Vorratsdatenspeicherung: Jetzt sollen die Experten ran

Der EU-Rat wagt einen neuen Anlauf für die Vorratsdatenspeicherung: Eine Expertengruppe soll dafür sorgen, dass der EuGH das Vorhaben nicht wieder abschießt.​

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(Bild: mixmagic/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Erich Moechel

Wie aus einem geleakten Dokument des EU-Ministerrats hervorgeht, streben zehn Mitgliedsstaaten eine neue Regelung zur Vorratsdatenspeicherung an. Um den Rahmen für eine neue Verordnung abzustecken, die letztlich auch vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Bestand hat, soll eine "High Level Experts Group" eingerichtet werden.

Der EuGH hatte 2014 die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung rückwirkend annulliert und infolge die nationalen Umsetzungen in den EU-Staaten in sieben aufeinanderfolgenden Sprüchen verworfen. Das jüngste dieser Urteile stammt vom September 2022 und betraf die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland. Das Bundesjustizministerium setzt mittlerweile auf die "Quick Freeze"-Methode, wie sie etwa in Österreich eingeführt wurde.

Diese neue Expertengruppe soll nun einen neuen Anlauf für eine Vorratsdatenspeicherung machen, die vor dem EuGH standhalten würde. Andererseits sollen dabei die Begehrlichkeiten der Strafverfolger, die im Ständigen Ausschuss zur operativen Zusammenarbeit bei der inneren Sicherheіt (COSI) des Ministerrats vertreten sind, darin möglichst umfassend berücksichtigt werden. Zudem will man auch noch das leidige "Problem Verschlüsselung" angehen.

Titelblatt des Dokuments mit den Ratsarbeitsgruppen, an die es adressiert ist. Das Wasserzeichen stammt vom französischen Magazin Contexte, das das EU-Dokument hinter der Paywall veröffentlicht hat.

Angesichts des technisch-mathematischen Charakters von Kryptografie wurde bereits in einem der Vorgängerdokumente die Überlegung ventiliert, dass es ratsam kein könnte, dafür auch technische Experten zu konsultieren. Als Auflage kam dazu, dass dafür nur "echte Techniker mit profunder Fachexpertise" infrage kämen. Nicht, dass man an Techniker gerät, die über ein Sensorium für Datenschutz und Bürgerrechte verfügen.

Das Ratsdokument selbst fasst die abgefragten Prioritäten der Strafverfolger aus mehreren EU-Staaten zusammen. Deutschland ist in dieser Runde ebenso wenig vertreten wie Österreich, zumal ja beide Staaten auf "Quick Freeze" setzen. Bei diesem Verfahren werden nicht alle (Meta-)Daten von allen Kommunikationsteilnehmern vorab und anlasslos gespeichert. Vielmehr wird im Fall von Ermittlungen der Datenverkehr eines Accounts, mit dem einer Straftat in Verbindung gebracht wird, für die Strafverfolger "eingefroren".

Was in den übrigen 14 Mitgliedsstaaten an neuen Features zur Überwachung gewollt und praktiziert wird, ist offenbar nirgendwo konsolidiert festgehalten. Auch den Delegationen aus den zehn Teilnehmerstaaten dieser Umfrage des Rats – unter anderen Frankreich, Belgien, alle drei baltischen Staaten und Polen – ist untereinander erklärtermaßen nicht bekannt, welche Regelungen zur Datenspeicherung für Strafverfolger in den anderen Staaten aktuell gelten.

Deshalb besteht das Dokument de facto nur aus den Wunschlisten jener nationalen Strafverfolger, denen der Datenertrag aus dem "Quick Freeze"-Verfahren nicht genügt. Mehrere Delegationen hatten deshalb vorgeschlagen, erst einmal den Status Quo zu klären. Damit ist klar, dass diese neue Ratsinitiative zur Vorratsdatenspeicherung noch ganz an ihrem Anfang steht.

Da das Ratsdokument nicht öffentlich zur Verfügung steht, wird es für einschlägig Interessierte hier temporär zur Verfügung gestellt.

(vbr)