Unternehmensnachfolge:​ Wie ich zu einer halben Firma kam​

Aus einem Anruf bei einem Geschäftspartner entwickelte sich bei Matthias Ruf die Idee zur Übernahme einer Firma. Geplant war das nicht, aber auch nicht abwegig.

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(Bild: SFIO CRACHO/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Peter Ilg
Inhaltsverzeichnis

"Überlegen Sie sich gut, ob Sie diesen Artikel wirklich lesen wollen. Denn das kann zur Folge haben, dass Sie anschließend Ihren Job kündigen und eine Firma kaufen. Was sich liest wie die Werbung für ein Produkt, das Sie am Ende der Botschaften kaufen oder nicht, ist mir tatsächlich passiert.

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Matthias Ruf

Mein Name ist Matthias Ruf, ich bin 41 Jahre alt und gelernter Fachinformatiker der Fachrichtung Systemintegration. Im vergangenen Jahr war ich um diese Zeit bei einem regionalen Telekommunikationsunternehmen am Bodensee als Leiter Datacenter und Cloud angestellt. In dieser Position hatte ich häufigen Kundenkontakt auch zu IT-Dienstleistern. Man kennt sich, man braucht sich. Kundenpflege gehört zum Geschäft. Eines Morgens blättere ich an meinem Schreibtisch das Mitgliedermagazin der Industrie- und Handelskammer Bodensee Oberschwaben durch, als ich am Bild eines mir bekannten Geschäftspartners hängen blieb. Sein Name: Artur Stangl. Seine Firma: all for IT in Bad Saulgau, 18 Beschäftigte. In dem Artikel stand, dass der 58-jährige einen Nachfolger für seine Firma gefunden hatte. Das freute mich für ihn und weil wir einige Projekte gemeinsam abgeschlossen hatten, rief ich ihn an, um ihm zu gratulieren. Er winkte ab, denn die Sache hatte sich zerschlagen.

Es ist nicht einfach, einen Nachfolger zu finden. Das ist bekannt. Kinder hat Stangl keine, aber die machen heute sowieso lieber ihr eigenes Ding. Vielleicht ist die Firma mein Ding, dachte ich mir kurz nach dem Gespräch. Ich bin allerdings kein Typ, der sich Hals über Kopf in unbekannte Gewässer stürzt. Aber auch keiner, der Dinge auf die lange Bank schiebt. Schon am Abend sprach ich mit meiner Frau darüber und fürs Wochenende beriefen wir eine Familienkonferenz mit unseren beiden Töchtern, 11 und 14 Jahre, ein. Denn eins war mir klar: wenn ich die Firma übernehmen sollte, habe ich weniger Freizeit und das geht vor allem zulasten der Familie. Dennoch gab es ein einstimmiges Ja zur eigenen Firma. Für die müssten wir nicht einmal umziehen. Das gab viele Pluspunkte.

Einige Tage darauf rief ich Stangl an und wir verabredeten uns. Ich hatte nicht den Vorsatz, die Firma zu übernehmen. Ich erhoffte mir, herauszufinden, ob ich der bin, nach dem er sucht und die Nachfolge für mich das richtige ist. Eine zentrale Frage war, ob ich mit meinem Wissen die Firma leiten kann? Stangl wollte nach der Übernahme sofort aussteigen. Das Gespräch war intensiv und endete mit dem Resultat, dass die Nachfolge mit mir nur funktionieren kann, wenn wir einige Zeit als Doppelspitze auftreten. Stangl willigte ein.

Nach weiteren Treffen besiegelten wir unsere Absprache mit einem Handschlag. Das war ein warmes und gutes Gefühl, auf dem Weg zum eigenen Herrn zu sein. Von meinem Naturell her bin ich schon jemand, der gerne gestaltet, Freiräume mag und Spaß daran hat, Wege zu finden, um Ideen umzusetzen. Als Angestellter war ich darin gehemmt. Ich hatte in mehreren Stellen viel fachliche Erfahrung gesammelt, ein ganzes Unternehmen zu führen war nicht dabei.

Auch nicht, wie eine Firma übernommen wird. Deshalb habe ich einen Firmenverbund aus Steuerberatern, Rechtsanwälten, Unternehmensberatern damit beauftragt, mir dabei zu helfen. Das kostet mich viel Geld, das ich aber jederzeit wieder ausgeben würde, weil es sich lohnt und ich als IT-Fachmann weder eine Firma bewerten, noch Übernahmeverträge erstellen kann. Seit letztem Sommer bin ich einer der beiden Geschäftsführer bei all for IT und habe gleichzeitig 50 Prozent der Geschäftsanteile übernommen. In sieben Jahren folgt die andere Hälfte. Dieser Zeitraum hat sich aus der Kaufpreissumme und der Rate für den Kredit dafür ergeben, die ich tragen will.

All for IT wurde 2009 von Artur Stangl gegründet. Die Firma ist ein IT-Dienstleister. Die Hälfte unserer Kunden sind Städte, Gemeinden, Schulen. Die andere Hälfte setzt sich aus kleinen bis mittelständischen Industrieunternehmen zusammen. Alle Mitarbeitenden haben wir sehr früh in persönlichen Gesprächen über meine Nachfolge informiert. Die Resonanz der Mitarbeitenden war gemischt. Von Zustimmung bis hin zur Ablehnung. Allen voran der Beschäftigte, der die Firma hätte übernehmen sollen. Was nicht funktionierte, weil es zu keiner Einigung kam. Mich lehnte diese Person ab.

Schließlich kündigten er und seine Gefolgsleute, immerhin sieben Mitarbeitende und damit fast die Hälfte des Personals. Das war zwar ein herber Verlust, der aber nicht unerwartet kam. Kurz nach dem Einstieg schnellten meine Zugriffszahlen auf meine Accounts in den sozialen Netzwerken hoch, wohl, weil sich mein beruflicher Status geändert hatte. Daraufhin meldeten sich bei mir manche ehemaligen Kollegen und Mitarbeitende von Firmen, mit denen ich in meinen alten Jobs zusammengearbeitet habe und gratulieren mir, wie ich Stangl seinerzeit. Einige wechselten daraufhin zu all for IT und so haben wird den Abgang der sieben Abtrünnigen mit neun neuen Mitarbeitenden mehr als kompensiert.

Mein Verhältnis zu Artur Stangl war bis zu meinem Einstieg rein geschäftlich. Es war eine gute Geschäftsbeziehung, in der wir uns hin und wieder persönlich getroffen haben. In der täglichen Zusammenarbeit haben wir festgestellt, dass wir auf einer Wellenlänge liegen, weil wir ein ähnliches Wertesystem haben. Das ist wichtig und macht erst die enge Arbeit möglich. Zwischen uns hat sich eine Freundschaft entwickelt. Das hätte nicht sein müssen, damit die Firma funktioniert, weil wir beide professionell arbeiten. Aber es hat sich ergeben und das ist schön. Wir wollen nun gemeinsam, wie jedes Unternehmen, Geld verdienen. Aber das mit Anstand und zufriedenen Mitarbeitern tun.

Heute, nach neun Monaten, stehe ich mehr als zuvor hinter meiner Entscheidung. Unternehmer zu sein, ist für mich der richtige Weg."

Protokolliert von Peter Ilg

(axk)