Necrorobotics: Wenn Tote als Roboter wiederauferstehen

Es sei absehbar, dass bald nicht nur Stimmen von Verstorbenen imitiert werden können, sondern die Toten bald auch in Videoaufnahmen reanimiert werden.

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(Bild: Axel Bueckert/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Es könnten Szenen aus einem Horrorfilm oder einer Geschichte von Stephen King sein: Im Internet-Chat meldet sich auf einmal ein verstorbener Freund mit seinen typischen, unverwechselbaren Scherzen zurück. Aus dem smarten Lautsprecher ertönt die Stimme der toten Großmutter, die ihrem Enkel eine Gutenachtgeschichte vorlesen will. Doch diese Wiedererweckung toter Geister entspringt nicht literarischer Fantasie, sondern wird ermöglicht durch gegenwärtige KI-Technologie.

Fraglich ist hingegen, ob es schöne Träume sind, die sich hier realisieren – oder Alpträume. Auf der Konferenz HRI (Human-Robot Interaction) hat der an der schwedischen Lund University forschende Stefan Larsson daher jetzt vorgeschlagen, solche "Wiederauferstehungs-Technologien" unter dem Titel Necrorobotics näher zu untersuchen und kritisch zu hinterfragen.

So ist der Chatbot, der aus "sozialen Daten" wie Bildern, Stimmaufnahmen, elektronischen Mitteilungen oder anderen Texten die Redeweise einer "spezifischen Person" rekonstruiert, von Microsoft entwickelt und durch das US-Patent US 10,853,717 B2 abgesichert. Und die aus dem Jenseits erklingende Stimme der Großmutter wurde im vergangenen Sommer von Amazons Vize-Präsident Rohit Prasad als neues Feature für den Sprachassistenten Alexa präsentiert. Weniger als eine Minute aufgezeichneter Rede reichten aus, um die Stimme der Verstorbenen zu rekonstruieren, erklärte Prasad und fügte hinzu: "Wir leben fraglos in der Goldenen Ära der KI, in der unsere Träume und Science-Fiction Wirklichkeit werden."

Es sei absehbar, so Larsson, dass sich diese Technologien nicht nur auf Stimmen und Redeweisen verstorbener Personen beschränken werden, sondern die Toten bald auch in Videoaufnahmen reanimiert werden können – wie etwa im Fall der Koreanerin Jang Ji-sung, die ihrer verstorbenen 7-jährigen Tochter Na-Yeon in virtueller Realität noch einmal begegnen konnte. Während es ethisch wahrscheinlich vertretbar sei, wenn eine Mutter ihr eigenes Kind virtuell wiederauferstehen lässt, stelle sich grundsätzlich die Frage, wer zu einer solchen Handlung berechtigt sei. Zu den ungeklärten Fragen zählten auch der Umgang mit den Daten Verstorbener: Wem gehören sie? Wie können sie vor unbefugtem Zugriff geschützt werden? Nicht zuletzt sei auch ein Missbrauch der Wiederauferstehungs-Technologien denkbar, indem etwa die Hinterbliebenen mit den Geistern der Toten erschrocken und gequält werden.

Die neuen Technologien fügten sich in eine lange Geschichte des Trauerns und Totengedenkens, erklärt Larsson, markierten in gewisser Weise aber auch eine Zuspitzung dieser Traditionen. Es sei daher erforderlich, die technische Entwicklung genau zu verfolgen und sich mit den normativen Fragen zu beschäftigen.

(kbe)