"Herzlichen Glückwunsch zur Beförderung, Sie Ärmster!"
Eine Beförderung ist toll, wenn sie nur nicht so krank machen würde. Deshalb: Zu den riesigen Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Oder Sie lesen diesen Beitrag.
APC-Manager Rüdiger Gilbert
(Bild: APC)
Lieber frisch gebackener APC-Vice-President Rüdiger Gilbert,
Sie sind gerade zum neuen Vice President und Deutschland-Chef von APC befördert worden. Klasse! Einerseits. Andererseits: Ist Ihnen eigentlich bewusst, welch hohes Risiko Sie damit eingegangen sind? Ich meine jetzt nicht das Risiko von der Sorte Schleudersitz, also "Je höher man steigt, desto dünner wird die Luft" oder "Wer hoch fliegt, kann tief fallen" und so. Ich meine das gesundheitliche Risiko. Gerade jetzt brachte die Zeitschrift Psychologie heute (Ausgabe 12/09) einen Artikel mit der erschreckenden Schlagzeile "Beförderung: der Sprung in die Depression". Die Zeitschrift beruft sich auf den britischen Wirtschaftspsychologen Christopher Boyce, der 1000 Landsleute über einen Zeitraum von 15 Jahren beobachtet hat. Dabei zeigte sich, dass deren geistige Gesundheit nach einem Karrieresprung durchschnittlich um ganze zehn Prozent abnahm, und das sogar langfrisitg. Die zusätzliche Verantwortung, das Gefühl, sich beweisen zu müssen, führten zu Stress, Angstzuständen und Depressionen. "Beförderungen drücken aufs Gemüt", fasst Boyce seine überraschenden Erkenntnisse zusammen.
Ich geb´s zu: Mich hat diese Meldung nicht überrascht. Ich habe mich sogar selbst schon an dieser Stelle diesem Thema gewidmet, und zwar am 9. Februar dieses Jahres, um genau zu sein. In meiner damaligen Kolumne stellte ich die Frage, ob es sich heute noch lohne, Vorstand oder CEO oder Geschäftsführer zu werden. Schon damals fiel meine Antwort auf diese Frage, mit der sich viele junge Menschen in den Diskotheken, Clubs und Spelunken befassen, eindeutig aus: Nein! Es lohnt sich nicht. Genau genommen lohnt es sich nicht, überhaupt noch irgendetwas zu werden. Schon mal gleich gar nicht unter Gesundheitsaspekten. Man kann es auf einen Nenner bringen: Karriere macht krank.
Wow, das klingt hart. Aber ich denke, ganz so schlimm ist es vielleicht auch wieder nicht, und außerdem gibt es Mittel und Wege, so etwas zu verhindern. Zunächst einmal gilt festzuhalten, dass "sich krank fühlen" und "krank sein" zwei Dinge sind, die nicht unbedingt etwas miteinander zu tun haben. So haben Untersuchungen an Wirtschaftskapitänen ergeben, dass die meisten Manager gar nicht so krank sind wie sie glauben. Sie sind also sozusagen nur "eingebildete Kranke". Überdies möchte ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass andere Studien ganz klar bewiesen haben, dass Besserverdiener länger leben, und das ist doch auch etwas.
Man muss doch auch mal zufrieden sein mit dem, was man hat, oder? Das ist auch eine Frage des Anspruchs. Langes Leben UND Gesundheit ist einfach ein bisschen sehr anspruchsvoll, wenn Sie mich fragen. Auch eine Art von Gier. Gerade Manager haben es ja nicht so mit der Zufriedenheit, und viele sind auch noch stolz darauf. Klingt komisch, ist aber so. Vermutlich ist das auch der Grund dafür, dass gerade die Besserverdienenden unter den Arbeitnehmern – also in der Regel Manager und Führungskräfte – in zunehmendem Maße unzufrieden sind mit ihrem Einkommen. Das hat jedenfalls das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) festgestellt. Und diese Unzufriedenheit, so die Berliner Wissenschaftler weiter, schlage sich negativ auf die Gesundheit nieder. Angestellte, die ihr Gehalt nicht in einem angemessenen Verhältnis zu ihrer Arbeitsleistung sehen, haben mehr krankheitsbedingte Fehltage als andere. Im Schnitt fehlen sie 2,5 Tage länger als Menschen, die kein Problem mit ihrem Einkommen haben. Vermutlicher Krankheitsgrund: Magengeschwür wegen intensiven Sich-Ärgerns. Oder sie haben einfach einen dicken Hals.
Natürlich hat der britische Forscher Joyce Recht, dass vor allem auch die psychische Belastung in höheren Positionen eine wesentliche Ursache für den besorgniserregenden Gesundheitszustand unserer Führungspersonals ist. Doch ein weiterer Grund wird bis heute noch immer nicht hinreichend beachtet, obwohl ich schon öfter nachdrücklich darauf hingewiesen habe. Ich meine das Liebesleben unserer Wirtschaftskapitäne. Das kommt einfach zu kurz. Die deutschen Manager und Managerinnen küssen zu selten und haben zu wenig Sex. Beides aber ist enorm wichtig sowohl für die physische als auch für die psychische Gesundheit und damit die Leistungsfähigkeit auch im Büro und am Verhandlungstisch. Aus diesem Grunde fordere ich ja schon seit langem die steuerliche Abzufähigkeit von Ausgaben für Freundinnen und Geliebte, gerade bei Berufspendlern. Bisher hat sich noch kein Politiker an dieses heiße Eisen herangetraut. Mal sehen, ob unsere neue Bundesregierung mehr Mut hat. Unserem neuen Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle ("Deutschland braucht wieder Wachstum." – großartig!) traue ich in dieser Sache eine Menge zu.
Beste Grüße!
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