Eco-Kongress: Bundesnetzagentur bekennt sich zu Netzneutralität

Der staatlich forcierte Breitband-Ausbau wälzt die Geschäftsmodelle von Providern und Telekommunikationsanbietern um. Eine Vertreterin der Bundesnetzagentur sieht nun die Zeit für eine ernsthafte Diskussion der Netzneutralität in Deutschland.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 69 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Torsten Kleinz

Der staatlich forcierte Breitband-Ausbau wälzt die Geschäftsmodelle von Providern und Telekommunikationsanbietern um und stellt die Regulierungsbehörden vor große Herausforderung. Auf dem heute gestarteteten Kongress des Verbands der deutschen Internetwirtschaft eco lieferten sich verschiedene Branchenteilnehmer kontroverse Debatten um die Zukunft des Breitband-Marktes. Eine Vertreterin der Bundesnetzagentur sieht nun die Zeit für eine ernsthafte Diskussion der Netzneutralität in Deutschland.

Großen US-Breitbandanbietern und einigen europäischen Carriern geht es in dem vor allem in den USA seit Jahren geführten Streit darum, im Rahmen des Aufbaus ihrer Hochgeschwindigkeitsnetze Inhalteanbieter für die besonders schnelle oder auch nur zugesicherte Übertragung von Daten zur Kasse zu bitten. Sie wollen zudem Möglichkeiten zur unterschiedlichen Behandlung des Datenverkehrs in ihren Backbones erhalten, abhängig unter anderem von Quelle, Dienst und Bandbreitenverbrauch. Die Gegenseite, zu der auch einige Netzgrößen wie Amazon oder Google gehören, fürchtet dagegen, dass Telekommunikationsgiganten und Kabelanbieter das Internet in teure, mit Mautstationen abgesperrte Luxusbahnen und holprige Feldwege aufteilen. Damit sehen sie die Innovationskraft des Internet gefährdet.

Iris Henseler-Unger von der Bundesnetzagentur betonte nun in Köln: "Die Entscheidung der Federal Communications Commission hat für einen gehörigen Impetus in der Diskussion um Netzneutralität gesorgt." Nun müsse das Thema in Deutschland diskutiert werden. So habe die Behörde in ihren Grundsatz-Entscheidungen schon vor einiger Zeit die Prinzipien der Netzneutralität eingefordert.

Einen ersten konkreten Streitfall hat die Regulierungsbehörde schon behandelt. Wegen eine Vielzahl von Beschwerden wegen der Sperrung von Skype in den Mobilfunknetzen habe die Bundesnetzagentur Stellungnahmen von den Mobilfunkprovidern eingeholt. "Uns geht es aber nicht alleine um Skype." So sieht der ehrgeizige Plan der Bundesregierung, bis spätestens Ende 2010 allen Haushalten in Deutschland einen Breitband-Anschluss zu ermöglichen, den Einsatz von Funktechniken vor, wenn die betroffenen "weißen Flecken" in der Frist nicht per Kabel oder Glasfaser versorgt werden könnten. Die betroffenen Gemeinden würden sich kaum damit abfinden, wenn über die lange erwartete Internet-Anbindung bestimmte Services vorenthalten würden.

Den früher zur Schau gestellten Optimismus der Behörde, dass Wettbewerb und Transparenz mögliche Fehlentwicklungen verhindern könne, wollte Henseler-Unger nicht uneingeschränkt aufrecht erhalten. So hätten sich die Marktteilnehmer bei den Verhandlungen um die Bitstrom-Zugänge nach anfänglich konstruktiven Verhandlungen wieder auf die Ursprungspositionen zurückgezogen. Nun sehe es so aus, als ob die Bundesnetzagentur nicht nur die Preise regulieren, sondern auch technische Details von Grund auf erarbeiten müsse. "Vielleicht hilft hier die Drohung mit dem inkompetenten Regulierer, um die Parteien an den Verhandlungstisch zurückzubringen", meinte die Behördenvertreterin scherzhaft.

Doch zeige die Entwicklung im Infrastruktur-Wettbewerb beeindruckende Erfolge. So hätte der Provider Netcologne den Aufbau seines Glasfaser-Netzes in Köln und Umgebung nicht begonnen, hätte die Telekom nicht den VDSL-Ausbau für Köln angekündigt. "Der Wettbewerb treibt Breitband auch in ländliche Gebiete", erklärte die Behördenvertreterin. So habe die Telekom ihre Strategie revidiert, die Investitionen in den Breitbandausbau nach der von der Bundesnetzagentur verfügte Senkung der Entgelte für die letzte Meile zurückzufahren. In diesem Jahr baue der Ex-Monopolist sein Netz in mehr Gemeinden aus als im Jahr zuvor.

Bei dem Ausbau des neuen Infrastrukturatlas mache die Behörde große Fortschritte. Über die Datenbank soll es erleichtert werden, unerschlossene Gebiete zu entdecken und vorhandene Infrastrukturen für weitere Anbieter zur Verfügung zu stellen – wie zum Beispiel kommunale Abwasserkanäle, die zum Aufbau eines Glasfasernetzes genutzt werden könnten. "Ende des Jahres werden wir eine halbwegs lauffähige Version der Version zur Verfügung haben." Auf die Daten habe vorerst aber nur die Behörde selbst Zugriff. So sollen die Daten über kritische Infrastrukturen aus Furcht vor Sabotage nicht für jedermann ins Internet gestellt werden. Auch hätten die Telekommunikations-Anbieter Bedenken, dass über die Datenbank Geschäftsgeheimnisse offen gelegt werden. Parallel arbeite das Bundeswirtschaftsministerium an einem Baustellenatlas, über den die Telekommunikationsunternehmen über die Verlegung neuer Leerrohre informieren könnten um ihre eigene Glasfasern mit unterzubringen.

Nächstes Groß-Projekt der Bundesnetzagentur ist die im kommenden Jahr anstehenden Versteigerung der "Digitalen Dividende". "Diese Frequenzen gehörten zwar offiziell dem Rundfunk, wurden aber nur vom Militär genutzt", sagte Henseler-Unger. Die Behörde wolle in Zukunft die Vergabe der Frequenzen flexibler organisieren, die Experten der Behörde hätten errechnet, dass für die Rundfunkübertragung in Wahrheit nur 15 Prozent des Spektrums benötigt würden, andere Berechnungen sprächen von 25 Prozent. Obwohl die im kommenden Jahr zu versteigernden Frequenzen nur 18 Prozent des Spektrums ausmachten, sei eine weitere Ausweitung der für den Datenverkehr genutzten Frequenzen derzeit politisch nicht durchsetzbar.

Um die notwendigen Lehren aus den vorhergehenden Versteigerungen der UMTS- und WiMAX-Lizenzen zu ziehen, hat die Bundesnetzagentur mehrere Grundsätze festgelegt: So dürfen neue Anbieter lediglich ein Spektrum von 20 Megahertz ersteigern, die E-Netz-Betreiber 15 Megahertz, die D-Netzbetreiber nur 10 Megahertz. Zudem seien die Betreiber verpflichtet, die Frequenzen zuerst für die bisher unversorgten ländlichen Gebiete zu nutzen.

Siehe dazu auch;

(Torsten Kleinz) / (jk)