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Casey Crownhart
Inhaltsverzeichnis

Die Zukunft moderner Elektroflieger wird statt per Senkrechtstart eher schrittweise kommen. So hat etwa das Start-up Beta Technologies kürzlich die Premiere seines futuristischen Modells verschoben, das wie ein Hubschrauber senkrecht starten und landen kann. Stattdessen kündigte das Unternehmen an, bis 2025 eine konventionellere Version seines Elektroflugzeugs namens CX300 zertifizieren zu lassen.

Beta gehört zu einer wachsenden Zahl von Unternehmen, die kleine Elektroflugzeuge für wenige Passagiere oder kleine Ladungen und kurze Strecken bauen. Viele von diesen gehören zur Klasse der sogenannten eVTOLs (electric vertical take-off and landing), die ohne herkömmliche Landebahnen starten und landen können.

"Wir versuchen, die Zukunft der Luftfahrt nachhaltig zu gestalten, und das ist ein großes, hochgestecktes Ziel", sagt Beta-Gründer und -Geschäftsführer Kyle Clark. Das Unternehmen hat sich vor allem auf den Frachttransport konzentriert, über 800 Millionen Dollar eingeworben und Aufträge für seine eVTOL-Flugzeuge von Unternehmen wie UPS, Blade und Air New Zealand erhalten. 2021 hatte auch Amazon Geld beigesteuert.

Der Luftverkehr ist heute für etwa drei Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich, und der Beitrag der Branche zum Klimawandel nimmt zu. Elektroflugzeuge könnten dazu beitragen, diese Emissionen zu senken, doch die Branche steht noch vor technischen und regulatorischen Hürden. Das ist ein Grund dafür, warum Beta mit Flugzeugen beginnt, die sich weniger wie Lufttaxis und mehr wie Flugzeuge sind.

Beta hat mit seinem E-Flugzeugtyp CX300 schon Testflüge mit einer Gesamtstrecke von mehr als 35.000 Kilometern durchgeführt, sowohl in der Nähe seiner Basis in Vermont als auch lange Strecken. Dabei seien nach eigenen Angaben auch Reichweiten von bis zu 620 Kilometern mit einer Ladung möglich gewesen. Unter den absolvierten Flügen verweist das Start-up auf Reisen von 2.200 Kilometern bis zum US-Bundesstaat Arkansas und von 1.200 Kilometern nach Kentucky. Für die Strecke von Plattsburgh im Bundesstaat New York nach Arkansas machte Beta sieben Ladestopps. Dabei waren mit einer Ladung Flüge zwischen 255 Kilometern und 339 Kilometern möglich.

Beta verfolgt elektrische Flüge "auf eine äußerst pragmatische Art und Weise, bei der nicht drei oder vier Wunder auf einmal geschehen müssen", sagt Geschäftsführer Clark und meint damit sowohl die technischen Herausforderungen der nächsten Generation von Elektroflugzeugen als auch die regulatorischen Hürden, die der Branche noch bevorstehen.

Die Senkrechtstarter-Pläne von Beta Technologies (8 Bilder)

Aus dem Senkrechtstarter namens ALIA-250 soll laut Beta Technologies bis 2025 auch ein konventionelles, zertifiziertes Elektroflugzeug, das CX300, werden.
(Bild: Beta Technoologies)

Mehrere der größten eVTOL-Start-ups haben Pläne angekündigt, den kommerziellen Betrieb 2025 aufzunehmen. Diese Pläne hängen von der Genehmigung der Federal Aviation Administration (FAA) ab, der US-Aufsichtsbehörde für die Zivilluftfahrt. "Die Sicherheit wird den Zeitplan für die Zertifizierung diktieren, aber wir könnten diese Flugzeuge bis 2024 oder 2025 in der Luft sehen", schreibt die FAA.

Neue eVTOL-Flugzeuge unterliegen einem anderen FAA-Zertifizierungssystem als herkömmliche Flugzeuge. Aufgrund dieses speziellen Prozesses bezweifeln einige in der Branche, dass die Behörde oder die Unternehmen in der Lage sein werden, die angekündigten Fristen einzuhalten.

Beta plant, sein eVTOL-Flugzeug 2026 für den Betrieb zu zertifizieren. Einige Experten glauben allerdings, dass die Behörde sich mit der Erteilung von Zulassungen sogar bis ins nächste Jahrzehnt Zeit lassen könnte. "Die Zertifizierung wird länger dauern, wahrscheinlich bis 2027 oder 2028", sagt Matthew Clarke, ein Postdoktorand im Bereich Luft- und Raumfahrt am Massachusetts Institut of Technology (MIT). "Die konventionellen Elektroflugzeuge werden zuerst abheben".

Die Verwendung von Batterien ist eine gängige Taktik, um Verkehr klimafreundlicher zu machen. Der Anteil der Elektroautos an den Neuwagenverkäufen betrug 2022 etwa 13 Prozent. Auch Busse, Züge und Schiffe könnten, zumindest in einigen Szenarien, mit Batterien betrieben werden. Die Luftfahrt wird es jedoch schwerer haben, diesen Weg zu beschreiten, vor allem weil Batterien schwer sind.

Bei Fahrzeugen, die Tausende von Metern in der Luft kreisen müssen, kommt es auf jedes Gramm an. Größere Flugzeuge, die längere Strecken zurücklegen müssen, benötigen größere und schwerere Batterien, weshalb sich die meisten Bemühungen in der elektrischen Luftfahrt bisher auf kleinere Flugzeuge konzentriert haben.

Die konventionellen Elektroflugzeuge von Beta werden ebenfalls klein sein, und das Unternehmen konzentriert sich auf Kurzstrecken-Passagierflüge und Frachttransporte. Andere Unternehmen wie Harbour Air und Eviation verfolgen einen ähnlichen Ansatz und konzentrieren sich auf den Bau konventioneller elektrischer Alternativen zu kleinen Flugzeugen.

Kleinere Flugzeuge machen heute allerdings nur einen kleinen Teil des Verkehrs aus: Im Passagierverkehr machen Pendlerflugzeuge mit 19 oder weniger Sitzen nur etwa vier Prozent aller Abflüge und etwa 0,03 Prozent der umsatzwirksamen Passagierkilometer aus. Das ist ein Maß für die Gesamtsumme von Geld, Passagieren und geflogener Entfernung. Batterien würden also einen größeren Einfluss auf die Luftfahrt haben, wenn kleinere Flugzeuge eine größere Rolle spielen würden. Daher kommt der unsterbliche Traum von eVTOLs.

Abgesehen von den möglichen Klimavorteilen gegenüber mit fossilen Brennstoffen betriebenen Flugzeugen könnten eVTOLs auch die Flugmöglichkeiten erweitern, so Clarke. Da sie keine Start- und Landebahn benötigen, könnten die Flugzeuge für die Zustellung von Fracht auf dem letzten Kilometer, für Reisen in dicht besiedelte Gebiete oder für militärische Anwendungen eingesetzt werden. Diese Flexibilität ist ein Teil des Reizes, der Milliarden von Dollar in eVTOL-Start-ups wie Joby, Archer und Lilium fließen lässt.

Es gibt allerdings noch viele Fragen zu eVTOLs: wo sie landen werden und wieviel Lärm sie machen werden, bis hin zu der Frage, wie sie sich im Vergleich zu bodengebundenen Transportmöglichkeiten auf das Klima auswirken werden. Konventionell aussehende Elektroflugzeuge könnten als Platzhalter dienen, während die Branche die Antworten auf diese Fragen findet. Aber wie auch immer sie fliegen, Flugzeuge, die ohne fossile Brennstoffe betrieben werden, werden ein Teil des Klimapuzzles sein. "Wenn wir nichts unternehmen, wird die Luftfahrt bis 2035 der größte Verursacher von Kohlenstoffemissionen im Verkehrswesen sein", sagt Clark. "Das werden wir nicht zulassen."

(jle)