Bundeswahlleiter: Keine Stimmabgabe per Internet in Sicht
"Die elektronische Wahl ist sicherlich der Weg der Zukunft. Aber die Bedingungen, die das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat, müssen natürlich erfüllt werden", meint der Bundeswahlleiter.
Auch wenn Bankgeschäfte, Einkäufe und Behördenkontakte per Internet zum Alltag gehören: Die Stimmabgabe bei einer Wahl vom heimischen Computer aus ist nach Einschätzung von Bundeswahlleiter Roderich Egeler vorerst nicht in Sicht. Das Bundesverfassungsgericht habe für den Einsatz elektronischer Systeme bei Wahlen hohe Ansprüche an Sicherheit und Transparenz formuliert, sagte Egeler in einem Gespräch mit dpa. "Die elektronische Wahl ist sicherlich der Weg der Zukunft. Aber die Bedingungen, die das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat, müssen natürlich erfüllt werden."
Egeler verwies dazu auf die Entscheidung der Bundesrichter gegen den Einsatz von Wahlcomputern. Die Richter hatten im März den Einsatz solcher Geräte zwar für grundsätzlich zulässig erklärt, die Stimmabgabe müsse aber auch für Wähler ohne Computerkenntnisse nachvollziehbar und überprüfbar sein. Die elektronische Auszählung der Stimmen sei vom Wähler aber bei den bisher eingesetzten Geräten nicht kontrollierbar. Das ist bei Zweifeln an der Auszählung bei der klassischen Wahl mit Stimmzettel und Wahlurne anders: "Bei einer Wahlurne drehen sie sie um und zählen noch einmal", meinte Egeler.
Der Aufwand für die Sicherheit einer Stimmabgabe im Internet wäre nach Darstellung Egelers enorm hoch. "Man muss auch die Frage stellen, welche Kosten bei Wahlen produziert werden", sagte er. Außerdem stelle sich die Frage, ob es dem Bürger nicht zumutbar sei, "dass er beim Sonntagsspaziergang beim Wahllokal vorbeischaut". Wer sich den Weg ersparen wolle, könne per Brief wählen.
Das Internet kann aber bereits heutzutage Probleme bereiten, und zwar dann, wenn Prognosen am Wahltag schon vor Schließung der Wahllokale öffentlich bekannt werden – etwa über den Kurznachrichtendienst Twitter. Bis zu 50.000 Euro Bußgeld drohen, wenn Prognosen vorzeitig veröffentlicht werden. Einen Einfluss auf die Umfrageinstitute hat Egeler nicht. "Die arbeiten ja nicht im staatlichen Auftrag", erklärte er. "Wer sich berufen fühlt, so etwas zu tun, dem können wir das nicht verwehren."
Grenzen für die Erstellung von Prognosen, zu denen Wähler direkt nach der Stimmabgabe befragt werden, setze nur das Bundeswahlgesetz. Darin heißt es in § 32: "Während der Wahlzeit sind in und an den Gebäuden, in dem sich der Wahlraum befindet, sowie unmittelbar vor dem Zugang zu dem Gebäude jede Beeinflussung der Wähler durch Wort, Ton, Schrift oder Bild sowie jede Unterschriftensammlung verboten. Die Veröffentlichung von Ergebnissen von Wählerbefragungen nach der Stimmabgabe über den Inhalt der Wahlentscheidung ist vor Ablauf der Wahlzeit unzulässig."
Wer sich als Bürger heutzutage schnell über die Wahlergebnisse informieren will, muss dazu nicht mehr auf Rundfunk und Fernsehen setzen. Ein Blick auf die Internetseiten des Bundeswahlleiters bietet sofort alle Ergebnisse, die dort bekannt sind. "In dem Moment, in dem wir es gemeldet bekommen, wird das auch für die Bürger freigeschaltet – Wahlkreis für Wahlkreis", betont Egeler.
Siehe dazu auch:
- Voteremote: Internet-Wahlsystem liegt auf Eis
- Hacking at Random: CCC demonstriert TEMPEST-Messung bei Wahlcomputern
- Elektronische Wahlen: Die Ratlosigkeit der Experten
- Karlsruhe zieht Black-Box-Voting den Stecker
- Einsatz von Wahlmaschinen bei Bundestagswahl war verfassungswidrig
Zur Bundestagswahl 2009 und den Wahlprogrammen der Parteien siehe auch:
- Qual bei der Wahl, Die Parteiprogramme aus der IT-Perspektive, c't 20/09
- Piratenpartei tritt für digitale Freiheit ein
- CDU und CSU wollen Rechtsverletzungen im Netz "effektiv unterbinden"
- Linke fordern "Fair Work"-Siegel für Medienprodukte
- SPD will Einführung einer Kultur-Flatrate prüfen
- Die Grünen wollen die Internetfreiheit bewahren
- FDP "glasklar" gegen Internetsperren bei Urheberrechtsverletzungen
- FDP will die "Internetrepublik Deutschland" verwirklichen
(Michael Biermann, dpa) / (jk)