WIPO erörtert Kosten und Nutzen der "Piraterie"-Bekämpfung

Wem nutzt eine schärfere Gangart gegen Produkt-Piraterie und Fälscher? Die World Intellectual Property Organisation bemüht sich um eine differenzierte Betrachtung unter Einbeziehung der Perspektive ärmerer Länder.

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Von
  • Monika Ermert

Mit Kosten und Nutzen einer schärferen Gangart gegen Produktpiraten und Fälscher beschäftigte sich in dieser Woche der zuständige Ausschuss der World Intellectual Property Organisation (WIPO) in Genf. Dabei will die WIPO insbesondere die Perspektive ärmerer Länder berücksichtigen; eine differenzierte Kosten-Nutzenanalyse der Piratenjagd hatten sich die Mitgliedsstaaten in ihrer "Entwicklungspolitischen Agenda" verordnet.

Eine härtere Durchsetzung von Ansprüchen auf geistiges Eigentum (Intellectual Property, IP) wirkt sich gesamtwirtschaftlich gesehen nicht zwangsläufig positiv aus, schreibt Carsten Fink, seit kurzem WIPO-Chefökonom, in seinem Beitrag (PDF-Datei) zur Sitzung des Ausschusses. Insbesondere bei Software, PC-Spielen oder digitalen Medieninhalten profitiere die Wirtschaft unter anderem von Netzwerkeffekten und wachsender Nachfrage verbundener Produkte.

In dem ausführlichen Papier, das Fink noch vor seiner Anstellung bei der WIPO geschrieben hat, nennt er die wirtschaftlichen Effekte einer verschärften Verfolgung "ungewiss". Im Sonderfall Software profitieren nach Finks Meinung Unternehmen und deren zahlende Kunden, wenn sich Programme weit verbreiten, auch wenn es sich um geklaute Kopien handelt. Bei Musik und Filmen profitierten etwa diejenigen, die Abspielgeräte herstellen. Fink macht darauf aufmerksam, dass jeweils viele Faktoren für das Gesamtergebnis zu berücksichtigen seien: lokale Situation, Branche, Ziele der Kunden.

Positive Effekte sieht der Ökonom nur in der Beseitigung irreführender oder gefährlicher Produkte, etwa gefälschter Medikamente. Davon profitierten auch Gesellschaften in ärmeren Ländern unmittelbar, was wiederum die Verwendung knapper Staatsmittel rechtfertige. Das sei im Falle des Kampfs gegen gefälschte Markenkleidung oder kopierte Musik aus Sicht eines ärmeren Landes eben nicht so offensichtlich. Denn da nutzt der Anti-Pirateriekampf erst einmal ausländischen Unternehmen, während lokal Arbeitsplätze verloren gehen — auch wenn die von der Piraterie abhingen. Fink bezweifelt zudem die gängige Rechnung, dass jede verhinderte Raubkopie als verkauftes Exemplar die Kassen des Rechteinhabers klingeln lasse. Zahlen zu angeblichen Verlusten, die darauf beruhten, seien eher Mutmaßungen.

Unilevers Vice President Richard Heath verwies für die Rechteinhaber darauf, die Unternehmen könnten das Geld, das sie derzeit für den Anti-Pirateriekampf aufwenden, ansonsten in soziale Projekte stecken. Heath machte die alt bekannte Rechnung von der Vernichtung der Arbeitsplätze auf: 18 Millionen lebten in den USA vom geistigen Eigentum, 40 Prozent der wirtschaftlichen Aktivität basiere darauf. Sisule Musungu, Chef der Forschungs- und Entwicklungs-Organisation IQsensato, warnte andererseits vor dem möglichen Missbrauch von Durchsetzungsmaßnahmen und verwies auf eine Studie der EU-Kommission zur nachlassenden Innovationskraft im pharmazeutischen Bereich. Die Studie habe klar ergeben, dass Rechteinhaber das System durch Fortsetzungs-Patentierungen oder abschreckende Prozesse blockierten.

Während die WIPO sich um eine differenziertere Betrachtung bemüht, wird an anderer Stelle längst über eine härtere Gangart gegen Piraten und Fälscher verhandelt, etwa in den geheimen diplomatischen Verhandlungen zum Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA). Ob die Verhandelnden dort sich noch die Zeit nehmen für differenzierte Betrachtung zur Nutzen-Kosten-Analyse aller, bleibt abzuwarten. (vbr)