Viel Lärm um nichts? Kommentar zum neuen Trademark-Entwurf der Rust Foundation

Der Entwurf neuer Regeln für die Wortmarke und das Logo von Rust versetzt die Community in Aufregung. Zeit, sie zum Guten anzupassen, meint Stefan Baumgartner.

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  • Stefan Baumgartner

Am 7. April hat die Rust Foundation einen Entwurf zur Neuformulierung der Regeln für den Einsatz der Wort- und der Bildmarke Rust vorgelegt und das Internet ist in Rage geraten: "Zu strikt", "zu einschränkend", "nicht im Sinne der Community", "Rust Foundation went Full Oracle" ließen einige verlautbaren. Um es mit den Worten des österreichischen Krimiautors Wolf Haas zu sagen: Jetzt ist schon wieder was passiert!

Ein Kommentar von Stefan Baumgartner

Stefan Baumgartner lebt und arbeitet als Softwarearchitekt und Entwickler bei Dynatrace im österreichischen Linz mit Schwerpunkt auf Webentwicklung, Serverless und Cloud-basierte Architekturen. Für den Smashing Magazine Verlag veröffentlichte er 2020 mit “TypeScript in 50 Lessons” sein zweites Buch, seine Onlinepräsenz fettblog.eu enthält Artikel, Tutorials und Guides zum Thema TypeScript, Rust, React, und Software Engineering im Allgemeinen. Stefan organisiert Meetups und Konferenzen, wie Stahlstadt.js, die DevOne, ScriptConf, Rust Meetup Linz, und das legendäre Technologieplauscherl. Außerdem ist er regelmäßig Gastgeber im Working Draft, dem deutschsprachigen Podcast über Webtechnologien. Wenn noch ein wenig Freizeit bleibt, genießt er italienische Pasta, belgisches Bier und britischen Rock.

Zunächst muss man die Rust Foundation deutlich vom Rust-Projekt unterscheiden. Letzteres besteht aus einer Gruppe Freiwilliger beziehungsweise Personen, die Firmen freiwillig für die Aufgaben bereitstellen, die Programmiersprache und Ökosystem vorantreiben. Dazu gehören Teams, die Compiler, Sprache, Standardbibliothek oder Cargo und Crates.io betreuen, aber auch Arbeitsgruppen, die Features wie asynchroner Programmierung entwickeln.

In den vergangenen Jahren hat sich dabei eines entscheidend geändert: In den Anfängen war das Rust-Projekt ein Open-Source-Projekt von Mozilla. Als Mozilla im August 2020 einem Viertel der Belegschaft gekündigt hatte – und damit auch fast allen, die an Rust arbeiten –, haben die Projektmitglieder und Mozilla die Rust Foundation mit dem Ziel gegründet, das Projekt in rechtlichen und finanziellen Fragen zu unterstützen. Das ist mit der zunehmenden Größe und Reichweite des Projektes absolut nötig. Die Rust Foundation gehören auch die Markenrechte, die sie von Mozilla übernommen hat.

Neu ist die angedachte Formulierung der Nutzungsrichtlinien zur Wort- und der Bildmarke. Bei aller Aufregung muss klargestellt werden, dass die Vorgaben nicht in Stein gemeißelt sind, sondern aktuell als Vorschlag mit ausdrücklicher Bitte zur offenen Review der Community vorliegen. Die Wortbildmarke muss rechtlich geschützt werden, sonst droht dem Projekt, der Foundation, und letztlich allen Entwicklerinnen und Entwicklern, dass eine andere Firma in derselben Branche Rust als Schutzmarke eintragen lässt und alle anderen die Möglichkeit verlieren, diesen Namen oder diese Marke zu nutzen. Man erinnere sich an Apple Records vs Apple Computers und die Einführung des iPod. Es ist zudem erforderlich, die Nutzungsrichtlinien neu zu formulieren. Dass sie bislang salopp waren und Spielraum für Interpretation ließen, könnte mit der steigenden Reichweite und Verbreitung von Rust zu Problemen führen.

Mit ausreichend Kontext sind die Motivation und Hintergründe der neuen Nutzungsrichtlinien durchaus zu verstehen. Dass sich trotzdem so viele aufregen, liegt meines Erachtens liegt das vor allem an zwei Dingen: Zum einen fehlt der Kontext vor allem in Bezug auf einzelne Punkte der Nutzungsrichtlinien und zum anderen sind die Richtlinien zu ambitioniert für das eigene Wohl.

Dazu ein paar Beispiele, die direkt im Wirkungsradius meiner Projekte sind: Die bisherigen Nutzungsrichtlinien erlauben Meetups und User Groups eine ausgesprochen großzügige Verwendung der Wortbildmarke, da sie der Unterstützung des Projektes dient. Eine andere Richtlinie allerdings untersagt die Verwendung des Begriffs "Rust" in Domainnamen, was uns als Meetup-Organisationsteam in die Lage bringt, dass wir Rust Linz nicht mehr unter rust-linz.at bewerben dürften. Hier ergibt sich aus zwei augenscheinlich unabhängigen Vorgaben ein Konflikt.

Das Logo des Rust Meetup Linz wäre nach den neuen Vorgaben untersagt.

(Bild: Rust Meetup Linz)

Ähnlich steht es um die Richtlinie zum Verwenden des Rust-Logos und die Möglichkeiten, es zu verändern: Die Rust-Richtlinien sollen sicherstellen, dass eine Firma sich nicht ein abgeändertes Rust-Logo an die Fahnen heftet, beispielsweise den Rust-Kranz mit dem eigenen Firmenlogo. Damit dürften wir als Meetup allerdings nicht mehr mit dem elegant gestalteten Rust-Linz-Logo weitermachen.

Eine andere Richtlinie erlaubt und unterstützt es, den Namen zum Erstellen von Lehrmaterial zu verwenden – auch für kommerzielle Zwecke. Ein Buch oder Videokurs muss allerdings klarstellen, dass das Material nicht mit der Rust Foundation in Verbindung steht oder von ihr empfohlen wird. Das ist völlig in Ordnung, wenn man die Marketingtechniken der Verlage bedenkt – und meine vormals scheinbar schlaue Entscheidung, die Domäne rust-book.com zu kaufen.

Allerdings geht die Richtlinie so weit, dass sogar Blogartikel einen Disclaimer zu Beginn anführen müssen. Für mich als Blogger ist das fast unmöglich. Hier fehlt die richtige Nuancierung: Welche Richtlinien gelten für private Blogs, welche für einen Verlag wie Heise und welche für Artikel meines Beratungsunternehmens? Davon abgesehen, dass ich ein Buch nicht unter einer Domain bewerben darf, die Rust im Namen hat. Die Grundintention scheint dagegen klar: Wenn sich ein Unternehmen dazu entschließt, eine Seite mit dem Titel "Rust News Germany" zu starten, die auf Profit ausgelegt ist, würde es mit den Inhalten potenziell die Marke Rust schwächen. Ohne die Vorgaben könnte ein Unternehmen die Inhalte als offiziell präsentieren, die gar nicht mit dem Projekt, der Foundation oder der Community in Verbindung stehen.

Ganz klar sind die Vorgaben bei Events: Die Richtlinien unterstützen Community-Events sowie Meetups und haben sehr strenge Regeln, wenn Veranstaltungen profitgetrieben sind. Das ist für mich als Community-Veranstalter gut, weil Firmen mit ausreichend Budget die Möglichkeit haben, kleine Events durch den Einsatz von Geld für Marketing auszubooten. Die Regeln allerdings beschränken auch mich als Community-Organizer stark, wenn sie zu direkt ausgelegt werden. Der Heise-Verlag hätte die beiden Konferenzen betterCode Rust womöglich nicht unter dem Titel ausrichten dürfen, wenn die Vorgaben bereits gegolten hätten.

Und ich denke, hier kommt auch die Aufregung zustande: Menschen sehen ihren individuellen Einsatz in Sprache und Community beschränkt – gefährdet von einem Dokument, das zwar viele Situationen beschreibt, aber den Kontext und die Intention oft nicht berücksichtigt. Und im öffentlichen Raum des Internets kochen solche Debatten schnell hoch.

Viele Menschen fühlen sich nicht gehört, aber noch ist nichts in Stein gemeißelt. Wir sind an dem Punkt, an dem die Rust Foundation und die Ersteller der Richtlinien nach Feedback fragen. Das öffentliche Dokument ist ein Entwurf, und die Community soll zur Gestaltung beitragen.

Ich habe das vergangene Wochenende damit verbracht, alle meine bestehenden Projekte und kommenden Projekte zu evaluieren und gegen die Richtlinien zu checken. Alle Punkte, die problematisch für mich sind, habe ich in dem Feedback-Formular mitgeteilt. Es sind viele, aber es ist nichts dabei, was die Foundation nicht durch weiteren Kontext oder neue Formulierung beheben kann. Aus meiner Sicht gibt es keine böse Absicht hinter den Richtlinien, sondern einen Entwurf, der einige Punkte und den jeweiligen Kontext offen lässt . Und jeder, der ähnliche Bedenken hat wie ich, sollte ebenfalls das Feedback-Formular nutzen.

Diesen Kontext gibt es zum Beispiel in den Markennutzungs-Richtlinien der Apache Software Foundation, auf die mich Jan Lehnardt, VP der Apache CouchDB, von Neighbourhoodie Software dankenswerterweise hingewiesen hat. Sie unterscheidet eindeutig zwischen kommerzieller und nichtkommerzieller Nutzung und unterstützt das Erzeugen von Lernmaterialien wie Büchern und Videos. Auch die Python Software Foundation schafft in ihren Richtlinien Kontext, Anwendungsgebiete und ist sehr eindeutig über die korrekte Verwendung. Es gibt also ausreichend Vorlagen, und mit ein paar Iterationsschleifen bekommen wir hoffentlich auch für die Rust-Marken eine Richtlinie, die im Sinne der Community ist.

Wer ähnliche Bedenken hat wie ich und/oder findet, dass die Richtlinien viel zu weit gehen, sollte ebenfalls das Feedback-Formular nutzen. Auf die Weise kann die Community die Vorgaben der Rust Foundation mitbestimmen, die explizit zur Mitwirkung aufgerufen hat.

Derweil muss man festhalten, dass die Kommunikation rund um das Thema schlecht war und die Beteiligten sie dringend überarbeiten müssen. Den Project Directors der Rust Foundation und Mitgliedern der Rust Trademark Working Group ist das durchaus bewusst geworden, wie ein Blogbeitrag zum Thema zeigt.

Ich hoffe auf eine gute Revision.

Weitere Informationen zu den Richtlinien:

(rme)