Keine Verbesserungen im Datenschutz

Ein dickes Arbeitspaket für die Bundesregierung hat der Bundesdatenschutzbeauftragte heute mit seinem Bericht vorgelegt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 56 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Richard Sietmann

Kritisch hat sich der Bundesdatenschutzbeauftragte Joachim Jacob heute bei der Vorlage seines Tätigkeitsberichtes 2001/2002 zur Rasterfahndung nach "terroristischen Schläfern" geäußert, die auch in der Bundesrepublik als Reaktion auf die Anschläge des 11. September 2001 gestartet wurde. Zwar hätte sich das Bundeskriminalamt (BKA) formal an den ihm vorgegebenen gesetzlichen Rahmen gehalten, ob dieser aber auch die Befugnis zur Koordination der Rasterfahndung nach den Polizeigesetzen der Länder umfasst, hält Jacob für fraglich. Der Gesetzgeber müsse entweder explizit eine entsprechende Grundlage schaffen, oder das BKA verzichte künftig auf die "massenhafte Erhebung personenbezogener Daten", bei der immer auch eine Vielzahl Unverdächtiger in die Fahndung einbezogen werde. Schon die Dauer der Fahndung -- die Maßnahme wurde erst im März 2003 abgeschlossen -- lasse daran zweifeln, "wie effizient dieses Instrument tatsächlich für die Bekämpfung des Terrorismus" sei. Auch aus diesem Grunde fordert Jacob eine umfassende Evaluation der Aktion im Lichte der gewonnenen Erfahrungen.

Insgesamt sieht er in den zwei Jahren seit der Vorlage seines letzten Berichtes keine Verbesserungen beim Datenschutz in der Bundesrepublik. So habe die Bundesregierung noch immer keinen Entwurf eines Arbeitsnehmerdatenschutzgesetzes vorgelegt, obwohl der Deutsche Bundestag sie hierzu mehrfach aufforderte. Auch zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte am eigenen Bild steht eine gesetzliche Regelung weiterhin aus, die unbefugtes Fotografieren oder Filmen und Verbreiten der Aufnahmen in ähnlicher Weise unter Strafe stellt wie bereits beim nicht-öffentlich gesprochene Wort.

Deutliche Vorbehalte enthält der Tätigkeitsbericht gegenüber Online-Wahlen. "Eine Wahl über das Internet ist mit der heute verfügbaren Technik und Software kaum vorstellbar", heißt es. Selbst wenn alle technischen Probleme mit der Sicherstellung von freien, gleichen und geheimen Wahlen im Netz gelöst werden könnten, sei es doch fraglich, ob "eine derart beiläufige Stimmabgabe" vom heimischen PC aus oder per Handy der politischen Bedeutung der Wahlhandlung gerecht werde.

Mit Sorge beobachtet Jacob den Trend zu immer umfangreicheren Datensammlungen und Datenverbünden in der Privatwirtschaft. Insbesondere die Kreditauskunftssysteme drängen in neue Geschäftsfelder und Dienstleistungen, die Wohnungsunternehmen entwickeln eigene Warnsysteme vor zahlungsunfähigen Mietern und auch die Versicherungswirtschaft verfügt über ein zentrales Auskunftssystem. Das legitime Interesse am Schutz vor Schwarzen Schafen, Betrügern und zahlungsunwilligen Kunden stellt Jacob nicht in Frage, Gefahren sieht er jedoch dort, wo die Systeme zusammengeschaltet werden und den einzelnen Kunden gläsern machen. Die Profilierung durch die Zusammenstellung personenbezogener Daten lässt sich auch nicht mit der Einwilligung der Betroffenen rechtfertigen, weil diese die weitreichenden Konsequenzen nicht abschätzen können. "Es darf nicht dazu kommen", warnt er, "dass zum Beispiel ein junger Mensch, der mit zwanzig seine Handyrechnung nicht bezahlen konnte, anschließend kein Konto mehr eröffnen kann, keine Wohnung findet, keine Versicherung abschließen kann und sozusagen auf Dauer zur elektronischen Unperson wird".

Erhebliche Probleme sieht der oberste Datenschützer des Bundes in der potentiellen Zweckentfremdung von Ortungssystemen und Lokalisierungsinformationen, wie beispielsweise bei den lokalisierungsbasierten Diensten im Mobilfunk, die zur Erstellung von Bewegungsprofilen dienen können. Auch auf diesem Felde zeige sich, "dass die Summe von nützlichen und für sich gesehen datenschutzkonformen Anwendungen insgesamt ein Bedrohungspotential für das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt, das von den Betroffenen und auch in der gesellschaftlichen Diskussion so zunächst nicht wahrgenommen wird", meint Jacob. "Der Bürger wird sich entscheiden müssen, wie gläsern er um seiner Bequemlichkeit willen werden will". (Richard Sietmann) / (anm)