4W

Was war. Was wird.

Was haben wir gehofft, und nun? Müde Witze. Und Hal Faber meint nicht den gerade ausgehandelten Koalitionsvertrag. Da ist der Zoff zwischen Ex- und Inkludisten weit erheiternder.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 45 Kommentare lesen
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Willkommen, willkommen, in der norddeutschen Tiefebene! Verglichen mit anderen Teilen Deutschlands sind wir rund um Hannover bekanntlich mantamäßig tief gelegen. Nur 50 Meter runter und das Wasser plätschert wie unser neuer Gesundheitsminister Philipp "Augenarzt" Rösler, auch er ein waschechter Hannoveraner. Das hat auch seine Vorteile: Hier sind wir, die Heisefans und Heisetrolle, die in der Wikipedia gerade als geistige Einzeller bezeichnet werden, ganz unter uns. Man könnte es ein Klärbecken nennen, wie es eines bei meiner dreigeteilten Hauskläranlage gibt: Eine große braune Masse schwimmt im ersten Becken, dazwischen quirlt unablässig ein lustiger roter Propeller herum. Das ist der Bakterien-Animator. Nicht viel anders verhält es sich mit der gewirbelten Scheiße, mit der in der Wikipedia Fefes Blog gerade von Animatoren auf Relevanz abgegrast wird, komplett mit strafrechtlichen Androhungen durch 'liberale Humanisten', die im Rest der Wikipedia den, dessen Namen nicht genannt werden darf, löschen. Freiheit ist immer die Freiheit des anders Löschenden.

*** Wo die Wildschütz-Kugeln der Intoleranz geladen werden, darf der Disclaimer natürlich nicht fehlen, gerade heute, wo die Uhren gleich still stehen werden, während die Links unruhig rascheln: Diese kleine Wochenschau ist zum 500. Jubiläum vom grundüblen Fefe mitgestaltet worden hat sich einmal am allseits bekannten Fefe-Format versucht und ist damit alles andere als NPschnüV, von Relevanz ganz zu schweigen. So ein Disclaimer funktioniert auch andersrum, denn für eine erste Orientierung im Meer der Irrelevanz sind sie alle ganz brauchbar, diese Forenwikis, Wikipedias, Camelopedias, Stupidedias, Uncyclopedias und Deletionpedias, bis hin zum Müll von Marjorie oder dem jeden Manta fernen Citizendium. Nehmen wir nur den Geburtstag des großartigen Kolumnisten und Wissenschaftsautors Martin Gardner diese Woche, so bietet schon die deutsche Wikipedia eine ansprechende Zusammenfassung, von der ziemlich bösartigen Einordnung des Kollegen als "Unterhaltungsmathematiker" einmal abgesehen.

*** So eine erste Orientierung hat schon Vorteile, wie ein Blick auf die Wannsee-Konferenz zeigt. Sie nimmt die aktuelle Ausgabe des Testmagazins Facts zum Aufhänger, um ein Konferenzsystem von Philips vorzustellen. Allerdings gilt journalistisch auch die eiserne Regel 3 der tapferen Rechercheure: immer auf die Diskussionsseite gehen und sich die Versionsgeschichte anschauen. Solche Dimension, gewissermaßen auffaltbare Zusatz-Tiefebenen, die wünscht man sich auch für andere Dinge wie den unflätigen Gedanken eines Sarazenen, die jetzt, von Philoso-Viehtreibern zum geistigen Rübenschwein geadelt, vom Zorn der Wahlgewinnler künden. So bekommen wir die Meritokratie, die wir verdient haben. Nur unsere Super-Nanny bleibt.

*** Willkommen in der schönen neuen Gründerrepublik Deutschland, im Land, in dem sich Bildung endlich wieder lohnen soll, auf dass jeder Mensch so flexibel ist wie das die Politik vorexerziert. Regiert wird wie bei Bayern München, wo Philipp Lahm mal rechts, mal links verteidigt: Der Verteidigungsminister wird Arbeitsminister, der Wirtschaftsminister verteidigt am Hindukusch und der Innenminister bewacht jetzt unsere Banken. Ein krönender Abschluss für einen, dessen Karriere im Finanzamt Freiburg begann. Der Politiker, der am häufigsten die Abschaffung des Entwicklungshilfeministeriums forderte, leitet es jetzt. Wer einen Blick in den Koalitionsvertrag wirft, findet in Zeile 4776 das Leistungsschutzrecht für den Online-Bereich. Was immer jetzt als besondere Online-Verwertungsgesellschaft etabliert wird, sie dürfte eine echte Lachnummer werden, vergleichbar mit dem Metis-Quatsch der VG-Wort. Wenn sich der Frühtau der Pfeilfroschkoalition gelegt hat, wird daraus die VUKPUH werden, die Verlags-Urheberrechts-Kopf-Pauschale-Unzähliger-Holzverarbeiter – und das urgoogle Böse wird nach wie vor indizieren und den jammernden Verlegern Traffic in die Hütte spülen. "Das Internet darf kein urheberrechtsfreier Raum sein" – komplett mit Internetsperren nach dem Vorbild der Gallier, so sieht der Fortschritt aus.

*** Man kann es wahlweise als großen Erfolg sehen oder als liberales Spurenelement, wenn die Internetsperren und das entsprechende Zugangserschwernisgesetz ab Zeile 4380 erst einmal ausgesetzt sind. Wenn sich die Polizeibehörden zusammen mit INHOPE daran machen, Kinderpornographie im Internet zu löschen. Auch die Beschränkung der Vorratsdatenspeicherung in Zeile 4894 auf Fälle der Gefahrenabwehr kann ein großer Erfolg sein oder das letzte liberale Zucken eines Frosches im bekannten Warmwasserglas, unter dem ein Brenner steht. "Gefahr für Leib, Leben und Freiheit" ist eine Formulierung, gegen die die schwammigen Relevanzkriterien der Wikipedia wie harte Messlatten erscheinen. Das Gejammer der polizeilichen Seite, dass nun das Bundeskriminalamt an die Kette gelegt wurde und Terroristen in Deutschland freie Bahn haben, ist Pose. Mit einer kleinen Warnung, dass der nächste Link zum BKA geht, zeigt sich die moderne Behörde, die in dieser Woche erstmals einen Online-Betrüger zum meistgesuchten Verbrecher ausgeschrieben hat. Ja, das ist alles wirklich eine lange Geschichte – und man tut Anat Fort Unrecht, ihr Album damit in Verbindung zu bringen, wenn man auch so melancholisch werden könnte wie die Variationen von "Just Now" klingen.

*** An dieser Stelle ist eine Entschuldigung fällig, verleitete doch der letzte Ausblick auf die Woche den einen oder anderen, sich in einer Übersprungbewegung bei der Wahl zwischen Windows 7 und Ubuntu für den zeitgleich erscheinenden Asterix-Comic zu entscheiden. Entschuldigung, das Heft ist unfassbar Maßen schlecht, mit Witzen über Navis (Normannischer Aquavitstimulierter Verkehrs-Indikator), die es nicht mal in ein Mad-Heft schaffen würden. So bleibt die traurige Tatsache übrig, dass nach der Reise zu den Belgiern wohl kein Asterix-Comics von Format mehr aufschlagen wird.

*** Zum Angriff, zum Angriff: Heute vor 155 Jahren startete der Todesritt der leichten Brigade, den die Asterix-Comics mit stürmenden Galliern gleich mehrfach ironisierten. Die noblen 600, die in die Fänge des Todes einritten, stehen bis heute als Sinnbild für heroische Taten ohne Sinn und Verstand. Mit der Stichwahl in Afghanistan, mit dem neuen Verteidungsminister kommt vielleicht Bewegung in eine verfahrene Situation, die es zu beenden gilt. Möglicherweise startet unter Herrn zu Guttenberg eine neue Eskalationsstufe des Wahnsinns der NetOpFü, komplett mit dem G1 von T-Mobile und der Software RATS, die Kämpfer in einer Buddy-Liste verwaltet. Damit bin ich längst bei ...

Was wird.

... angelangt. Wo bleibt das Positive fragt der geneigte Heise-Einzeller. Ist es mehr als die "zusätzliche" Stunde Schlaf morgen früh? Nunja, mit Bettina Wegner könnte man jetzt singen "Sind so kleine Schritte, mit kleinen Füßen dran". Wie wäre es ganz zwei-nullich mit dem "operativen Programm Innenstadt" und der ersten Speakers' Corner, die in Essen entstanden ist, mit freier Rede für Jedermann, unterstützt vom Internet? Ojemineh, bildet sich da etwa ein rechtsfreier Raum auf Essens Straßen? Nunja, die Macher kommen von der Angezogen-Sauna, deren Effekt nicht gefunden werden konnte. Sie müssen noch ein bisschen optimieren.

Und übrigens, noch was: Nein, die Fortsetzung von Winnie der Puh war eine Enttäuschung, Asterix war, wie erwähnt, mau und das, was Eoin Colfer da als Anhalter-Epopoe geschrieben hat, ist medioker, um es nett zu sagen. (jk)