Parlamentarier feilschen ums Urheberrecht

Der von Verlegern mit einer großen Kampagne angefeindete Paragraph 52 a soll mit einem "Verfallsdatum" versehen werden.

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Vor der entscheidenden Abstimmung im Rechtsausschuss des Bundestags zur ersten Reformstufe für das künftige Urheberrecht Mitte kommender Woche haben die Berichterstatter der Koalitions- und Oppositionsfraktionen noch einmal an ihrem vor zwei Wochen bereits grundsätzlich ausgearbeiteten "schmerzhaften Kompromiss" gefeilt. Bis zuletzt heftig umstritten war und ist neben den Regelungen zur digitalen Privatkopie vor allem der "Wissenschaftsparagraph" 52 a. Er soll sicherstellen, dass Lehrer im Unterricht oder Wissenschaftler für die eigene Forschung kleine Auszüge aus Werken oder einzelne Beiträge aus Zeitungen oder Zeitschriften über moderne Formen der Informationsverarbeitung nutzen dürfen.

In den jüngsten Berichterstatterrunden in dieser Woche haben sich die Medienpolitiker aller Parteien mit Ausnahme der FDP nun grundsätzlich darauf verständigt, die Klausel über einen Entschließungsantrag mit einem "Verfallsdatum" bis Ende 2006 zu versehen. Eine Evaluierung soll dann die Praxistauglichkeit der Regelung prüfen. Bei Missbrauch -- die Verleger befürchten, dass Schulen und Universitäten künftig nur noch eine geringe Anzahl von Lehrbüchern anschaffen und diese ansonsten kostensparend digital übers Netz verbreiten -- könne man das Gesetz rasch überarbeiten, signalisierte ein Vertreter des Bundesjustizministeriums.

Zuvor hatte die breite, vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels gesteuerte Kampagne gegen Paragraph 52 a noch einmal starken Unmut bei Parlamentariern der Regierungskoalition sowie bei den betroffenen Wissenschaftlern und den ebenfalls angefeindeten Bibliotheken hervorgerufen. "Verwunderung und Unverständnis" gehörten dabei noch zu den gemäßigten Reaktionen auf die im Internet und in Zeitungen gestreuten Behauptungen aus dem Verlegerlager. So stellten Bibliotheks- und Hochschulverbände vor wenigen Tagen klar, dass die umstrittene Klausel es keineswegs erlaube, ganze Bestände zu digitalisieren und online einem unbestimmten Nutzerkreis zu servieren. Der Börsenverein sei durch seine Falschinformationen dabei, "das bislang vertrauensvolle Zusammenwirken von Autoren, Verlagen und Bibliotheken nachhaltig zu stören".

Stellung bezogen hat jetzt auch die Informations- und Kommunikations-Initiative der wissenschaftlichen Fachgesellschaften, welche die Interessen von etwa 120.000 Mitgliedern vertritt. "Die Innovationsfähigkeit unseres Landes und damit unsere Zukunft hängen davon ab, dass der 'Zugang zur weltweiten wissenschaftlichen Information für jedermann zu jeder Zeit und von jedem Ort zu fairen Bedingungen' sichergestellt wird", zitiert die Wissenschaftlerlobby in einer auch ans Bundeskanzleramt versendeten Erklärung das Bundesforschungsministerium. Sie fordert Regierung und Parlament daher auf, sich "dem massiv öffentlich erzeugten Druck der Gegner des Paragraphen zur 'Öffentlichen Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung' nicht zu beugen". Weitere Einschränkungen des Paragraphen 52 würden erhebliche Eingriffe in Wissenschafts- und Informationsfreiheit nach sich ziehen.

Zuvor hatte Ende März bereits die Hochschulrektorenkonferenz in einem Rundschreiben an die Universitätsleiter die "beispiellose Desinformationskampagne" des Börsenvereins konterkariert. Die Vorwürfe seien "ohne Substanz", heißt es da. Die Klausel diene lediglich dazu, eine Gleichbehandlung digitaler Medien mit gedruckten Werken zu erreichen. Die Strategie der Verleger, die Wissenschaftler durch die Warnung vor ausbleibenden Honorarrechnungen gegen den 52 a zu mobilisieren, ging damit bislang insgesamt eher nach hinten los. Abgeordnete wie Jörg Tauss, medienpolitischer Sprecher der SPD, appellieren inzwischen an die Verlegerverbände, "sich endlich mit dem Koalitionskompromiss auch inhaltlich auseinander zusetzen und die Kampagnenstrategie zu beenden, bei der Sachorientierung und Substanz ungekehrt proportional zu den Anzeigenkosten sind". Berechtigte Bedenken seien bereits in den ergänzten Entwurf eingebaut und die Regelung beschnitten worden.

Festgezurrt haben die Berichterstatter auch eine neue Linie im Streit um den Urheberrechtsschutz für eine Reihe von DIN-Normen. Der soll trotz der Bedenken von Architekten- und Ingenieurskammern nun kommen, als "Ausgleich" aber die Zahl der öffentlichen Auslegestellen der Regelwerke erhöht werden. Das sei allerdings "nicht zeitgemäß", urteilt Bruno Stubenrauch, Initiator der Initiative IDIN, für ein Gesetz mit dem Übertitel "Informationsgesellschaft". Viele Techniker müssten bei einer Verabschiedung dieser Passage lange Anfahrten in Kauf nehmen, um etwas lesen zu können, was sie zur Vermeidung sechsstelliger Bußgelder einhalten müssten.

Siehe zum Thema Urheberrecht auch:

(Stefan Krempl) / (anw)