Bundestag streitet über Arbeitnehmer-Datenschutz

Die Opposition drängt auf ein rasches eigenständiges Gesetz zur Sicherung der Privatsphäre von Beschäftigten. Die schwarz-gelbe Regierungskoalition will 2010 eine Initiative innerhalb des allgemeinen Datenschutzgesetzes starten: Datenschutz werde ein "Kernthema im Bereich der Innen- und Rechtspolitik" sein.

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Im Bundestag ist ein Streit über den Weg zur Verbesserung des Datenschutzes von Arbeitnehmern entbrannt. "Wir müssen eine Regelung finden", erklärte Michael Frieser im Namen der CDU/CSU-Fraktion am heutigen Donnerstag bei der 1. Lesung des Entwurfs für ein Gesetz zur Sicherung der Privatsphäre von Beschäftigten, den die SPD-Fraktion eingebracht hatte. Das sei Konsens. Alle Parteien seien sich einig, dass es "keine Bespitzelung am Arbeitsplatz" geben dürfe. Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses dürften nur die dafür erforderlichen Daten verarbeitet werden. Der mit der Arbeitgeberseite "unabgestimmte" Vorstoß der Sozialdemokraten, der Notwendigkeiten der Korruptionsbekämpfung außen vor lasse, hätte dem CSU-Politiker zufolge aber "besser ein Ladenhüter bleiben sollen". Mit solchem "Flickwerk" lasse sich "kein Staat machen".

Noch schärfer tat die CDU-Abgeordnete Gitta Connemann die SPD-Initiative als "unausgewogen", "Zerrbild der Wirklichkeit" und "bürokratischen Albtraum" ab. Selbst jedes größere Abgeordnetenbüro müsste demnach einen "Beschäftigten-Datenschutzbeauftragten" einstellen, gab sie zu bedenken. Zugleich sprach sie sich dafür aus, die Recherche von Arbeitgebern in sozialen Netzwerken und den dort von Arbeitnehmern freiwillig zur Verfügung gestellten persönlichen Informationen nicht gänzlich zu untersagen. Stefan Mayer von der CSU gelobte, dass Datenschutz für die schwarz-gelbe Koalition ein "Kernthema im Bereich der Innen- und Rechtspolitik" sein werde. Bei den aufgedeckten Schnüffelfällen etwa bei der Deutschen Bahn und der Telekom oder Lidl habe es sich aber "um einige wenige Ausnahmefälle gehandelt". Man könne deswegen "nicht die deutsche Wirtschaft unter Generalverdacht stellen". Die Regierungsfraktionen pflegten den Grundsatz: "Qualität geht vor Schnelligkeit."

Nicht nur über den Zeitpunkt und die Reichweite eines verbesserten Arbeitnehmer-Datenschutzes, auch über den Ort seiner Verankerung gibt es entgegengesetzte Vorstellungen bei Schwarz-Gelb und der Opposition. Die FDP-Innenpolitikerin Gisela Piltz kündigte an: "Wir werden einen Entwurf im nächsten Jahr vorlegen." Anders als von SPD, Linken und Grünen gefordert, sollten entsprechende Regelungen aber im Rahmen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) und nicht über ein eigenständiges Normenwerk getroffen werden. Dabei müsse der Spagat zwischen dem Schutz von Arbeitnehmerdaten und dem Ziel der Korruptionsaufdeckung hinbekommen werden. Der Liberale Sebastian Blumenthal versprach, dass die FDP sich dem Thema "technisch fundiert" nähern werde. Anders als die SPD könne man nicht so tun, als ob es die Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung durch Telekommunikationsfirmen nicht gebe. Hier sei der anstehende Beschluss des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten.

Für den früheren SPD-Arbeitsminister Olaf Scholz hat "Skandal für Skandal" gelehrt, dass ein besserer Arbeitnehmer-Datenschutz schon "zu spät kommt". Der Union warf er vor, während der Regierungszeit der großen Koalition "nach Telefonanrufen von Wirtschaftsverbänden" immer wieder einen Rückzieher gemacht zu haben. Da sich die Situation der Beschäftigten und ihre Abhängigkeit von Dritten speziell darstelle, sei auch ein eigenes Gesetz erforderlich. Darin müsse festgeschrieben werden, "was gefragt werden darf bei Einstellungen" und was im Arbeitsalltag an Daten erhoben werden könne. Der Missbrauch bei gesundheitlichen Diagnosen sei zu unterbinden, die "allgemeine Fitness" dürfe nicht getestet werden, umriss Scholz die Messlatten der SPD. Eine allgemeine Videoüberwachung am Arbeitsplatz dürfe es nicht geben. Nötig sei eine Klarstellung, dass Telefone privat genutzt werden könnten und die dauerhafte Überwachung von Gesprächen dann nicht mehr fortgesetzt werden dürfe. Weiter müssten Schadensersatzansprüche geschaffen werden.

Auf eine zügige Regelung pochten auch Abgeordnete der Linken. Seit 1986 werde ein entsprechendes Gesetz gefordert, sodass man nicht von einem "Schnellschuss" reden könne, erklärte Jan Korte. Angesichts von Berichten, dass in Firmen "bis in die Umkleidekabinen reingefilmt wird", müssten die Parlamentarier ein deutliches Zeichen setzen, "dass die Persönlichkeitsrechte nicht am Werkstor enden". Die FDP drohe dagegen, die Interessen der Wirtschaftskonzerne "zu exekutieren". Er monierte zugleich, dass es für Hartz-IV-Empfänger bislang "überhaupt keinen Schutz" gebe und diese "sich nackig machen müssen". Kortes Fraktionskollege Klaus Ernst geißelte die etwa "bei Daimler" durchgeführten Bluttests als "modernen Vampirismus".

Der Sprecherin für Arbeitnehmerrechte der Grünen, Beate Müller-Gemmeke, geht der SPD-Entwurf nicht weit genug: "Wir wollen ein Klagerecht für Gewerkschaften", verwies sie auf einen eigenen Antrag (PDF-Datei) der Oppositionspartei. Dieser ziele auf "höhere Bußgelder" und einen Schutz auch für Arbeitssuchende bei der Bundesagentur für Arbeit ab. Der grüne netzpolitische Sprecher Konstantin von Notz fürchtete, dass Schwarz-Gelb die Reform bis zum Sankt Nimmerleinstag verschieben werde. Die "digitale Revolution" zwänge die Politik aber, "jetzt zu handeln". Zugleich verwies er darauf, dass der Staat für die Unternehmen kein gutes Vorbild sei und die Unternehmen anhalte, "Daten massenhaft ohne Verdacht zu speichern". Das weitere Vorgehen wollen die Abgeordneten unter Federführung des Innenausschusses beraten.

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(jk)