Tiefseebergbau: Ran an die Manganknollen – oder lieber doch nicht?

Ein Unternehmen will nun beim Tiefseebergbau loslegen. Dabei sind noch viele Fragen ungeklärt – etwa: ob sich die Rohstoffausbeute überhaupt lohnt.

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Seegurke auf Manganknollen

Seegurke auf Manganknollen.

(Bild: GEOMAR / CC BY 4.0)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Hanns-J. Neubert
Inhaltsverzeichnis

Ungeachtet enormer technischer und ökologischer Wissenslücken steht das erste Bergbauunternehmen bereit, dem Tiefseeboden seinen immensen Erzreichtum zu entreißen. Was nach wie vor fehlt, sind verbindliche internationale Regeln, nach denen die Folgen eines solches Vorhabens beurteilt und eingehegt werden können.

Beim gefeierten Abkommen zum Schutz der Weltmeere, das die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen Anfang März 2023 in New York verabschiedeten, stand der Tiefseebergbau nicht im Fokus. Dafür ist die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) der UN zuständig, die nicht gerade für ihre Transparenz bekannt ist, wie der britische Guardian dokumentierte: "Einige Staaten, darunter auch Deutschland, sind besorgt darüber, dass die ISA ihre Bergbaunormen und -richtlinien hinter verschlossenen Türen entwickelt."

Es geht derzeit vor allem um die polymetallischen Knollen, gemeinhin Manganknollen genannt. Die faust- bis kohlkopfgroßen Knollen bedecken weltweit die Meeresböden in drei bis sechs Kilometern Tiefe. Die ersten dieser Gesteinsbrocken hievten Forscher der berühmten Challenger-Weltumsegelung vor genau 150 Jahren aus der Tiefsee. Heute konzentrieren sich die Erkundungen auf die Clarion-Clipperton-Zone, ein Meeresgebiet von der Fläche Europas zwischen Mexiko und Hawaii. Denn hier liegen die größten Vorkommen.

(Bild: GEOMAR / GEBCO World Map 2014, www.gebco.net)

Bisher vergab die ISA nur Erkundungslizenzen an 21 Länder, darunter auch an Deutschland. Doch nach dem Willen der Bundesregierung soll es dabei vorerst bleiben, wie Umweltministerin Steffi Lemke Anfang März erneut versicherte: "Deutschland wird bis auf Weiteres keine Tiefseebergbauvorhaben unterstützen."

Diesem Moratorium schlossen sich inzwischen weitere Staaten an, darunter Frankreich und Spanien. Auch viele Unternehmen wollen mit Tiefseemetallen nichts zu tun haben, wie unter anderen BMW, Volvo, VW, Google und Samsung in einem Moratoriumsaufruf im Frühjahr 2021 versprachen.

Doch plötzlich, im Sommer 2021, kündigte dann die kanadische Metals Company an, Ernst machen zu wollen und den Manganknollen zusammen mit dem pazifischen Inselstaat Nauru in großem Stil zu Leibe zu rücken. 2022 absolvierte es dann erste Tests in der flacheren Nordsee sowie im Verlauf des Jahres in der Clarion-Clipperton-Zone im Zentralpazifik.

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Damit löste sie die so genannte Zwei-Jahres-Klausel des Seerechtsübereinkommens UNCLOS aus. Danach müssen Anträge auf kommerziellen Tiefseebergbau automatisch gebilligt werden, sollte es die Meeresbodenbehörde nicht schaffen, binnen zwei Jahren nach einer solchen Ankündigung verbindliche Regeln festzulegen. Diese Frist läuft im kommenden Juli aus. Seit Mitte März verhandeln die Vertragsstaaten jetzt, um noch rechtzeitig Richtlinien aufzustellen.

Manganknollen lagerten über Jahrmillionen im Meerwasser gelöste Metalloxide in Schichten um einen Kern herum an, der aus kleinen Steinen, Schalenresten von Muscheln oder auch Haifischzähnen bestehen kann. In einer Million Jahre wachsen sie nur um wenige Millimeter.

Manganknolle aus dem Nordwest-Pazifik.

(Bild: Jan Steffen / GEOMAR)

Hauptbestandteile der Knollen sind Man­gan und Ei­sen. Wirtschaftlich interessant sind sie aber wegen ihres rund dreiprozentigen Anteils an den Buntmetallen Ni­ckel, Ko­balt und Kup­fer. Das sind genau die Energiewende-Metalle, die man heute dringend für Batterien von E-Autos oder Magnete von Elektromotoren und Windkraftwerken braucht.

Als "Erntemaschine" favorisieren die Bergbauunternehmen eine Art riesigen Staubsauger. Dabei saugen starke Pumpen die obersten 10 bis 20 Zentimeter des Meeresbodens komplett ein. Die Knollen werden mit dem Wasser zum Sammelschiff hochgedrückt. Hinter dem Sauger breitet sich eine Sedimentwolke aus, die langsam mit der Bodenströmung verdriftet und sich weit über das abgebaute Gebiet hinaus wieder ablagert. Das in Jahrmillionen entstandene Tiefsee-Ökosystem ist dann für weitere Millionen Jahre zerstört.

Nach der Reinigung der Knollen oben im Schiff wird das Wasser mit dem Restsediment ins Meer zurückgespült. In der Wassersäule breitet sich so eine zweite Sedimentwolke aus, die die im Meer schwebenden Planktonorganismen schädigt. Man könnte das Wasser auch dicht am bereits zerstörten Meeresboden einleiten, doch technisch ist das nicht trivial. Denn das Abwasser ist wärmer und somit leichter als das kalte Tiefenwasser. Der Bodensatz würde wieder aufsteigen.

Theoretisch könne der Tiefseebergbau bereits Ende dieses Jahrzehnts beginnen, meint Matthias Haeckel vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR). Aber ein paar Jahre müsse man noch hinzurechnen, bis Kinderkrankheiten ausgemerzt seien. Wie störanfällig die Technik noch ist, zeigt das geleaktes Video (siehe unten) von einem Test der Metals Company vom vergangenen Herbst. Wegen einer Fehlfunktion rauschte das Abwasser einfach über Bord.

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Andreas Manhart vom Ökoinstitut Freiburg bezweifelt grundsätzlich, ob sich der Aufwand überhaupt lohnt. Er rechnet vor: "Nach dem Fördern der Knollen müssen sie hüttentechnisch bearbeitet werden, die Metalle müssen auf eine sehr kleine Anzahl an Rohstoffen konzentriert werden. Das ist bei jedem Erz so." Bei den Manganknollen wären das eigentlich nur vier oder fünf Metalle: Kupfer, Kobalt, Mangan und Nickel, vielleicht noch Molybdän. "In weltmarktrelevanten Mengen können aber nur zwei Rohstoffe spürbar den Weltmarkt entlasten: Kobalt und Mangan", erklärte Manhart weiter.

In Lithium-Ionen-Batterien würden aber nur 0,2 Prozent des heute weltweit geförderten Mangans stecken, das meiste gehe in die Stahlindustrie. "Dann verbleibt nur Kobalt, bei dem die Tiefsee-Förderung wirklich große Mengen fördern könnte und das heute in Lithium-Ionen-Batterien verbaut wird", sagte Manhart. Doch inzwischen ist der Kobalt-Anteil in Batterien aufgrund technischer Fortschritte gesunken und der Trend geht zu komplett kobaltfreien Batterien.

Sabine Gollner vom Niederländischen Institut für Meeresforschung in Texel hält die Ausbeutung der Tiefseeressourcen ohnehin für verfrüht: "Wir wissen als wissenschaftliche Gemeinschaft, dass man mit der derzeitigen Datenlage den Tiefseebergbau nicht managen kann." Immerhin seien 90 Prozent der Organismen in diesen Tiefen noch völlig unbekannt.

(jle)