ACTA: Anti-Piraterie-Abkommen bleibt Verschlusssache

Ein ausgewählter Expertenkreis durfte die neuen, internetrelevanten Teile des geplanten multinationalen Abkommens einsehen und kommentieren, mussten sich aber schriftlich zu Stillschweigen über den Inhalt verpflichten.

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Von
  • Monika Ermert

In den Verhandlungen zum geplanten multinationalen Anti-Piraterie-Abkommen (Anti-Counterfeiting Trade Agreement, ACTA) zwischen den USA, der EU, Japan und acht weiteren Regierungen geht es wie erwartet nun auch um die grenzübergreifende Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen im Internet. Laut der vergangene Woche veröffentlichten vorläufigen Tagesordnung (PDF-Datei) für die Verhandlungsrunde Anfang November in der koreanischen Hauptstadt Seoul soll es um die "Strafverfolgung in der digitalen Welt" gehen. Auch auf der Agenda für Seoul steht der Tagesordnungspunkt "Transparenz". In dieser Disziplin haben die ACTA-Länder bisher allerdings nicht überzeugen können: Die Verhandlungen finden weiter hinter verschlossenen Türen statt, Ergebnisse werden strikt unter Verschluss gehalten.

Das Büro des US-Handelsbeauftragten (USTR) hat nun einige wenige Parteien eingeladen, den internetrelevanten Teil des Abkommens zu kommentieren. Die Liste der eingeladenen 42 Unternehmen und Interessenvertreter hat die US-Organisation Knowledge Ecology International (KEI) veröffentlicht. Damit kam das USTR den Forderungen nach mehr Transparenz ein bisschen nach und lud mit Google, Dell, Intel und Verizon auch jene Unternehmen ein, die vor den negativen Folgen des Abkommens für die Internetwirtschaft gewarnt hatten. Auch Vertreter der kritischen Nichtregierungsorganisationen Center for Democracy and Technolgy (CDT) und Public Knowledge, wurden gehört.

Mehr Transparenz bringe diese Aktion nicht, kritisierte KEI. Die Geheimniskrämerei geht ungebrochen weiter: Die handverlesenen Experten mussten sich schriftlich verpflichten, Stillschweigen über den Stand der Verhandlungen zu bewahren. Damit werde noch nicht einmal der Anschein von Transparenz gewahrt, heißt es in einer Stellungnahme von KEI. "Das Weiße Haus muss die ACTA-Texte öffentlich machen, sodass jeder sie lesen und frei darüber sprechen kann", fordert die Organisation. Das haben bis vor Kurzem auch noch einige der jetzt als ACTA-Kommentatoren geladenen Unternehmen gefordert.

Auch Vertreter der beiden beteiligten Nichtregierungsorganisationen äußerten sich gegenüber heise online kritisch. Art Brodsky von Public Knowledge wies auf die mangelnde Ausgewogenheit der konsultierten Gruppe hin, in der die Industrie dominiere. "Während wir nur Teile des Vertragstextes zu sehen bekamen, wurde die Industrie in alles eingeweiht", monierte Brodsky. Public Knowledge sei nicht einmal eine Abschrift der zu kommentierenden Textstellen überlassen worden. "Wir haben die Einladung akzeptiert, weil wir uns davon bessere Informationen für unser eigenes Handeln versprachen", rechtfertigt Brodsky die Teilnahme. "Besser zu wissen, was passiert, als im Dunkeln zu tappen. Wir sind allerdings nach wie vor der Meinung, dass das Verfahren viel zu verschlossen abläuft."

Aus Sicht von Public Knowledge ist die größte Gefahr, dass das Abkommen heimlich verabschiedet wird. Ähnlich äußerte sich auch David Sohn, der für CDT an der Konsultation teilnahm. CDT plädiere dafür, den hoch umstrittenen Internet-Teil erst einmal aus dem Abkommen herauszunehmen. Zudem warnte der CDT-Vertreter, die kleine Auswahl der Eingeweihten lasse keine sorgfältige Prüfung zu. "Eine sorgfältige Prüfung wäre aber hier besonders wichtig, denn komplizierte Fragen des geistigen Eigentums können Informationsfreiheit und Innovation beeinflussen", erklärte Sohn. "Normale Unternehmen und Verbraucher" könnten "in vielerlei Weise in schwierige Streitereien um das geistige Eigentum hineingezogen werden", fürchtet Sohn. Die ACTA-Bestimmungen würden nicht nur "Piraten", sondern auch normale Nutzer zu spüren bekommen. (vbr)