Zeitsprung

Satire ist dann richtig gut, wenn einem beim Lesen ganz kurz das Herz stockt - oder wenn sie von der Realität überholt wird. Im Sinne dieser Definition darf ich nun einen vollen Erfolg melden.

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Satire ist dann richtig gut, wenn einem beim Lesen ganz kurz das Herz stockt – oder wenn sie von der Realität überholt wird. Im Sinne dieser Definition darf ich nun einen vollen Erfolg melden: Nach einer Diskussion über Sinn und Unsinn der Sommerzeit hatte der Kollege Gregor Honsel im März 2008 einen Blog-Eintrag geschrieben, in dem er die Abschaffung der Winterzeit gefordert hat.

Nun habe ich gelernt: Die FDP will ihre Regierungsbeteiligung nutzen, genau das umzusetzen. Die Abschaffung der Winterzeit durch die permanente Einführung der Sommerzeit. Das ist kein Scherz, sondern erklärter politischer Wille – auch wenn der Unterschied zwischen diesen beiden Dingen nicht immer leicht auszumachen ist.



Die Argumentation der Liberalen ist der des Kollegen Honsel verblüffend ähnlich: Wenn wir die Uhr eine Stunde nach vorne stellen, ist es abends länger hell. Das bringt mehr Lebensqualität, vor allem für Menschen, die ihre Freizeit gerne im Freien verbringen. Also sollten wir einfach dabei bleiben, und den Unfug mit der Rückstellung der Uhren lassen. Der revolutionäre Vorschlag bringt uns im wahrsten Sinne des Wortes nach vorne. Oder nach Osten – dem Morgenrot entgegen sozusagen.

Weil wir anerkanntermaßen Experten für innovative Ideen sind – zumindest werden wir mit einer Menge solcher Ideen konfrontiert –, erlaube ich mir an dieser Stelle einen innovativen Vorschlag einzuwerfen: Wenn wir schon beschließen, uns dem Terror des Sonnenstandes nicht mehr zu beugen, dann bitte doch gleich richtig. Chronobiologisch ticken die meisten Menschen nämlich in einem Rhytmus, der irgendwo zwischen 26 und 28 Stunden liegt. Führen wir also den 26 Stunden-Tag ein! Das hat eine Menge Vorteile: Man kriegt nicht nur mehr Arbeit in einem Tag unter. Da es sehr wahrscheinlich ist, dass der Rest der Welt zunächst am wissenschaftlich überholten 24-Stunden-Tag festhalten wird, würden wir im Laufe der Zeit sozusagen durch alle Zeitzonen der Welt durchrotieren – das könnte sich im Zeitalter der Globalisierung als nicht zu vernachlässigender Wettbewerbsvorteil erweisen.

Mehr noch: Spinnen wir den Gedanken so richtig zu Ende, könnte man den Strafvollzug mit echten „Zeitstrafen“ grundlegend reformieren. Leichte Delikte würden dann mit, sagen wir mal, einem Zeitversatz von 15 Minuten geahndet – der Delinquent lebt während der Strafverbüßung eine Viertelstunde hinter der gesellschaftlich üblichen Zeit. Stellen Sie sich das mal vor – abschreckend gell? Mal schauen, wie lange es dauert, bis auch dieser Vorschlag in einem Parteiprogramm auftaucht. (wst)