Justizministerium weist Bericht über Einigung bei SWIFT zurück

Laut einem Sprecher des Bundesjustizministeriums gibt es noch keine gemeinsame Linie der Bundesregierung zum geplanten Abkommen über den Bankdaten-Transfer in die USA.

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Das Bundesjustizministerium hat einem Bericht widersprochen, wonach Berlin den Weg für das umkämpfte transatlantische Abkommen für den Zugriff von US-Behörden auf Daten des Finanzdienstleisters SWIFT (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) frei gemacht haben soll. Es gebe noch keine gemeinsame Linie der Bundesregierung in der Auseinandersetzung um die Weitergabe europäischer Überweisungsinformationen an die USA, erklärte ein Sprecher von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) am heutigen Mittwochnachmittag gegenüber heise online. An der bekannten kritischen Haltung der Ministerin zu dem Vorhaben habe sich "nichts geändert".

Zuvor hatte das Handelsblatt unter Berufung auf politische Kreise gemeldet, dass sich die Bundesregierung geeinigt habe und eine Enthaltung bei der entscheidenden Abstimmung der Justiz- und Innenminister der EU am kommenden Montag wahrscheinlich sei. Leutheusser-Schnarrenberger habe sich nicht gegen Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) durchsetzen können, der für eine Enthaltung Deutschlands plädiert habe. Ein mögliches Veto der Bundesregierung sei damit vom Tisch. Auch Österreich, Finnland und Frankreich wollten ihren Widerstand aufgeben.

Der liberale Europa-Abgeordnete Alexander Alvaro (FDP) sprach dem (online inzwischen geänderten) Handelsblatt-Bericht zufolge von einer "bitteren Enttäuschung". Das Verhalten de Maizières werde zu einer "Störung des Koalitionsklimas" in Berlin führen, denn sowohl der FDP-Bundesvorstand als auch die FDP-Bundestagsfraktion hätten sich gegen eine Unterzeichnung des Abkommens ausgesprochen. Falls der EU-Ministerrat das SWIFT-Abkommen am Montag tatsächlich unterzeichnen sollte, wäre dies ein "Schlag unter die Gürtellinie" der Abgeordneten: "Das ist keine gute Voraussetzung für die künftige Zusammenarbeit zwischen Parlament und Rat." Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sieht die rechtlichen Einwände gegen Inhalt und Verfahren der bisherigen Verhandlungen gleichfalls nicht ausgeräumt.

Auch Sven Lüders von der Humanistischen Union bezeichnet es als "ungeheuerlich", dass der Rat tatsächlich versuche, das Abkommen "in letzter Minute" noch zu verabschieden. Schon von Dienstag an wäre für die Übereinkunft mit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages eine parlamentarische Beteiligung nötig. Im Koalitionsvertrag von Schwarz-Gelb habe es noch geheißen, man werde sich für einen effektiven Rechtsschutz und klare Regeln zur Datenweitergabe an Drittstaaten einsetzen. Davon sei im SWIFT-Entwurf nichts zu finden. Er sehe etwa vor, dass neben Namen, Anschrift und Kontendaten der Überweisenden und ihrer Zahlungsempfänger auch "andere persönliche Daten" übermittelt werden dürften.

Der rheinland-pfälzische Justizminister Heinz Georg Bamberger (SPD) erhob ebenfalls "erhebliche Bedenken" gegen die Absprachen. Die Länder hätten im Rechtsausschuss des Bundesrates bereits auf Antrag Hamburgs eine kritische Entschließung des EU-Parlaments zu der Angelegenheit mehrheitlich begrüßt und damit die Notwendigkeit der Beachtung verfassungsrechtlicher Gebote unterstrichen. Die Bundesregierung solle dem Abkommen daher nur zustimmen, "wenn der Zweck und die Voraussetzung der Datenübermittlung hinreichend klar festgelegt sind, eine Weitergabe der Daten an Drittländer ausgeschlossen und ein effektiver Rechtsschutz gewährleistet ist". Außerdem sei eine Beteiligung der nationalen Gesetzgebungsorgane erforderlich.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso verteidigte die Vereinbarung dagegen im EU-Parlament. Brüssel und Washington müssten "an einem Strang ziehen, wenn es um die Bekämpfung des Terrorismus geht". Auf Basis der Auswertung von SWIFT-Daten seien die europäischen Behörden in den vergangenen Jahren von den USA über Tausende Verdachtsfälle informiert worden. Dadurch hätten auch konkrete Anschläge verhindert werden können. Sollten die Verhandlungen über das zunächst nur für einen Übergangszeitraum vorgesehene Abkommen scheitern, entstünde eine "gefährliche Sicherheitslücke". Der Kommissionspräsident kündigte an, schon im Januar dem Parlament einen Vorschlag für einen künftigen endgültigen Vertrag über den Austausch von Bankdaten mit den USA vorlegen zu wollen.

Das in Belgien beheimatete SWIFT bündelt Überweisungsdaten von 9000 Banken aus über 200 Ländern. Eingeschlossen sind auch Überweisungen innerhalb der EU und Eilanweisungen innerhalb Deutschlands. Über das Netzwerk werden täglich im Durchschnitt fast 15 Millionen Transaktionen und Transfers mit einem Volumen von etwa 4,8 Billionen Euro abgewickelt. Kritiker der Vereinbarung monieren, dass die sensiblen Informationen für Wirtschaftsspionage missbraucht werden könnten. (vbr)