CCC-Sommercamp: Houyhnhnms bleiben, Yahoos ziehen weiter

1850 Besucher zählten die Veranstalter, was sich für den CCC zu einem finanziellen Malus summiert; an den letzten beiden Tagen gab es unter anderem Vorträge zu Mobilfunksicherheit und von Stop1984 zu Datenschutz.

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Von
  • Detlef Borchers

Bald kehrt wieder Ruhe ein auf dem Paulshof bei Altlandsberg. Die Pferde nehmen ihre Koppel wieder in Besitz und Altlandsbergs Störche werden wieder die Attraktion der Stadt sein, nicht die Camperhorden, die den örtlichen Supermarkt leerkaufen. Die "Grünen", wie die Einheimischen die Dauerbesucher des CCC-Camps nach der Farbe ihrer Einlassbinde tauften, sind weg. "This is a horse's place. So please leave the space as you would like it if you were a horse", so lautete die Goldene Camp-Regel Nr. 1. Was werden die Pferde denken, wenn sie eine der Linux-Distributionen auf CD finden, mit denen stolpergefährliche Zeltschnüre markiert wurden? Die Houyhnhnms, die weisen Pferde aus Gullivers Reisen, wussten schon immer, dass die Yahoos den letzten Dreck zurücklassen. Doch die meisten Besucher des Sommercamps sind sehr diszipliniert und handeln, als ob die Equinitas wie die Humanitas bei ihnen zur Natur gehört: Die Pferdekoppel wird sauber hinterlassen.

1850 Besucher zählten die Veranstalter des Sommercamps, was sich damit wie beim ersten Camp für den CCC zu einem finanziellen Malus summiert. Trotz einiger Ausraster von erhitzten Betrunkenen gab es keine nennenswerten Zwischenfälle, sieht man von etwa 250 Einsätzen der Sanitäter ab, die allesamt auf Dehydration zurückzuführen waren. Auch wenn ein Biometrie-Bericht den auf der Campsite stehenden Server in die Knie zwang, konnte sich die Netzanbindung sehen lassen: nach Angaben des Veranstalters wurden pro Tag im Schnitt 700 GByte ausgehende und 300 GByte eingehende Datenströme gemessen. Ausnehmend freundlich wurde die nicht gesondert gekennzeichnete Presse empfangen, dies im Unterschied zu den regulären Treffen des CCC zwischen den Jahren. Spektakuläre Hacks gab es offenbar keine, dafür war es viel zu heiß. Ob die gerne zitierten Schlapphüte vom Camp profitierten, darüber wurde noch vor Ort ausgiebig gestritten: Ein etwas älterer Laptop mit einer kryptoanalytischen Diplomarbeit wurde gestohlen. Was die einen als simplen Klau abbuchten, sahen Vertreter des CCC als Beweis für die Arbeit von Geheimdiensten auf dem Camp. Diese Logik hat insofern einen Haken, als dass Diplomarbeiten veröffentlicht werden und ohne kriminellen Aufwand zu beschaffen sind. Sollte der gemeine Dieb heise online lesen: Bitte die CD an den Eigentümer schicken, sie enthält das frisch gebrannte Backup der Diplomarbeit.

An den letzten beiden Tagen hatte das gut dokumentierte Sommercamp überwiegend Vorträge zu bieten, die bereits auf anderen Veranstaltungen zu hören waren. Brechend voll wurde es immer dann in beiden Vortragszelten, wenn es konkreter über das Hacken ging, etwa der kreative Umgang mit Embedded Java auf einem HP-Drucker. In einem vollgestopften Vortrag über mobile Hacker-Tools erinnerte der momentan bei der Sicherheitstsfirma @Stake arbeitende Ollie Whitehouse daran, wie ungeschützt im Mobilfunkbereich vor allem die GPRS- und WAP-Installationen der TK-Provider sind. Gerade weil diese Firmen sich an das schwache Prinzip der "Security by Obscurity" halten, prophezeite Whitehouse dem kommenden Mobilfunkstandard UMTS ein Sicherheitsdesaster. Aus dem Rahmen fiel der aus dem Stegreif gehaltene Vortrag von Twister über die Initiative Stop1984, die weniger mit Hackerfragen denn mit allgemeinem Datenschutz beschäftigt ist. Die Vorsitzende der Initiative skizzierte das Dilemma einer Gruppe, die dem Staate misstraut, sich aber auch nicht als klassische Datenschutzlobby aufführen will, die an die Politik appelliert. Es sei Aufgabe wacher Politiker, die Themen zum Datenschutz und zur ausufernden Videoüberwachung ernst zu nehmen, ohne dass man ständig auf sie hinweisen müsste. Das Idealbild einer demokratischen Politik wurde im Anschluss an den Vortrag ausgiebig diskutiert.

Diskutieren wird der CCC, ob angesichts der finanziellen Einbußen in vier Jahren wieder ein Sommercamp stattfinden kann. Das nächste Camp dieser Art soll 2005 in Holland stattfinden -- auffällig viele Teilnehmer des CCC-Sommercamps trugen T-Shirts der HAL 2001 und von der HIP 97. Etliche kannten sich vom Campen im nasskühlen Enschede. Ein Vergleich zwischen beiden Veranstaltungen ist auf der logistischen Ebene etwas unfair: Die Veranstalter der HAL 2001 konnten auf die Infrastruktur der Universität (Duschen, Hörsäle, Netzanbindung) zurückgreifen, die Veranstalter des Sommercamps mussten alles auf die Koppel schleppen, was hackende Yahoos so brauchen. Thematisch gesehen ist die holländische Veranstaltungsreihe viel breiter angelegt und wird darum von Gruppen wie etwa Indymedia genutzt, die nicht nur den Computer im Blick haben. Der Rest, das sommerliche Zusammenhocken und Kennenlernen im Clan von Gleichgesinnten, ist hüben wie drüben gleich.

Zum CCC-Sommercamp siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)