Neckermann: Letzte Hoffnung Internet

Einer "Heuschrecke" verdankt der traditionsreiche Versandhändler, dass er jetzt nicht im Strudel der Arcandor-Insolvenz untergeht. Doch auch Neckermann steht vor Herausforderungen, seine Hoffnungen setzt das Unternehmen auf den Onlinehandel.

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Von
  • Christian Ebner
  • dpa

Der Neckermann-Aufsichtsrat und Logistik-Betriebsrat Thomas Schmidt seufzt hörbar auf: "Wenn wir uns nicht von Arcandor gelöst hätten, wären wir heute genauso platt wie Quelle." Niemals hätte er erwartet, dass er noch einmal froh sein würde über den Einstieg einer sogenannten "Heuschrecke" in sein Traditionsunternehmen, den Frankfurter Neckermann-Versand. Doch der US-Investor Sun Capital hat es ermöglicht, dass der seit Jahren gebeutelte Versandhändler überhaupt noch eine Zukunft planen kann.

Die liegt nach Überzeugung des vor wenigen Monaten neu eingesetzten Managements eindeutig im Online-Handel, der heute schon 60 Prozent des Umsatzes von rund 750 Millionen Euro in Deutschland ausmacht. In drei Jahren will Vorstandschef Henning Koopmann aus den jährlichen Millionenverlusten eine schwarze Null beim Ergebnis machen, der Online-Anteil soll auf etwa 80 Prozent steigen.

Zwar ist Neckermann.de bereits vor 14 Jahren in das Internetgeschäft eingestiegen, hat es aber lange als nur zusätzlichen Bestellkanal unterschätzt. Auf die ständige Preistransparenz der Konkurrenz und die flexiblen Internet-Plattformen von Amazon und Co. hatte man nur wenige Antworten im Einkauf und beim Marketing. Das soll sich ziemlich schnell ändern, verspricht das neue Management, das vor allem in das IT-System investieren will. Von der früheren Mutter Arcandor habe man sich in dieser Hinsicht bereits erfolgreich abgekoppelt. Bis vor wenigen Wochen konnte man bei Neckermann nicht mit Kreditkarte bezahlen, das im Netz beliebte Bezahlsystem Paypal soll jetzt folgen.

Von der alten Herrlichkeit mit dem Slogan "Neckermann machts möglich" ist in dem großen Gebäudekomplex, der längst nicht mehr der Firma gehört, nicht viel übrig. Mehr als die Hälfte der europaweit 4300 Neckermann-Beschäftigten arbeitet hier, hat mehrere Runden Lohnverzicht und Stellenabbau hinter sich. So an die 30 Vorstände habe er seit 2001 erlebt, erzählt Betriebsrat Schmidt. Da fehle manchen die Zuversicht, dass die jeweils aktuelle Mannschaft das Ruder herumwerfen kann. Die vorletzte Vorstandsriege wollte Neckermann selbst übernehmen, biss dabei aber beim Mehrheitseigner Sun auf Granit. Ihren Nachfolgern hinterließen die Manager einen Umsatzeinbruch von 820 auf 747 Millionen Euro in diesem Jahr.

Noch ungeklärt ist die Zukunft des Minderheitsanteils von 49 Prozent, den die insolvente Arcandor-Tochter Primondo an Neckermann hält. Nach Angaben des Insolvenzverwalters Hubert Görg hat der Pensionsfonds von Karstadt-Quelle die Finger darauf, so dass ein Teilverkauf des Ex-Konkurrenten letztlich den gebeutelten Quelle- Arbeitern zugutekommen könnte.

Aktuell profitiert Neckermann sogar von der Pleite der lange Jahre erfolgreicheren Konkurrenz. Der frühere Quelle-Manager Koopmann vermeidet aber sorgsam jeden Anflug von Häme oder Kritik in Richtung Fürth. "Quelle ist in den Gesamtstrudel von Arcandor gezogen worden und dann war kein Geld mehr da. Da konnten viele tolle Sachen nicht mehr zu Ende geführt werden." Es hätte auch ihn treffen können, meint er wohl.

Hauptproblem der Neckermänner im eigenen Geschäft ist der immer noch gewichtige Katalog, der das Unternehmen einst groß gemacht hat. Zweimal im Jahr wird er immer noch an die Kundschaft verschickt in einer Auflage von 4,2 Millionen Stück. Die Kosten habe man auf die Hälfte gedrückt, sagt der Vorstand, ohne die exakte Summe zu nennen. Allerdings ist die zumeist ältere Katalogkundschaft weniger zahlungskräftig als die Online-Kunden.

Die nächste Katalogausgabe für Frühjahr/Sommer 2010 werde in jedem Fall erscheinen, sagt Koopmann. Man werde für beide Zielgruppen unterschiedliche Angebote machen und sich auf die Kernsortimente Möbel, Mode und Technik konzentrieren. Nebenartikel könnten gut auch an Partner übergeben werden, die über die Neckermann-Plattform ihre Produkte anbieten. 80 solcher Unternehmen sind bereits an Bord, weitere sollen Schlange stehen für die Internet-Strategie der bundesdeutschen Legende Neckermann.

(vbr)