Kommentar zum gescheiterten Verbrenner-Aus: Ein schwacher Sieg

Neuwagen dürfen auch nach 2034 mit Verbrenner verkauft werden. Unter anderem die FDP hat sich durchgesetzt. Doch was ist dieser Sieg wert? Ein Kommentar

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Mercedes-Motor

(Bild: Mercedes-Benz)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Martin Franz
Inhaltsverzeichnis

Die FDP hat sich durchgesetzt, der Verbrennungsmotor in Neuwagen darf tatsächlich in die Verlängerung. Der Preis dafür ist enorm. Die propagierte Technologieoffenheit wird weitreichende Folgen haben. Denn die Debatte, wer das bezahlen soll, wurde direkt nach der erzwungenen Einigung eröffnet. Sie wird noch für reichlich Erstaunen sorgen.

Im Herbst 2022 war man sich auf EU-Ebene praktisch weitgehend einig: Ab 2035 sollen Neuwagen in der Europäischen Union lokal emissionsfrei sein. Diese Regelung hatte Gegner, darunter Polen und Italien, doch eine Mehrheit schien sicher. Bis die FDP darauf hinwies, was sie im Koalitionsvertrag durchgesetzt hatte. Es folgte ein Gezerre um juristische Details, was viele Partner in der EU schwer genervt hat. Nun sind solche Runden keine Stuhlkreise, in denen es um Sympathie ginge. Vielmehr wird dort oftmals hart gerungen. Dass ein Land aber erst Zustimmung signalisiert, um dann kurz vor der Verabschiedung Bedenken anzumelden, hat schon eine gewisse Note. Kaum auszudenken, was passiert, wenn sich dieses Modell bei künftigen Verhandlungen durchsetzen sollte. Manch einer mag das vielleicht unterhaltsam finden, doch Politik und Kabarett sollten sich unterscheiden.

Nun werden also auch nach 2034 in der EU Neuwagen mit Verbrennungsmotoren zugelassen werden können, sofern sie ausschließlich mit E-Fuels betankt werden. Daraus ergeben sich allerhand Fragen, wie beim Versprechen einer Technologieoffenheit auch nicht anders zu erwarten. Wie technisch sichergestellt werden soll, dass nur E-Fuels in den Tank kommen, ist offen. Ob für den privaten Pkw-Verkehr überhaupt E-Fuels in nennenswerter Menge zu einem marktgängigen Preis verfügbar sein werden, ist ungeklärt. Mit viel Schwung ist der Fortbestand des Verbrenners auf politischer Bühne durchgesetzt worden, doch weite Teile der Industrie will aus dieser Technologie schon Jahre vorher aussteigen.

Der ganze Zinnober, den hier gewisse Kreise veranstaltet haben, mag für eine kleine Gruppe von Neuwagenkäufern nach 2034 nun doch noch interessant sein. Dass der Verbrenner dann das Neuwagenangebot dominiert, glauben schon heute nur wenige. Nur zur Erinnerung: Der Verbrenner wird 2035 nicht etwa verboten, sondern im globalen Bestand noch viele Jahre dominieren. Ihn über E-Fuels zumindest teilweise zu dekarbonisieren, ist sinnvoll. Zur Abrundung der Debatte gehört aber, den Befürwortern auch zu sagen, was finanziell auf sie zurollt.

Was unter anderem die FDP dort in Europa durchgesetzt hat, ist technisch gesehen bemerkenswert. Für die Herstellung von einem Liter E-Fuel werden aktuell ca. 27 kWh Strom und Wasser benötigt. Bleiben wir kurz beim Strom: Mit diesen 27 kWh erzeugen wir einen Brennwert von etwa 9 kWh, die in einem Liter E-Fuels etwa stecken. Von diesen kann ein sparsamer Verbrenner zwischen zwei und drei Kilowattstunden in Bewegung umsetzen. Aber, aber, schallt es den Gegnern von E-Fuels entgegen: Die technische Weiterentwicklung kann doch hier enorme Fortschritte bringen. Ja, aber sie kann die Physik nicht überlisten. Die anschließende Verarbeitung in einem Verbrennungsmotor wird immer ineffizient bleiben. Er wird nicht ohne Grund auch Wärmekraftmaschine genannt. In der Spitze mögen die besten Verbrenner vom Tank zum Rad bilanziert über 40 Prozent erreichen, im Schnitt der Nutzung bleiben sie weit darunter. Wer die Produktion von Kraftstoff mit einpreist, dürfte selbst unter optimalen Voraussetzungen kaum nennenswert über einen Wirkungsgrad von 15 Prozent hinauskommen.

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Egal, solange wir überschüssigen Ökostrom nehmen, meinen Sie? Nun, den gibt es hierzulande erstens nicht im nötigen Umfang, zweitens müssen solche Anlagen im Idealfall sieben Tage die Woche rund um die Uhr laufen. Ausfallzeiten bedeuten laufende Kosten ohne Einnahmen, was sich auf den Preis für die Endkunden auswirkt – denn dort müssen solche Zeiten der Unproduktivität eingepreist werden. Verlagerung der Produktion ins Ausland, wo man günstig Ökostrom herstellen könnte? Prinzipiell keine schlechte Idee, doch für eine gigantische Verschwendung gibt es auch dort keine hinreichend guten Gründe. Denn selbst Länder, in denen die Bedingungen für eine günstige Ökostrom-Ernte herrschen, sind derzeit weit entfernt von einer Dekarbonisierung des Stromsektors, von der gesamtheitlichen Betrachtung des Primärenergiebedarfs ganz zu schweigen. Und bitte: Auch regenerativ erzeugter Strom hat einen CO₂-Fußabdruck. Das sei jenen immer mal wieder ins Gedächtnis gerufen, die von einem CO₂-neutralen Sprit sprechen. Sonne und Wind stellen keine (CO₂-)Rechnung, die Herstellung und Wartung der entsprechenden Stromerzeuger ist aber keineswegs komplett zu vernachlässigen. Der Transport von Kraftstoff wird in dieser Bilanzierung übrigens ebenfalls immer ausgeblendet.

Es gibt eine Reihe von guten Gründen, warum E-Fuels kommen werden und auch sollten. Nicht alles kann auf absehbare Zeit elektrifiziert werden. Der Flugverkehr ist nur ein Beispiel. Es ist auch nicht zu erwarten, dass der Bestand bis 2035 nahezu durchelektrifiziert ist, auch nicht in einer der größten Volkswirtschaften dieser Erde. Von anderen Ländern mit geringerer durchschnittlicher Kaufkraft ganz zu schweigen. Für einen kleinen Teil der Autonutzer mögen Kosten eine untergeordnete Rolle spielen, global können wir das aber vergessen.

Eines muss klar sein: Auf absehbare Zeit wird die Nutzung von E-Fuels teuer, so sie denn verfügbar sein sollten. Im Transportsektor, in dem knallhart mit Cents je Kilometer gerechnet wird, ist mit einem flächendeckenden Einsatz dieser Kraftstoffe nicht zu rechnen. Wer zurecht die viel zu hohen Preise für neue Elektroautos kritisiert und seine Hoffnung auf ein "Weiter so" mit E-Fuels setzt, wird staunen, wie teuer diese Mobilität werden könnte. Eine ehrliche Abschätzung der aus der aktuellen Perspektive zu erwartenden Verhältnisse würde der Debatte an vielen Stellen eine andere Richtung geben.

Das weiß auch FDP-Chef Lindner. Er forderte direkt nach der Durchsetzung seiner Position flugs eine Steuererleichterung für E-Fuels. Ihm dürfte bewusst sein, dass andernfalls E-Fuels in Pkws derart nebensächlich bleiben werden, dass selbst seine Zielgruppe irgendwann die Frage formuliert, warum sich seine Partei für so eine unbedeutende Randerscheinung unbedingt so weit aus dem Fenster lehnen musste und einen politischen Flurschaden in Kauf genommen hat, der noch lange nachwirken wird. In der Sache ist man dabei weniger weit gekommen, als es das lautstarke Agieren auf öffentlicher Bühne suggeriert.

(mfz)