Schweizer Bahn verzichtet auf biometrische Überwachung der Bahnhöfe

Die biometrische Erfassung der Reisenden und Passanten in den Bahnhöfen der Schweizerischen Bundesbahnen ist abgesagt. Mehr Überwachung kommt trotzdem.

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Halbes Gesicht einer weißen Frau, darüber gelegt symbolische Rasterung

(Bild: Fractal Pictures/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Tom Sperlich

Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) werden in ihrem kommenden neuen Messsystem Bahnhofsbesucherinnen und -besucher doch nicht nach Alter, Geschlecht oder Größe erfassen. Dies gab die Konzernleitung der SBB anlässlich einer Bilanzmedienkonferenz am Montag und in verschiedenen Mitteilungen bekannt. Das Vorhaben der "Kundenbespitzelung" hatte herbe Kritik an der Schweiz Bahn ausgelöst.

Die staatseigene SBB will nach wie vor zusätzlich zu den bereits Zehntausenden von Kameras, die in Zügen und Bahnhöfen im Einsatz sind, weitere Überwachungssysteme in 57 Bahnhöfen installieren. Sie sollen die Ströme der Reisenden und Kundinnen und Kunden der zahlreichen Geschäfte in den Bahnhöfen erfassen, mit Hilfe eines "Kundenfrequenz-Messsystem 2.0" (KFMS), für welches das Schweizer Konsumentenschutz-Magazin K-Tipp einen Beschaffungsplan auf einer Ausschreibungsplattform entdeckt hat.

Laut den Ausschreibungsunterlagen sollten mit dem System ursprünglich auch Personeneigenschaften wie Geschlecht, Größe oder Alter erfasst werden können. Auch von Gesichtserkennung/-erfassung mittels versteckter Kameras war in den Medien daraufhin die Rede. Wie K-Tipp schrieb, sei das Ziel des KFMS und der damit erhobenen Daten gar "eine höchstmögliche Abschöpfung der Shop-Passanten mittels Datenanalyse".

Nach erheblichem öffentlichem Druck und auch Einwänden aus der Politik modifiziert die SBB nun diese angeforderten Möglichkeiten in den Ausschreibungsplänen. Noch im Februar, nach der K-Tipp-Veröffentlichung, bekundete das Bahnunternehmen, keine Gesichtserkennung in den Bahnhöfen einsetzen zu wollen und auch keine Daten zu erheben, die Rückschlüsse auf einzelne Personen ermöglichen. "Die Ausschreibung war sehr technisch formuliert und stellenweise schlicht missverständlich. Das müssen wir künftig besser machen", hieß es im hauseigenen Newsportal.

Dennoch wollten die SBB damals noch an dem Plan der ausgeschriebenen Kundensegmentierungen wie Alter, Geschlecht oder Größe festhalten. Nun aber hat die Konzernleitung, allen voran wohl SBB-Chef Vincent Ducrot, die Notbremse gezogen. Er will jetzt auf die Kundenkategorisierungen verzichten.

Zwar hätten die SBB nur ein System beschafft, das vollständig datenschutzkonform ist. "Der Nutzen für das Kerngeschäft Bahn ist für mich jedoch zu wenig gegeben", sagte SBB-Chef Vincent Ducrot. Zudem habe er die Befürchtungen aus Politik und Öffentlichkeit gehört und ernst genommen: "Das Vertrauen in die SBB ist mir sehr wichtig."

Dabei unterstreicht die SBB, dass bei den Zähldaten keine Verknüpfungen mit Personendaten gemacht würden. Ziel sei, "dass sich die Reisenden, alle Besucher:innen im Bahnhof sicher und wohl fühlen und die richtigen Services am richtigen Ort sind." Die SBB wird ihre Ausschreibung anpassen. Für eingehende Angebote wird sie eine Datenschutzfolgeabschätzung erstellen. Erst nach Prüfung durch den Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten (EDÖB) wird sich die SBB für ein Angebot entscheiden, schreibt der Bahnkonzern.

Gegen die Pläne der SBB haben die beiden zivilgesellschaftlichen Organisationen AlgorithmWatch CH und die Digitale Gesellschaft gemeinsam mit anderen Organisationen einen offenen Brief lanciert, der von über 16.000 Personen unterzeichnet wurde. Darin wurde gefordert, "auf biometrische Kategorisierung und Überwachung zu verzichten." Die beiden Organisationen "begrüßen die Ankündigung der SBB", betonen aber gleichzeitig, dass sie den Druck aufrechterhalten und den SBB weiterhin genau auf die Finger schauen möchten, damit auch in Zukunft keine Überwachungsmethoden eingesetzt werden, die mit den Grundrechten nicht vereinbar sind.

(ds)