IFA

Tobit: "Gefährlicher als Napster"

Der Hersteller von Kommunikationsservern bringt mit "ClipInc" eine kostenlose Software heraus, die aus dem Radio mitgeschnittene Sendungen automatisch in einzelne Songs zerlegt, in MP3 umwandelt und mit ID3-Tags versieht.

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Von
  • Volker Zota

Unter der Überschrift "Gefährlicher als Napster" trägt der Hersteller von Kommunikationsservern Tobit dick auf: "Gerade noch feiert die Musikindustrie die Verabschiedung des neuen Urheberrechtes, nach dem das Tauschen von Musik in so genannten File-Sharing-Netzwerken unter Strafe gestellt wird, da zieht aus einem kleinen Ort im westlichen Münsterland schon wieder Gefahr auf: Tobit ClipInc." Hinter den starken Worten steckt eine Neuvorstellung von Tobit auf der IFA: Die kostenlose Software ClipInc zerlegt aus dem Radio mitgeschnittene Sendungen automatisch in einzelne Songs, wandelt sie in MP3 um und versieht sie mit ID3-Tags -- ganz legal, meint Tobit. Denn immerhin bekommt jeder Radiohörer die Musik frei Haus und darf diese -- sofern er GEZ-Gebühren zahlt -- legal mitschneiden, so das Argument von Tobits Pressesprecher Dieter van Acken.

Seiner Meinung nach ist der "ganze Kleinkrieg zwischen der Musikindustrie auf der einen Seite und den Musiktauschbörsen und ihren Nutzern auf der anderen Seite im Grunde vollkommen müßig". Es sei überhaupt nicht notwendig, sich Musik irgendwo herunterzuladen oder gar jetzt 99 Cent pro Song zu bezahlen. Die "neue Bedrohung für BMG, EMI & Co." heiße Tobit, meint van Acken.

Was indes natürlich nicht ganz stimmt: Während man bei kommerziellen Musikdiensten (und auch bei Tauschbörsen) in der Regel unter bis zu 250.000 Titeln wählen kann und diese innerhalb von wenigen Minuten auf der heimischen Platte landen, muss man beim Mitschneiden des Radioprogramms lange -- wenn nicht gar vergeblich -- darauf warten, bis ein bestimmter Song gespielt wird.

Der eigentliche Clou von ClipInc besteht nicht etwa darin, dass man nun Radiosendungen digital aufzeichnen kann -- diese Fähigkeit ist schließlich ein alter Hut. Vielmehr will Tobit den Komfort bei dieser Funktion entscheidend erhöhen. Denn wer hat schon Lust, die aufgezeichnete Sendung eigenhändig in einzelne Songs zu zerlegen und mit Namen (beziehungsweise im Falle von MP3s ID3-Tags) zu versehen. Das übernimmt die ClipInc, indem es aus dem Internet "Stream Tags" für den jeweiligen Sender und Sendezeitraum bezieht und den Vorgang automatisiert.

Ein ähnliches Verfahren nutzt bereits Tobits für den Heimbedarf abgespeckter Kommunikationsserver David Home, um automatisch Werbeblöcke bei mit dem PC aufgenommenen TV-Sendungen zu überspringen. Bei David Home sorgt eine eigene Redaktion für die Stream Tags, beim ClipInc. sollen die Nutzer selbst die Tags auf einem Server hinterlegen. Die Software soll pünktlich zu Beginn der Internationalen Funkausstellung am 29. August zum Download bereit stehen.

Wer sich nun des Eindrucks nicht erwehren kann, ein Déjà vu zu haben, kann beruhigt sein. Tatsächlich ist Tobits Idee nämlich keineswegs neu. Die in Karlsruhe ansässige Firma RapidSolutions bietet mit air2mp3 schon längere Zeit einen ähnlichen Service an. Einziger Unterschied: Statt auf Radiosendungen konzentriert man sich dort auf TV-Musiksender wie VIVA und MTV. Denn diese haben einen großen Vorteil gegenüber Radiosendern: Die Songs beziehungsweise Videos werden in der Regel komplett ausgespielt, während es bei Radiomoderatoren leider seit einigen Jahren üblich geworden ist, in die Lieder hineinzuquatschen. (vza)