Videocodec VP6 soll H.264 übertrumpfen

Die Videocodec-Schmiede On2 Technologies hat erste, mit seinem neuesten Codec VP6 komprimierte Beispielvideos im Netz veröffentlicht. VP6 soll alle aktuellen Kompressionsverfahren in den Schatten stellen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 56 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Volker Zota

Die Videocodec-Schmiede On2 Technologies hat erste Beispielvideos im Internet veröffentlicht, die mit ihrem neuesten Codec Truemotion VP6 komprimiert wurden. Der Codec ist laut Hersteller auf Formate jenseits von 640 × 480 optimiert und verarbeitet Videomaterial bis hin zu HDTV-Auflösungen (1920 × 1080, 1280 × 720 -- zum Abspielen wird mindestens eine CPU mit 2,5 oder 1,5 GHz Taktfrequenz benötigt). Auf aktuellen Highend-Systemen soll es möglich sein, Videos mit voller D1-Auflösung (720 × 576, 25 fps beziehungsweise 720 × 480, 30 fps) in Echtzeit zu kodieren. Im Vergleich zum hauseigenen VP5 soll VP6 bis zu 40 Prozent bessere Bildqualität bei gleicher Datenrate erzielen, bei gleichzeitig halbiertem Ressourcen-Bedarf. VP6 soll daher laut On2 auch auf preisgünstigen DSPs laufen und nicht wie der kommende Videostandard H.264/AVC (MPEG-4 Part 10) Koprozessoren erfordern.

Um seine Ambitionen jenseits des PCs zu unterstreichen, führt On2 -- ebenso wie die MPEG-Standards, DivX, Windows Media -- Hardware-Profile ein: "Simple Profile" für Wiedergabe auf Lowend-Systemen und günstigen CPUs/DSPs, "Advanced" für beste Qualität bei höchster Komplexität.

Zur tatsächlich erzielten Qualität lässt sich nur anhand der Beispielvideos wenig sagen. On2 gibt zwar die auf Basis der Bild für Bild ermittelten Abweichungen zwischen Original und kodiertem Material Peak Signal to Noise Ratio (PSNR) an. Leider ist der PSNR für eine Qualitätsanalyse nur bedingt tauglich, weil er in der Regel auch in diesem Fall auf Encoder-Seite, sprich ohne Postprocessing (Deblocking, Deringing usw.), ermittelt wird. Tatsächlich bekommen die Zuschauer das Video de facto nie ungefiltert zu sehen. Besser wäre ein echter oder wenigstens ein "synthetischer Sehtest" mit einer Video Quality Metrik à la JNDmetrix-IQ, wie er beim Videocodec-Vergleich in c't 10/03 durchgeführt wurde. Details zu der Auswertung, die Testergebnisse und alle Testsequenzen (MPEG-Testsequenzen der VQEG und ein Ausschnitt aus der DVD "Eiskalte Engel") finden sich hier.

Die Fertigstellung von VP6 mag der Grund gewesen sein, warum On2 c't für den Codec-Vergleich den zu diesem Zeitpunkt aktuellen Codec VP5 zur Verfügung stellen wollte, weswegen im Test der im vergangenen Jahr als Open Source veröffentlichte Codec VP3.2 teilnahm. VP3.2 ist inzwischen in das Projekt Ogg Theora eingeflossen. Zwar schnitt der schon betagte VP3.2 erstaunlich gut im Test ab, dass VP6 aber alle andere Codecs übertrumpft, darf man bezweifeln.

Online lässt On2 VP6 (1-Pass-Kodierung) gegen WMV9, DivX 5.0.3 -- laut On2 jeweils 2-Pass-Kodierung -- und QuickTime MPEG-4 antreten, die er alle zumindest in Bezug auf die PSNR-Werte schlägt. Interessenten mögen die Qualität selbst beurteilen. Bei einem ersten Blick auf die Videos fiel lediglich auf, dass VP6 recht stark weichzeichnet, während die WMV9-Testsequenzen zu Blockartefakten neigen -- eigenartig, da auch WMV9 üblicherweise zu relativ starkem Postprocessing neigt.

Im Whitepaper findet sich eine ausführlichere Analyse, die VP6 sogar bessere Werte als H.264/AVC beziehungsweise der Entwicklungsversion H.26L bescheinigt. Erst detaillierte Tests dürften Auschluss über die tatsächliche Güte des Codecs bringen. Da sich On2 aber eher auf Firmen-, denn auf Endanwender konzentriert, ist nicht davon auszugehen, dass VP6 in Kürze das Web erobert, sondern lediglich in geschlossenen Systemen -- etwa Video on Demand oder in Spielen -- zum Einsatz kommt. Laut On2 ist AOL einer der ersten Lizenznehmer von VP6. (vza)