Zur Übernahme des Systemhauses Becom durch Computacenter

In chaotischen Zeiten gewinnt Solidität wieder an Wert. So zum Beispiel für Becom-Chef Detlef Linde, der froh ist, dem bedrohlichen TDMi-Strudel entkommen zu sein und mit Computacenter "einen soliden Partner" gefunden zu haben.

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Von
  • Damian Sicking

Endlich wieder lachen: Becom-Chef Linde

(Bild: Becom)

Lieber neuer Computacenter-Manager Detlef Linde,

was für ein Jahr geht für Sie und Ihre Mitarbeiter zu Ende! Wahnsinn! Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie in den vergangenen Monaten viele Nächte hatten, in denen Sie sehr schlecht geschlafen hatten. Dabei sah zunächst alles so gut aus. Als Sie im Frühjahr den TDMi-Chefsessel besetzten und die beiden ehemaligen Magirus-Vorstände Axel Feldhoff und Claus Niedworok an Bord holten, schöpften wir Hoffnung, dass bei der TDMi "jetzt alles gut" werde. Und Sie selbst glaubten das ja auch. Zumindest gaben Sie es uns schriftlich, "dass es wenige Unternehmen im Markt gibt, wo sich im positiven Sinne so viel bewegt hat und bewegen wird" wie bei der TDMi. Doch nur kurze Zeit später ging der neue starke Mann an Ihrer Seite, der gerade erst gekommene Axel Feldhoff, schon wieder von Bord, und die Gerüchteküche fing an zu brodeln. Ende Juli dann meldete TDMi für sich und einige Tochtergesellschaften Insolvenz an. Zum 1. Oktober wurde dann das Insolvenzverfahren eröffnet.

Auch für die TDMi-Tochter Becom sah es zwischenzeitlich schlecht aus, die Zukunft schien ungewiss. Schlimmstenfalls drohte das Unternehmen, welches vor 15 Jahren gegründet worden war und sich nach und nach zu einem der Top-IBM-Partner entwickelte, im Strudel des TDMi-Untergangs mit abzusaufen. Doch Sie, lieber Herr Linde, haben es geschafft, Becom vor allem mit Hilfe der Sparkasse Schwerte aus dem TDMi-Trümmerhaufen herauszulösen. Jetzt hat das Unternehmen als Teil der Computacenter AG wieder eine Zukunft – und Sie selbst ebenfalls.

Ich hoffe und wünsche Ihnen, dass Sie jetzt wieder besser schlafen. In einer offiziellen Stellungnahme freuten Sie sich darüber, "dass wir mit Computacenter einen soliden Partner gefunden haben". Ja, solide, das ist in diesen unsoliden Zeiten plötzlich wieder etwas wert. Solidität weiß man erst zu schätzen, wenn man sie nicht mehr hat. Sonst ist sie, nun ja, langweilig. Oder kennen Sie etwas Langweiligeres als – sagen wir mal – ein "solides" Auto? Oder glauben Sie, dass Paris Hilton auf eine Kontaktanzeige antworten würden, in der sich jemand als "solide" bezeichnet? Oder wenn damals Ihr Professor an der Uni Ihre Diplomarbeit oder Ihre Dissertation als "solide" bezeichnet hätte, wären Sie dann stolz darauf gewesen? Eben! Natürlich muss ein Unternehmen solide sein. Aber solide allein ist als Alleinstellungsmerkmal im harten Wettbewerb auf Dauer zu wenig. Naja, ist ein anderes Thema.

Noch eine Bemerkung. Interessant finde ich, dass sich ausgerechnet Computacenter als "Retter" von Becom hervortut. Denn Computacenter ist in den vergangenen Jahren nicht sonderlich durch Übernahmen von Systemhäusern aufgefallen. Wenn ich´s mir recht überlege, wüsste ich nicht, welches Systemhaus Computacenter nach der Großakquisition von Compunet im Jahr 2002 hier in Deutschland überhaupt übernommen hat. Ich glaube, gar keins! Ein interessanter Vorgang: Während man von dem anderen großen Systemhaus in Deutschland, der Bechtle AG, in Sachen Firmenakquisition in diesem Jahr ungewöhnlicherweise gar nichts hört, greift der bisherige Übernahmeabstinenzler Computacenter zu. Auch ein Zeichen dafür, was für ein seltsames und ungewöhnliches Jahr 2009 ist.

Beste Grüße!

Damian Sicking

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