Ein Rad für Kopenhagen

Parallel zum Klimagipfel haben Forscher am MIT ein neuartiges Drahtesel-Konzept entwickelt, das High-Tech wie Energierückgewinnungssysteme auch für Pedaltreter erschwinglich machen soll.

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Bekanntermaßen verlief der Klimagipfel im dänischen Kopenhagen, der im Dezember zu Ende ging, für die Umweltschutzbewegung – um es milde auszudrücken – eher unbefriedigend. Trotzdem muss man nicht nur weinen: Parallel zum Treffen der Staatsmänner wurde eine ganze Reihe interessanter Projekte vorgestellt, die das Potenzial haben, im Kampf gegen den Klimawandel zu wirken.

Eines davon nennt sich Copenhagen Wheel – das Rad für Kopenhagen. Dabei handelt es sich um ein detailliert ausgearbeitetes Mobilitäts-Forschungsprojekt des "SENSEable City Lab" an der US-Hochschule MIT, das mit Unterstützung von Industriepartnern wie Ducati Energia sowie kommunaler Hilfe von der Stadt Kopenhagen selbst durchgeführt wurde. Die hat es sich zum Ziel gesetzt, bis 2025 zur ersten Agglomeration der Welt zu werden, die "carbon neutral" ist – sprich: insgesamt kein CO2 mehr in die Luft pustet. Dazu sollen mehr Menschen dazu motiviert werden, sich klimaschonend fortzubewegen.

Die Idee der Wissenschaftlertruppe hinter Copenhagen Wheel ist dabei simpel: Sie wollten ein Fahrrad schaffen, das sich besonders angenehm fahren lässt, eine genaue elektronische Steuer- und Monitoringfunktion beinhaltet und den Nutzer ständig motiviert, in die Pedale zu treten, statt auf CO2-speiende Verkehrsmittel zu setzen. Oder um es mit den Worten der Forscher auszudrücken: "Das Copenhagen Wheel ist ein neues Emblem für urbane Mobilität."

Im Kern ist das Fahrrad ein verbessertes Pedelec, also ein Hybrid-Fahrzeug mit Tret- und Elektrobetrieb. Die dafür notwendige Technik steckt in einem kreisrunden Aufsatz, der auf dem Hinterrad montiert wird – integriert sind neben dem Motor auch ein kleiner Akku, der dem Nutzer etwa bei Bergfahrten unter die Arme greifen kann. Neu ist eine Technik zur Energierückgewinnung, die an das Kinetic Energy Recovery System (KERS) aus der Formel 1 erinnert. Wenn der Fahrer bremst wird kinetische Energie am Motor zurückgewonnen und dann in den Akku eingespeist, um dann jederzeit abgerufen werden zu können.

Besonders stolz sind die Forscher auf den eleganten Aufbau. "Das Wheel ist ein in sich geschlossenes System und kann in jedes Fahrrad integriert werden, ohne dass man Zusatzelektronik oder Drähte bräuchte", sagt Professor Carlo Ratti, Direktor des "SENSEable City Lab". Der Hilfsmotor wird über die Pedale kontrolliert, misst ständig, wie gefahren wird. "Wir nennen das die Biking 2.0-Revolution, billige Elektronik ergänzt Fahrräder und macht aus ihnen ein flexibleres, jederzeit abrufbares System."

Neben der Energierückgewinnung setzen die Copenhagen Wheel-Macher auf Smartphone-Unterstützung zur Überwachung des Gefährts – und zur Motivation des Benutzers. Dazu haben die Forscher eine iPhone-Anwendung entwickelt, die nicht nur die momentane Position auf einer Karte anzeigt und das persönliche Fitnessniveau berechnen kann, sondern auch aktuelle Umwelt- und Verkehrsdaten auf den Schirm holt, die Radfahrer interessieren könnten.

Außerdem sammelt der Copenhagen Wheel-Fahrer über die "App" Punkte: So genannte Green-Miles, die an Vielfliegermeilen erinnern, werden je nach Nutzungsdauer und Wegstrecke vergeben und könnten dann beispielsweise gegen Preise oder andere Auszeichnungen eingetauscht werden, wenn eine Kommune oder ein anderer Veranstalter das wünscht. Das iPhone steht dabei direkt mit dem Energierückgewinnungssystem in Verbindung und liest seine Daten aus, wird aber auch zum Schalten oder zur Aktivierung des Hilfsmotors benutzt. Natürlich fehlt auch die Web 2.0-Anbindung nicht, so dass man seine Fahrkünste etwa bei Facebook präsentieren kann.

Das Copenhagen Wheel-Projekt soll nun schrittweise in die Praxis umgesetzt werden. Nachdem zum Klimagipfel der Prototyp demonstriert wurde, will man in den nächsten Monaten damit beginnen, bestehende Drahtesel mit der Technologie nachzurüsten. "Das Projekt öffnet die Tür auch für Einzelpersonen, die bei der Reduktion der Klimagasemissionen mitmachen wollen", sagt Projektleiterin Christine Outram. Sie denke da beispielsweise an den Emissionsrechtehandel, der bei einem Copenhagen Wheel-Großprojekt durchaus einbezogen werden könnte. (bsc)