Keine Freaks und Spieler gefragt: Ausbildung in der IT-Branche

Die IT-Branche unterscheidet sich heute nach Meinung von Experten nur noch wenig von anderen Wirtschaftszweigen. Für Absolventen einer Ausbildung hier sehen sie gute Zukunftsaussichten.

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Von
  • Sebastian Knoppik
  • dpa

Gemeinsam Pizza essen statt Betriebskantine, flexible Arbeitszeiten und der Chef als Kumpel: Was zu Zeiten der New Economy manchmal Realität gewesen sein mag, ist längst nicht viel mehr als ein überholtes Klischee. Die Informations- und Telekommunikationsbranche unterscheidet sich heute nur noch wenig von anderen Wirtschaftszweigen. Auszubildende werden allerdings händeringend gesucht. Wer sich für eine Lehre bei IT-Unternehmen interessiert, sollte sich aber auf hohe Einstellungshürden und große Arbeitsbelastung einstellen.

Allgemein unterscheiden sich Arbeitsplätze in der IT-Branche heute kaum noch von denen anderer Wirtschaftszweige, meint Stephan Pfisterer, Arbeitsmarktexperte beim Branchenverband Bitkom in Berlin. "Es gibt, glaube ich, nicht mehr die IT-Buden, wo die Menschen quasi in den Firmen leben." Eine besondere Unternehmenskultur herrsche vor allem noch bei den Betrieben, die im kreativen Bereich tätig sind.

Allerdings gibt es nach Angaben von Bert Stach, IT-Projektleiter bei der Gewerkschaft Verdi in Berlin, in vielen Unternehmen der Computerbranche auch heute noch recht flache Hierarchien: "Meist wird zielorientiert gearbeitet. Die Mitarbeiter genießen zwar gewisse Freiheiten. Entscheidend ist dann aber, dass ein Projekt zu einem bestimmten Zeitpunkt abgearbeitet ist." Diese Verantwortung verbunden mit festen Terminzielen setze die Mitarbeiter unter starken Druck, meint der Gewerkschaftsfunktionär: "Viele Beschäftigte sprechen aufgrund der hohen Arbeitsbelastung von einer Mühle, aus der sie nicht mehr herauskommen."

Der Bedarf an Nachwuchs ist nach Meinung des Bitkom groß: "Auszubildende werden gesucht. Es ist nicht so, dass das neue Bachelor-Studium dazu geführt hat, dass weniger Auszubildende gebraucht werden", sagt Pfisterer. Vor allem in den großen IT-Zentren wie im Rhein-Main-Gebiet gebe es einen großen Wettbewerb um die besten Köpfe. Inzwischen haben sich innerhalb der IT-Branche verschiedene Ausbildungsberufe herausgebildet, erklärt Gewerkschafter Stach: "Manche sind stark technisch orientiert und haben einen hohen Anteil Theorie – bei anderen Berufsbildern geht es auch um Buchführung, den Kontakt mit dem Kunden oder Marketing." Junge Leute sollten sich daher vorher genau überlegen, welche Richtung sie einschlagen möchten.

Egal für welchen Ausbildungsweg man sich entscheidet: Eine Lehre in der Computerbranche gilt als anspruchsvoll. Nach einer Erhebung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) in Bonn hatten 46,5 Prozent der Ausbildungsanfänger im Jahr 2006 Abitur, 24,6 Prozent konnten einen Realschulabschluss vorweisen. Vor allem gute Leistungen in Mathematik seien notwendig, sagt Stephan Pfisterer.

Natürlich sollten die angehenden Azubis auch Interesse am Computer haben, das über die reine Anwendung hinausgeht, wie Pfisterer erklärt: "Wir suchen nicht die Leute, die virtuos mit der Playstation spielen können." Nach Einschätzung von Bert Stach besteht in der Angleichung von Lehrinhalten in der Berufsschule und dem praktischen Teil im Betrieb noch Optimierungsbedarf: "Es kommt immer wieder vor, dass das, was im Betrieb gelehrt wird, noch nicht in der Berufsschule durchgenommen wurde oder umgekehrt."

Die Bezahlung in der IT-Branche ist im Vergleich zu anderen Lehrberufen recht gut. Nach einer von Verdi aktuell veröffentlichten Studie liegt sie im Durchschnitt bei 722 Euro monatlich im ersten Ausbildungsjahr und bei 947 Euro im vierten Ausbildungsjahr. Noch höher sind die durchschnittlichen Ausbildungsvergütungen bei dualen Studiengängen, bei denen ein Studium mit Praxisanteilen im Unternehmen verknüpft wird: Hier kann man im ersten Studienjahr durchschnittlich 800 Euro verdienen, im dritten sogar 977 Euro.

Experten sehen für Absolventen einer Ausbildung in der IT-Branche gute Zukunftsaussichten: "Wir haben einen sehr hohen Personalbedarf", sagt Personalmanagerin Katrin Grewe vom Internet-Unternehmen Unister in Leipzig: "Deshalb sind wir bestrebt, unsere Azubis zu behalten und ihnen einen nahtlosen Übergang in den Job zu ermöglichen." Es gebe in der Branche in der Regel keine Übernahmegarantie, aber meist eine Übernahmeperspektive, ergänzt Stephan Pfisterer von Bitkom.

Derzeit ist die Entwicklung durch die Wirtschaftskrise zwar gedämpft, wie Pfisterer erklärt: "Wir gehen aber davon aus, dass der Fachkräftemangel wiederkommen wird, sobald die Konjunktur wieder anspringt." Das sieht Bert Stach ähnlich: "Wir leben in einer vernetzten Welt. Der Bedarf an Fachkräften wird weiter zunehmen."

(anw)