Erneut Website-Sperrungen in der Schweiz

Eine Untersuchungsrichterin aus dem Kanton Waadt sorgt für Furore, weil sie ohne Verfügung die Sperrung von Websites verlangte -- und bekam.

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Von
  • Holger Bleich

Für viel Aufregung in der Schweiz hatte eine Kantons-Richterin gesorgt, als sie Ende des vergangenen Jahres per Anordnung die Sperrung von einigen, angeblich inkriminierten Websites sorgen wollte. Viele Provider hatten gegen die Verfügung Rekurs eingelegt und bekamen im April 2003 schließlich Recht: Die ohnehin juristisch umstrittene Verfügung wurde aufgehoben.

Doch damit wollte sich Francoise Dessaux, die erwähnte Untersuchungsrichterin aus dem Kanton Waadt, nicht abfinden. Offenbar sind ihr die entsprechenden Websites weiterhin ein Dorn im Auge. Weil ihre Verfügung keinen Bestand hatte, griff sie zu drastischen Mitteln: In einem Schreiben vom 16. Mai an mehrere Provider, das heise online vorliegt, erklärte sie alle ISPs, die freien Zugang zu den Websites zulassen, kurzerhand zu Mittätern.

Sie forderte in dem Schreiben von den Providern nicht nur, die Websites selbst für die Kundschaft zu blockieren, sondern auch die Sites des Thailändischen Webhosters c9c.net. Der Grund: c9c.net führt per Redirect zu aktuellen Mirror-Sites mit den betroffenen Inhalten. Für den Fall, dass die Provider ihrer Bitte nicht nachkommen sollten, drohte die Richterin ihnen unverblümt mit der Eröffnung eines Strafverfahrens wegen angeblicher Beihilfe zur Verleumdung, Beschimpfung und übler Nachrede.

Mit Bluewin, dem zur Swisscom gehörigen Zugangs-Provider, ließ sich ausgerechnet der größte Schweizer Provider von dem Schreiben der Richterin beeindrucken. Er kam der neuerlichen Sperrungsaufforderung vorbehaltlos nach. Bluewin-Kunden können nun die betroffenen Websites nicht mehr erreichen. Dabei hat Bluewin den Webhoster c9c.net gleich komplett blockiert. Weil davon auch die MX-Einträge betroffen sind, können Bluewin-Kunden nicht einmal mehr an c9c-Adressen mailen.

"In Absprache mit unserer Muttergesellschaft haben wir entschieden, der Sperrungsaufforderung vorsorglich erst einmal nachzukommen", erklärte Bluewin-Sprecherin Deborah Bucher gegenüber heise online. Derzeit würden Gespräche laufen, ob die Sperre weiter aufrecht erhalten werden solle.

Die Verwunderung darüber, dass Bluewin ohne richterlichen Beschluss den Zugriff auf bestimmte Websites sperrt, ist derweil groß in der Schweiz. Schon rufen die ersten Zensur-Gegner dazu auf, Bluewin als Provider zu meiden. Der von der Sperrung betroffene Hoster c9c.net formuliert es drastischer: "Kündigen Sie alle Ihre E-Mail-Konten sowie Web-Hostings beim Schweizer Provider bluewin.ch sofort und wenden Sie sich ebenfalls an einen besseren Internet-Anbieter. Vermeiden Sie eine Einwahl in das Internet über Zensur-Provider." (hob)