Nach der Übernahme durch Devil: Bei COS muss sehr viel anders werden.

In den bisherigen Berichten und Interviews erweckt Devil-Aufseher Karsten Hartmann den Eindruck, als bestehe bei COS kein großer Handlungsbedarf. Aber das ist natürlich Quatsch.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Damian Sicking

Karsten Hartmann, Aufsichtsrat, Devil

(Bild: Devil)

Lieber Devil-Aufsichtsrat und zukünftiger COS-Gesellschafter Karsten Hartmann,

dies ist nun schon die fünfte Kolumne in diesem Jahr, die ich an Sie oder einen Ihrer Kollegen von Devil schreibe. So häufig habe ich mich in den letzten Monaten mit keinem anderen Unternehmen beschäftigt. Aber was soll ich machen? Bei Ihnen passiert in diesem Jahr ja auch so viel! Gerade jetzt wieder die Sache mit der Übernahme des insolventen Konkurrenten COS. Das ist ja wirklich nett, dass Sie den COS-Mitarbeitern aus der Patsche helfen und ihnen wieder eine Perspektive verschaffen. Wobei ich annehme, dass Sie COS nicht (nur) aus Nettigkeit übernehmen.

Inzwischen hat die Fachpresse ausführlich darüber berichtet, und Sie haben ein paar Interviews gegeben. Was mich nur wundert, ist, dass eine Frage gar nicht so richtig thematisiert wurde: Was soll bei COS anders werden als bisher? Denn es MUSS anders werden, das wird Ihnen klar sein, und das wird auch den COS-Mitarbeitern klar sein. Was bisher zu hören und zu lesen war, ist, dass COS als eigenständige Gesellschaft neben Devil weiter am Markt agieren soll, mit einem eigenen Einkauf, einem eigenen Verkauf, mit eigener IT, eigener Buchhaltung, mit eigenem Web-Team und einem eigenen Controlling. Also eine komplette Firma, wenn man so will. Nur das Lager und die Logistik ziehen zu Ihnen nach Braunschweig um. Ich finde das sehr interessant, lieber Herr Hartmann, denn angesichts dessen, dass so viel unverändert bleibt, könnte man den Eindruck gewinnen, alles sei gut gewesen bei COS. War es aber nicht. Denn dann hätte die Firma nicht Insolvenz anmelden müssen, und dann hätte COS nicht vorher schon mehrmals von der damaligen Mutter Arques ein paar Finanznotspritzen zur Sicherung der Liquidität benötigt. Nein, COS war kein gesundes Unternehmen, und deshalb kann es auch nicht so weitermachen wie bisher. Daher werden Sie ein paar Dinge verändern müssen, Dinge, von denen man üblicherweise sagt, dass sie weh tun. Alles andere ist eine Illusion.

Aus meiner Sicht sehr klug ist die Entscheidung, COS nicht in die Devil-Organisation integrieren zu wollen. Zumindest vorerst nicht. Denn bei einer Übernahme mit anschließender Integration kann so viel schief gehen, erst recht, wenn man in diesen Dingen keine Übung hat. Dann muss man auch noch teure Experten und Berater ins Haus holen und man beschäftigt sich am Ende mehr mit sich selbst als mit dem Markt. Und eine Garantie, dass dann alles klappt, hat man natürlich auch nicht.

Erlauben Sie mir bei dieser Gelegenheit ein paar allgemeine Bemerkungen zum Thema. Wie Sie sicher selbst wissen, lieber Herr Hartmann, gehen die meisten Übernahmen und Fusionen schief. Rund 60 Prozent der Fusionen und Übernahmen erweisen sich nach Angaben von Experten im nachhinein als Flop. Damit ist die Misserfolgsquote noch höher als bei Ehen zwischen Mann und Frau: Rund 40 Prozent der "Fusionen" von Mann und Frau werden wieder geschieden (und die Dunkelziffer der gescheiterten Ehen liegt sicher noch um ein Vielfaches höher).

Da staunt der Laie, und der Fachmann wundert sich – oder auch nicht. Jedenfalls ist diese Zahl erschreckend hoch. Wie kann das angehen? Im Gegensatz zur privaten Eheschließung, bei der man sich häufig von durchaus vergänglichen Gefühlen leiten läßt, regiert bei einer Firmenübernahme oder Fusion der kalte Verstand. Sollte man meinen. Auch der "Vollzug" der Ehe findet im Geschäftsleben nicht in einer rauschhaften und eruptiven Umarmung statt, sondern in Form einer kühlen und nüchternen Planung des gemeinsame Lebenswegs. Auch das ist offenbar ein Irrglaube. Zuweilen drängt sich der Eindruck auf, dass die Firmen bei der Wahl der Braut oder des Bräutigams genauso bauchgesteuert vorgehen wie Mann und Frau. Amateure hier wie dort.

Ein Beispiel: Der Geschäftsführer eines durchaus marktbedeutenden IT-Unternehmens klagt über die Probleme bei einem Unternehmen, das er vor zwei Jahren übernommen hatte. Mit durchschnittlich fast 50 Jahren sei die Belegschaft total überaltert, das Gehaltsniveau der seit vielen Jahren im Unternehmen tätigen Mitarbeiter astronomisch hoch und die Produktivität miserabel. Da fragt man sich schon, warum er das Unternehmen überhaupt gekauft hat, denn zumindest die ersten beiden Faktoren sollten ihm ja vor der Übernahme bekannt gewesen sein. Das ist so, als wenn eine 25-jährige Frau einen 75-jährigen Mann heiratet und sich dann darüber beklagt, dass es erstens mit seiner Leidenschaft im Schlafzimmer doch nicht so weit her und zweitens sein Bankkonto auch nicht so prall gefüllt sei, wie sie angenommen hatte.

Dummerweise kommen Unternehmen um Übernahmen und Fusionen oftmals gar nicht herum. Damit stecken die Firmen in einer Zwickmühle. Entweder sie bleiben klein und verlieren den Anschluss, oder sie kaufen zu und haben gute Chancen, sich in der Folge mehr mit den eigenen Problemen zu beschäftigen als mit dem Markt. Und wenn dann bei allem geschäftlichen Ärger auch noch die private Ehe der Fusionsmanager in die Brüche geht, dann fragt sich der eine oder andere vielleicht doch, warum er nicht Postbote oder Baggerführer geworden ist.

Das Grundproblem liegt wohl darin, dass wir in unseren Schulen und Hochschulen alles mögliche lernen, aber wir lernen weder, wie man erfolgreich eine Ehe führt, noch wie man erfolgreich einen Firmenzusammenschluss meistert. Statt dessen wurstelt sich jeder so durch. Im Unternehmensbereich entstehen dann schnell sogenannte Wurstelbuden.

Soweit, wie gesagt, ein paar grundsätzliche Bemerkungen zum Thema Übernahmen und Fusionen. Sollten Sie nicht persönlich nehmen, lieber Herr Hartmann. Kein Grund, deprimiert zu werden. Denn schließlich gibt es ja auch die Chance, dass die Übernahme von COS durch Devil zu den 40 Prozent zählen, bei denen es gut geht.

In diesem Sinne: Bon Chance und beste Grüße!

Damian Sicking

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