Elektronische Gesundheitskarte: Rollout im Nachwahlkampf

Der offizielle Rollout der elektronischen Gesundheitskarte startet am Mittwoch in der Region Nordrhein. Parallel dazu gerät das eGK-Konzept durch Forderungen an die Wahlgewinner erneut in die Diskussion.

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Von
  • Detlef Borchers

Morgen startet der offizielle Rollout der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) in der Region Nordrhein. Die Krankenkassen beginnen damit, die herkömmliche Krankenversichertenkarte (KVK) durch die eGK zu ersetzen. Parallel zum Rollout gerät das eGK-Konzept durch Forderungen an die Wahlgewinner erneut in die Diskussion.

Technisch wandert bei den jetzt ausgelieferten eGK das Release 0 in die Geldbörsen der Bürger, eine Karte, die im Offline-Modus von den Lesegeräten ausgelesen wird und bei der die Daten in einem ungeschützten Bereich gespeichert sind. Bis zum geplanten Start der Online-Anbindung im Sommer 2011 und damit dem Beginn der eigentlichen Gesundheitstelematik ist es noch ein weiter Weg. Dementsprechend nutzen verschiedene Verbände und Lobbyisten die Diskussionen im Nachwahlkampf, um ihre Positionen noch einmal vorzutragen. Neben den Kritikern wie den Zahnärzten, die die Kartenausgabe für nutzlos halten, gibt es Befürworter wie den IT-Verband Bitkom, der in der eGK und der sie begleitenden Technik das "Zeug zum Exportschlager sieht." Entsprechend heißt es in der Pressemeldung: "Bitkom fordert deswegen die kommende Bundesregierung auf, die Gesundheitskarte konsequent einzuführen und Mehrwertdiensten wie der elektronischen Patientenakte den Weg zu ebnen."

Ganz anders sieht das die Freie Ärzteschaft. Sie verweist ihrer Stellungnahme darauf, dass Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) in ihrem Wahlkreis gegen den Arzt Rudolf Henke (CDU) verloren hat und sieht darin ein Symbol für eine Neuorientierung. Große Stücke setzen die Kritiker dabei auf die FDP und sprechen von einem ersten Lackmus-Test für die Verlässlichkeit der Partei: "Insbesondere bei dem Thema 'elektronische Gesundheitskarte' sehen wir den Regierungspartner FDP in der absoluten Pflicht, ihre in der Vergangenheit mehrfach dokumentierte Ablehnung dieses gigantischen Daten-Monstrums jetzt in praktische Regierungspolitik umzusetzen", erklärte Martin Grauduszus, Präsident der Freien Ärzteschaft.

In den anstehenden Koalitionsverhandlungen dürfte indes die Gesundheitskarte eine untergeordnete Rolle spielen. Wichtiger sind Verhandlungen über den Gesundheitsfonds, der von der FDP abgelehnt wird. Wie ihr Generalsekretär Dirk Niebel sagt, gehört die Abschaffung des Fonds zu den zentralen Themen der Koalitionsverhandlungen. Unter diesem Gesichtspunkt ist die von der CDU ins Spiel gebrachte Personalie Josef Hecken als Gesundheitsminister interessant. Der derzeitige Chef des Bundesversicherungsamtes ist einer der "Väter" des Gesundheitsfonds und kraft seines Amtes auch der Verwalter des Fonds. Sein Name steht damit als deutliches Zeichen dafür, dass die CDU nicht bereit ist, den Gesundheitsfonds aufzulösen. Ein Gesundheitsminister Hecken könnte die Entwicklung der Telematik beschleunigen: Als Gesundheitsminister des Saarlandes hatte Hecken die erste deutsche Niederlassung von DocMorris genehmigt. Auch wenn nach etlichen Prozessen eine Entscheidung zugunsten des deutschen Apothekengesetzes im September vom Europäischen Gerichtshof erging und DocMorris eine Niederlage kassierte, gilt Hecken als Vertreter moderner Strukturen, der sich für die Modifizierung des Fernbehandlungsverbotes und des Arzneimittelwerbegesetzes ausgesprochen hatte. Diese Punkte behindern Internet-Angebote wie etwa Doctr.

Auch der bisherigen Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) werden Ambitionen auf das Amt im Gesundheitsministerium zugesagt. Ihr für die CDU/CSU wichtiges Image als moderne Ministerin könnte sich in der oftmals zähen Gesundheitspolitik zerreiben. (jk)