Justizministerin knüpft Einsatz von Nacktscannern an Bedingungen

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger möchte Flugreisende nur bis auf die Haut durchleuchten lassen, wenn das mehr Sicherheit bringt und die Intimsphäre "strikt" gewahrt bleibt. Opposition, Praktiker und Sozialverbände üben Kritik.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 209 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) möchte Flugreisende nur unter klaren Bedingungen bis auf die Haut durchleuchten lassen. Der Einsatz von Körperscannern an Flughäfen sei nur sinnvoll, wenn damit "tatsächlich ein Gewinn an Sicherheit verbunden" sei, sagte die FDP-Politikerin der Ulmer Südwest Presse. Zudem müsse der Schutz der Intimsphäre "strikt gewährleistet" sein. Zunächst sei zu prüfen, ob es an deutschen Flughäfen genügend Sicherheitspersonal gebe und wie gut dieses ausgebildet sei. Zuvor hatte der FDP-Bundestagsabgeordnete Hartfrid Wolff deutlich gemacht, dass er das Vorhaben von CDU und CSU, die sogenannten Nacktscanner noch in diesem Jahr einzuführen, ablehne.

Generell warnte die Justizministerin in der Neujahrsdebatte über Sicherheitsvorkehrungen vor übertriebenem Daten- und Technikfetischismus. Der fehlgeschlagene Anschlag auf ein Flugzeug über Detroit habe gezeigt, dass in den USA, "wo sehr konkrete Hinweise auf diesen Terroristen vorlagen", offensichtlich so viele Daten gesammelt würden, dass die richtigen Informationen nicht an der richtigen Stelle seien: "Das bestätigt uns in unseren Vorbehalten gegen diese immense Datensammelwut."

Unterdessen forderte auch der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestags, Wolfgang Bosbach, ein verbessertes Training des Sicherheitspersonals an Flughäfen. Der Befürworter von Ganzkörper-Scannern setzte sich in der Tageszeitung Die Welt im Falle des Einsatzes der Technik für eine "ethische Schulung" der entsprechenden Mitarbeiter ein. Auch die Tübinger Ethikprofessorin Regina Ammicht Quinn, die sich im Auftrag des Bundesforschungsministeriums mit ethischen Fragen der Scanner beschäftigt, hatte zuvor in diese Richtung argumentiert: "Reisende, die sich offenbaren, dürfen nicht bloßgestellt werden."

Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz hält den Einsatz der umstrittenen Geräte grundsätzlich für gerechtfertigt. 2008 hatte er sie noch empört abgelehnt. Der Sozialdemokrat sieht darin aber kein Patentrezept. "Körperscanner wird es geben müssen, vorausgesetzt, sie sind nicht gesundheitsschädlich und die Würde des Menschen bleibt gewahrt", sagte er der tageszeitung. Die aktuelle Diskussion nehme "beinahe hysterische Züge an". Der reflexartige Ruf nach besserer Sicherheitstechnik verschleiere, dass im Falle des vereitelten Anschlags die Sicherheitsbehörden in den USA und den Niederlanden versagt hätten.

Die Linke ist nach wie vor entschieden gegen Nacktscanner. Diese trügen nicht zu mehr Sicherheit von Flugpassagieren bei, sondern verletzten deren Persönlichkeitsrechte, erklärte die innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Oppositionspartei, Ulla Jelpke. Mit der geplanten Einführung der Technik solle ausgetestet werden, wieweit die Bürger "bereit sind, sich unter dem Eindruck einer künstlich geschürten Terrorhysterie ihrer Bürgerrechte zu entkleiden und bis in die Intimsphäre durchleuchten zu lassen". Das Ziel sei offenbar "ein allseits überwachter und kontrollierter gläserner Mensch". Die Grünen stehen dagegen anscheinend auch vor einem Meinungswechsel. Ihr sicherheitspolitischer Sprecher, Wolfgang Wieland, befand, dass die Scanner eventuell sogar einen Zugewinn an Privatsphäre bedeuten könnten, wenn das Abtasten von Passagieren entfalle.

Der Chef des Flughafens Köln/Bonn, Michael Garvens, empfahl der Politik, von einem Einsatz der Technik Abstand zu nehmen. "Ich prophezeie Riesenstaus an den Kontrollstellen und erhebliche Zeitverluste für die Passagiere", sagte er dem Kölner Stadt-Anzeiger. Der Kontrollvorgang dauere mit den Geräten so lange, "dass wir im Vergleich zur jetzigen Situation 50 Prozent weniger Passagiere durch die Sicherheitskontrollen schleusen könnten". Er habe zudem "große Bauchschmerzen, was die zur Verfügung stehende Technik angeht". Ablehnend reagierten auch Behindertenvereinigungen. Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Ulrike Mascher, will die Geräte nur akzeptieren, wenn auch die Privatsphäre von Reisenden mit besonderen Behinderungen gewahrt ist. Laut Adolf Bauer vom Sozialverband Deutschland sind die Träger von Prothesen schon jetzt oftmals die Leidtragenden bestehender Kontrollen. (vbr)