Heimliche Überwachung: Deutlich mehr Funkzellenabfragen, weniger stille SMS

2022 setzte die Bundespolizei in 105 Einsätzen fast doppelt so oft auf die Handy-Rasterfahndung wie 2021. Das BKA versandte 51.950 heimliche SMS.​ ​

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(Bild: Timofeev Vladimir/Shutterstock.com)

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Die Überwachung von Mobiltelefonnutzern mit verdeckten Mitteln durch Strafverfolgungsbehörden des Bundes bleibt auf hohem Niveau. Die Bundespolizei etwa führte im vergangenen Jahr 2022 im Rahmen von strafprozessualen Ermittlungsverfahren in 105 Fällen Funkzellenabfragen durch. Bei dieser umstrittenen Methode werden die Verbindungsdaten aller zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer Funkzelle eingebuchten Handy-Nutzer gespeichert und gerastert. 54 solcher Maßnahmen fanden im ersten, 51 im zweiten Halbjahr statt. 2021 waren es insgesamt nur 55 Fälle. Das Bundeskriminalamt (BKA) führte nur im ersten Halbjahr 2022 eine Funkzellenauswertung durch.

Die Zahlen stammen aus einer jetzt veröffentlichten Antwort der Bundesregierung (PDF) auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag.

Das BKA verschickte demnach im vorigen Jahr in zahlreichen Ermittlungsverfahren und einem Gefahrenabwehrvorgang 51.950 "stille SMS", um Personen zu orten. 2021 waren es noch 68.152. Solche Kurzmitteilungen gehen an die anvisierten Mobiltelefone, werden dort aber nicht angezeigt. Das betroffene Gerät meldet sich aber bei der eingebuchten Funkzelle zurück, erzeugt so auswertbare Verbindungsdaten und verrät Ermittlern den ungefähren Standort der Nutzer, ohne dass sie das mitbekommen.

Die Bundespolizei versandte 2022 in Eigenregie 19.703 dieser "Stealth Pings" in strafprozessualen Ermittlungsverfahren, zudem setzte sie 1360-mal auf externe Dienstleister. In einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe mit der Landespolizei Baden-Württemberg kamen noch einmal 62 hinzu. Dennoch sind es im Vergleich zu 2021 deutlich weniger. Die Beamten der Behörde griffen damals noch 47.951-mal zu diesem Instrument.

Beim Zoll behandelt das federführende Bundesinnenministerium (BMI) die einschlägige Statistik seit 2012 als Verschlusssache. Daran hat sich unter der Ampel-Koalition nichts geändert. Das BMI zeigte sich zwar erneut bereit, eine "abstrahierte Aussage" zu stillen SMS beim Bundesamt für Verfassungsschutz zu übermitteln. Allerdings erfolgte diese nur eingestuft als Verschlusssache "für den Dienstgebrauch". Vor 2019 erreichte der Inlandsgeheimdienst Werte von bis zu 180.000 "Stealth Pings".

IMSI-Catcher brachte die Bundespolizei in 38 Fällen, das BKA "in je einem bereits abgeschlossenen Gefahrenabwehrvorgang und Ermittlungsverfahren" in Stellung, um den Standort eines aktiv geschalteten Mobiltelefons und die Geräte- oder Kartennummer zu ermitteln. Die Vergleichszahlen für 2021 lagen bei 44 beziehungsweise fünf Vorgängen. Die Generalbundesanwaltschaft ordnete ferner im vorigen Jahr in 42 Fällen den Einsatz eines IMSI-Catchers an.

Zudem macht die Bundespolizei im ersten Halbjahr 2022 in einem Verfahren von einem "WLAN-Catcher" Gebrauch. Im zweiten Halbjahr sei das Werkzeug nicht genutzt worden, heißt es. Im Widerspruch dazu spricht das BMI später aber von zwei Maßnahmen der Behörde, von denen insgesamt drei Personen betroffenen gewesen seien.

Wie oft Bundesbehörden Staatstrojaner für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) oder heimliche Online-Durchsuchungen genutzt haben, teilt die Regierung nur in eingestufter Form für den Dienstgebrauch mit.

Außen vor bleiben aber auch dabei die Geheimdienste, da eine Antwort dazu aus Sicherheitsgründen weiterhin nicht möglich sei. Bei der Soft- und Hardware für derlei Zwecke hätten sich gegenüber dem Vorjahr keine Änderungen ergeben. Bekannt ist, dass die Sicherheitsbehörden hier auf Eigenentwicklungen und kommerzielle Spyware wie Pegasus von der NSO Group setzen. Laut der aktuellen amtlichen Statistik für die Bundesländer und den Generalbundesanwalt gab es 2020 dort 25 Anordnungen zur Quellen-TKÜ.

(wre)