Kompromiss zum neuen Urheberrecht in trockenen Tüchern

Der überarbeitete Regierungsentwurf zur ersten Stufe der Urheberrechtsreform erhielt das Placet des Rechtsausschusses, seine Verabschiedung durch das Plenum des Bundestags ist nur noch eine Formsache.

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Im Bildungsausschuss sowie im federführenden Rechtsausschuss des Bundestags fanden am heutigen Mittwochvormittag die entscheidenden Abstimmungsrunden über den hart umkämpften Gesetzesentwurf für die erste Reformstufe zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft statt. Der im Vorfeld ausgearbeitete Kompromissvorschlag (siehe dazu in c't aktuell: Rot-grüner "Kompromiss" fürs digitale Kopieren) erhielt dabei in Verknüpfung mit einem erst vergangene Woche formulierten Begleitantrag eine klare Mehrheit. Neben den Vertretern der rot-grünen Koalitionsfraktionen stimmte auch die CDU/CSU für die Papiere. Dagegen sprach sich allein die FDP aus. Sie sah als "Partei des Eigentums", wie ihr Rechtsexperte Rainer Funke formulierte, die Interessen der wissenschaftlichen Verlage und der Medienindustrie insgesamt nicht genügend vertreten.

Sperrfeuer durch Last-Minute-Aktionen besorgter Lobbyisten hatte es direkt bis zur Abstimmung gegeben. Zu Fall gebracht werden sollte damit doch noch der heftig umstrittene Paragraf 52 a, dank dem Dozenten und Forscher künftig kleine Ausschnitte von veröffentlichten Werken oder kurze Medienartikel zu Unterrichtszwecken in abgegrenzte, geschlossene Netzwerke (Intranets) stellen dürfen. Die Passage wurde im Vorfeld allerdings bereits entschärft: So müssen Lehrer etwa erst eine Zustimmung von den Schulbuchverlagen einholen. Zudem einigten sich die Union und die Regierungskoalition auf eine Befristung der Klausel bis 2006.

Dennoch bekundeten Verleger wie Georg Siebeck kurz vor Schluss ihr Entsetzen über den ihrer Ansicht nach verfassungswidrigen "Versuchsballon", mit dem "die Zukunft der Informationsgesellschaft" verspielt werde. Dem Justizministerium und mehreren Bundestagsabgeordneten flatterte sogar ein Brief des Wirtschaftsattachés der deutschen US-Botschaft, David Nelson, ins Haus. In dem heise online vorliegenden Schreiben legt dieser den Parlamentariern und der Bundesregierung unverblümt die Streichung von 52 a ans Herz. Begründung: Amerikanische Wissenschaftsverlage, die in Deutschland rund acht Prozent ihres Umsatzes machen und hier ihren stärksten Auslandsmarkt hätten, würden gravierende Umsatzeinbußen befürchten. Zudem entspräche der Absatz nicht den internationalen Copyright-Konventionen, da er zu weit gehende Ausnahmen von den Verwerterrechten vorsehe.

"Wir haben einen guten Kompromiss erreicht, welcher der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung gerecht wird", freut sich dagegen Jörg Tauss, medienpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, über das Abstimmungsergebnis. Auch für Grietje Bettin, Tauss' Kollegin bei den Bündnisgrünen, spiegelt das Gesetz "letztendlich die Bedürfnisse sämtlicher betroffener Gruppen wider, vom Autor über den Verleger bis hin zum Nutzer." Der Grünen Jugend gehen die Zugeständnisse an die Industrie dagegen zu weit. Bei der Reform des Urheberrechtes seien die Politiker gerade dabei, "ein weiteres unnötiges Gesetz zu beschließen", warnt ein Sprecher des Grünen-Nachwuchses. "Statt die Interessen von Verbrauchern und Künstler zu vertreten, wurden fast ausschließlich einseitig Wirtschaftsinteressen berücksichtigt."

Ändern wird der Protest aus den unterschiedlichsten Richtungen aber nichts mehr an der Verabschiedung des Gesetzesentwurfs, der entsprechende Vorgaben der EU umsetzt: Seine zweite und dritte Lesung im Parlament am Freitag gilt nur noch als reine Formsache. Eigentlicher Kern des Gesetzes ist die Einführung eines Umgehungsverbots von Kopierschutztechniken und DRM-Systemen. Das Recht auf Privatkopien im digitalen Umfeld bleibt dagegen zumindest formal erhalten. Wie die Medienindustrie nun mit den diversen Tools und Anleitungen verfährt, die auch Privatkopien ermöglichen, aber dem Verbot des Umgehens von Kopierschutz- und DRM-Techniken für kommerzielle Zwecke widersprechen, bleibt abzuwarten: Immerhin drohte Gerd Gebhardt, Chef der deutschen Phonoverbände, auf der Jahrespressekonferenz der Musikwirtschaft bereits der Computerpresse mit rechtlichen Konsequenzen, wenn sie über Anleitungen zum Klonen von Musik und entsprechende Tools berichte.

Klarere Regelungen, wie das erhalten gebliebene Recht auf Privatkopien mit dem Verbot des Knackens von Kopierblockaden zusammenpasst und ob etwaige Ersteller von Privatkopien mit Schadensersatzforderungen der Musikindustrie rechnen müssen, haben die Abgeordneten auf die zweite Reformstufe verschoben. Beschäftigen müssen sie sich in der nächsten Runde auch mit weiteren strittigen Themen wie Vergütungspauschalen für Computergeräte, Sondergenehmigungen fürs "digitale Ausleihen" von Werken durch Bibliotheken oder elektronischen Pressespiegeln. Mit einem Entwurf für das weitere Gesetzgebungsverfahren rechnen Koalitionsexperten Ende des Jahres. (Stefan Krempl) / (jk)