Schienennetz teilweise zu alt, zu störanfällig und mit zu wenig Kapazität

Die DB Netz AG hat erstmals das gesamte Schienennetz mit all seinen Bestandteilen benotet und das in einem Netzzustandsbericht festgehalten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 112 Kommentare lesen

Eine Eisenbahnbrücke in Bremen in einem Bild aus dem Jahr 2018, die inzwischen erneuert wird.

(Bild: DB Netz AG)

Lesezeit: 3 Min.

Um das deutsche Schienennetz grundlegend zu sanieren, müssten 89 Milliarden Euro aufgewendet werden. Das geht aus einem Bericht an den Aufsichtsrat der Deutschen Bahn hervor, aus dem NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung zitieren. 26 Prozent aller Weichen der Bahn seien demnach in einem schlechten, mangelhaften oder ungenügenden Zustand, ebenso 11 Prozent aller Brücken, 22 Prozent der Oberleitungen, 23 Prozent der Gleise, 42 Prozent aller Bahnübergänge und 48 Prozent aller Stellwerke.

In dem "Netzzustandsbericht" sei erstmals das mehr als 33.000 Kilometer lange Netz der Bahn mit allen Brücken, Tunneln, Gleisen, Bahnübergängen, Stellwerken und Oberleitungen in einem Notensystem von eins bis fünf bewertet worden, schreibt der NDR. Note drei stehe dafür, dass die Anlagen in "mittelmäßigem" Zustand sind und "mäßige Beeinträchtigungen" aufweisen. Note vier steht für "schlecht", also "die Anlage weist wesentliche Beeinträchtigungen" auf. Note fünf für "mangelhaft" bedeutet, dass die jeweilige Anlage "unzureichend", die Lebensdauer überschritten ist oder den Betrieb beeinträchtigen kann.

In absoluten Zahlen sind 30.217 Weichen in einem mittelmäßigen oder noch schlechteren Zustand, desgleichen gilt für 9570 Brücken und für 3270 Stellwerke, also für mehr als die Hälfte der Stellwerke. Sie seien eine Hauptursache für verspätete Züge. Die 3500 Kilometer Bahnstrecken, auf denen besonders viele Personen und Güter transportiert werden, seien in einem noch schlechteren Zustand als der Rest der Bahnstrecken. Insgesamt sei das deutsche Schienennetz in einem deutlich schlechteren Zustand als das in der Schweiz und in Österreich.

"Das deutsche Schienennetz ist in Teilen zu alt, zu störanfällig und bietet zu wenig Kapazität", schreibt Philipp Nagl, Chef der DB Netz AG demnach in dem Netzzustandsbericht. Dazu kämen viele Baustellen "gerade auf den hochbelasteten Korridoren". Bei der Sanierung der Gleise, Weichen, Stellwerke und Brücken dürfe keine Zeit verloren werden. Über die bisher veranschlagten 89 Milliarden Euro könne es noch teurer werden.

Der Bundesrechnungshof wies dieser Tage ebenfalls darauf hin, dass die Schieneninfrastruktur überaltert ist. 2022 sei mehr als jeder dritte Fernzug verspätet gewesen. In den bahnbezogenen Geschäftsfeldern seien die Erträge rückläufig oder es würden massive Verluste eingefahren. Der Schuldenberg der Bahn wachse seit 2016 täglich um 5 Millionen Euro auf mittlerweile über 30 Milliarden Euro. Der Bund habe die Situation durch eigene Versäumnisse verschärft, beispielsweise indem er die eisenbahnpolitischen Ziele nicht klar definiert habe.

Das Bundesverkehrsministerium kennt laut Süddeutscher Zeitung den Netzzustandsbericht, bis 2029 seien 86 Milliarden Euro für Instandhaltung und Sanierung des Schienennetzes eingeplant. In Bahnkreisen werde aber wesentlich mehr Geld für nötig erachtet, um das Schienennetz zu modernisieren.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing hatte voriges Jahr das Schienennetz zur Chefsache gemacht. Die hochbelasteten 3500 Schienenkilometer sollen vorrangig saniert werden, und zwar mit allen nötigen Gewerken gebündelt. Dadurch wird es in den kommenden Jahren zu Streckensperrungen kommen.

(anw)