Justizministerium sieht die digitale Privatkopie als "Gefahrenherd"

Beim Festakt zum 100-jährigen Jubiläum der GEMA in Berlin umriss ein Staatssekretär des Bundesjustizministerium erste Ziele der zweiten Stufe der Urheberrechtsreform:

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Ummalt von Melodien von Richard Strauss, einem der Urväter der GEMA, und anderer Komponisten stellte Alfred Hartenbach, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesjustizministerium, während des Festakts zum 100-jährigen Jubiläum der "Tantiemen-Gesellschaft" erste Ziele der anstehenden zweiten Reformstufe des Urheberrechts vor. Dabei bezeichnete der SPD-Politiker auf der Veranstaltung im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt am heutigen Freitag die digitale Privatkopie als "Gefahrenherd".

Die entsprechende Klausel, die Nutzern die Anfertigung einer bestimmten Anzahl von Kopien für private Zwecke im Heimbereich erlaubt, sei vor vier Jahrzehnten ins deutsche Recht aufgenommen worden, "um den Urhebern wenigstens eine Vergütung zu sichern, wo ein Verbot nicht durchsetzbar schien." Dass das gewährte Privileg nun aber -- unter anderem von Experten wie dem Münsteraner Rechtsprofessor Thomas Hoeren -- "als Informationsrecht gegen das Eigentum ins Feld geführt" werde, sei wohl eine Entgleisung. "Niemand käme auf die Idee", erklärte Hartmann vor etwa 1000 Vertretern aus Kultur, Politik und Musikwirtschaft, "sich in einer Buchhandlung ein Buch zu greifen und unter Berufung auf sein Informationsgrundrecht die Bezahlung zu verweigern." Bei digitalen Medien sei ein solches Verhalten aber zunehmend zu beobachten. Hier gelte es "in der Gesetzgebung", aber auch "in unser aller Denken und Erziehen zum Respekt vor geistigem Eigentum" gegenzusteuern.

Nachdem das Justizministerium an der digitalen Privatkopie in der erst kürzlich nach langem Streit vom Bundestag verabschiedeten Urheberrechtsnovelle bereits nur noch pro forma festhielt, soll ihr in der bereits für den Herbst angekündigten zweiten Stufe trotz des Widerstands zahlreicher Nutzerorganisationen nun anscheinend endgültig der Garaus gemacht werden. Lobbyisten aus der Phonoindustrie sowie der digitalen Medienwirtschaft fordern dies bereits seit langem. Just die GEMA hielt bislang aber an der Privatkopie fest, da mit ihr auch die pauschalen Vergütungsabgaben auf Leermedien und Kopiergeräte verknüpft sind, die der Verwertungsgesellschaft im vergangenen Jahr beim Einfahren eines erneuten Rekordertrags in Höhe von 812,5 Millionen Euro halfen.

Die IT-Industrie wettert dagegen vehement gegen die ihre Gerätepreise in die Höhe treibenden Vergütungspauschalen. Die Hersteller würden sie am liebsten ganz abgeschafft wissen. Sie wollen stattdessen auf Individuallizenzen setzen, die sich auf Systeme zum Digital Rights Management (DRM) stützen. Hartmann trat daher am 100. Geburtstag der GEMA mit einer deutlichen Ansage an deren Führung heran: "Lassen Sie uns -- wenn die Beratungen zum 2. Korb am Urheberrecht anstehen -- das Problem der Geräteabgabe offen und unter wirtschaftlichen Gesichtpunkten ansprechen", bat der Staatssekretär. Die Pauschale müsse "immer im Verhältnis zum Wert des Gerätes stehen, sonst laufen wir Gefahr, dass sich innovative Wirtschaftszweige in andere Regionen der Welt zurückziehen."

Vertreter der GEMA selbst kündigten bei der ausgedehnten Feierstunde an, den Kampf für das Recht der Musik-Urheber auf angemessene Entlohnung mindestens weitere 100 Jahre fortzusetzen. Das sei dringend nötig, befand Christian Bruhn, der Aufsichtsratsvorsitzende der Gesellschaft. Denn "die zehn Gebote kennt fast jeder Europäer, aber das 11. Gebot 'Du sollst nicht Musik stehlen' beherzigt kaum einer." Mit einem 300 Seiten-Wälzer zum Thema "Musik hat ihren Wert" des Musikwissenschaftlers Albrecht Dümling möchte die GEMA anlässlich ihres Jubiläums die Umdenk-Kampagne nun weiter vorantreiben.

  Zum neuen Urheberrecht siehe auch:

 (Stefan Krempl) / (jk)