EU-Gesundheitsdatenraum: Ärzte befürchten sinkendes Vertrauen der Patienten

Der EHDS soll die EU-weite Gesundheitsversorgung verbessern. Offen sind jedoch einige Fragen, etwa wer den Datenschatz hütet und wer die hohen Kosten trägt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 34 Kommentare lesen
Businesswoman,On,Blurred,Background,Using,Digital,3d,Projection,Of,A

(Bild: Shutterstock)

Lesezeit: 8 Min.
Inhaltsverzeichnis

Durch eine eHealth-Verordnung sollen die Gesundheitsdaten von EU-Bürgern in einen geplanten europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) fließen, unter anderem auch für eine Gesundheitsversorgung im Ausland, und um Europa im Gesundheitsbereich wettbewerbsfähiger zu machen. Die Gesundheitsdaten werden dann nicht nur dem öffentlichen, sondern möglicherweise auch dem privaten Sektor zu Forschungszwecken zur Verfügung stehen – für die Daten aus der elektronischen Patientenakte (ePA) mit Widerspruchsrecht, für die Abrechnungsdaten der Krankenkassen nicht. Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt und Stephan Hofmeister, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), haben dazu mit Politikern und Politikerinnen in den Brüsseler "Morning Rounds" diskutiert.

Reinhardt befürwortet grundsätzlich die Nutzung von Gesundheitsdaten zu Forschungszwecken. "Der Europäische Gesundheitsdatenraum wird aber nur dann erfolgreich sein, wenn er Patienten und Ärzten deutliche Vorteile bietet. Ärzte haben nicht die Zeit für einen Nebenjob als Datenlieferanten für Forscher, Politiker und Entwickler von Produkten und Algorithmen. Die Übertragung eines Patientengesprächs oder einer Untersuchung in strukturierte Datensätze kostet Zeit, die für den Patientenkontakt fehlt und somit der Gesundheitsversorgung schadet". Am schlimmsten wäre es Reinhardt zufolge aber, "wenn Patienten aus Angst vor dem Missbrauch ihrer Gesundheitsdaten nicht mehr ihren Arzt aufsuchen würden".

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externes YouTube-Video (Google Ireland Limited) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Google Ireland Limited) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Daher müsse sich der EHDS das Vertrauen und die Akzeptanz der Patienten und der Ärzte erst verdienen. Dies erfordere laut Reinhardt auch den Einsatz geeigneter technischer Mittel, um die Sicherheit und Resilienz der Systeme zu gewährleisten. Das Vertrauen in die Politik sei allerdings gering. Laut Ipsos Global Trustworthiness Ranking 2022 sind Ärzte mit 59 Prozent am vertrauenswürdigsten von allen Berufsgruppen, danach folgen Wissenschaftler mit 57 Prozent. Politiker hingegen belegen mit 12 Prozent den letzten Platz. Selbst wenn Menschen laut Reinhardt bereit wären, Daten mit anderen Gesundheitsexperten zu teilen, können sie ihre Gründe haben, dieselben Daten nicht mit dem Staat teilen zu wollen.

Eine ähnliche Ansicht vertritt der ständige Ausschuss der Ärzte der Europäischen Union (CPME). Er sehe auch eine mögliche Beschränkung der Grundrechte, wie aus seiner Stellungnahme zum EHDS hervorgeht. Ebenso sei das Vertrauen der Patienten wichtig. Die Arzt-Patienten-Beziehung basiere zu Hofmeister auf 100-prozentigem Vertrauen. Wenn das fehle, gehen die Patienten eben woanders hin, auch wenn die Behandlung dann teurer sei. Außerdem habe kein Arzt die Zeit, sich, gerade bei Patienten mit langer Krankheitsgeschichte, 20 GByte an Informationen durchzulesen. Darüber hinaus stellte er die Repräsentativität der Daten infrage.

Laut Anca Thoma vom europäischen Patientenverband würden Ärzte durch KI-basierte Apps Zeit sparen und mehr Zeit für ihre Patienten und Patientinnen haben. Google, Facebook, Apps und Smart Watches sammeln bereits viele Gesundheitsdaten ihrer Kunden, das sehe sie als gefährlicher an als "Big Pharma". Es sei wichtig, die Plattformen zu regulieren. Aggregierte Gesundheitsdaten seien ihrer Ansicht nach öffentliches Gut.

Die Europaabgeordnete Birgit Sippel (SPD) sieht in dem Verhalten der Patienten beim Einsatz von Google und Co. zu Gesundheitsfragen kein Argument für das Teilen von Daten, man solle das Argument nicht gegen die Rechte der Patienten einsetzen. Ihrer Ansicht nach gebe es auch keine Argumente für ein Opt-out-Modell bei der elektronischen Patientenakte. Wer sie nützlich findet, könne sich eine zulegen. Ihr scheint es beim EHDS lediglich um das Interesse der Industrie an den Daten zu gehen.