Transatlantischer Datenschutzrahmen: USA wollen Überwachung in der EU prüfen

Während der Abschlussverhandlungen über den Privacy Shield 2.0 stellt die US-Regierung zunehmend unbequeme Fragen zu den Spionagepraktiken von EU-Staaten.

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(Bild: Tero Vesalainen/Shutterstock.com)

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Jahrelang hat die EU die USA dafür gescholten, dass US-Sicherheitsbehörden wie die NSA und das FBI Freunde abhören und mit den persönlichen Daten europäischer Bürger zumindest leichtfertig umgehen. Doch mittlerweile dreht Washington den Spieß auch um, meldet das Online-Magazin Politico unter Berufung auf mehrere, nicht namentliche genannte Regierungsmitglieder beider Seiten. Anlässlich der abschließenden Verhandlungen über den geplanten Transatlantischen Datenschutzrahmen zwischen der EU und den USA habe das US-Justizministerium zunehmend unbequeme Fragen zu den Überwachungs- und Spionagepraktiken von EU-Staaten gestellt.

Zu den aufgeworfenen Schwerpunkten gehört dem Bericht zufolge, ob Länder wie Ungarn, Polen und Frankreich ausreichende Rechtsmittel zur Verfügung stellen, damit Nicht-EU-Bürger sich gegen eine überbordende Datensammelei vor Ort zur Wehr setzen können. Die USA wollten auch wissen, welche rechtlichen Kontrollmöglichkeiten die europäischen Regierungen haben, um sicherzustellen, dass ihre Spione nicht zu weit gehen. Zuvor war bekannt geworden, dass in den genannten Mitgliedsstaaten unter anderem Oppositionelle, Anwälte und Aktivisten etwa mit dem mächtigen Staatstrojaner Pegasus der NSO Group ausgespäht wurden. Auch das Bundeskriminalamt (BKA) und der Bundesnachrichtendienst (BND) haben die Spionagesoftware beschafft.

Einschlägige Checks beider Seiten sind in der Endphase der Verhandlungen zwischen der EU und den USA über den Privacy Shield 2.0 vorgesehen. Sie gelten als Voraussetzung für US-Justizminister Merrick Garland, den von US-Seite zugesagten Rechtsbehelfsmechanismus auf die Beine zu stellen. Beide Seiten versicherten vor einem Jahr: Mit dem skizzierten verbesserten Ansatz gehe eine "noch nie dagewesene Verpflichtung" der USA einher, Reformen durchzuführen, die den Schutz der Privatsphäre und der Bürgerrechte bei der Telekommunikationsüberwachung und Funkaufklärung stärkten.

US-Sicherheitsbehörden wollen der Absprache zufolge nach dem NSA-Skandal "Verfahren einführen, die eine wirksame Kontrolle der neuen Datenschutz- und Bürgerrechtsstandards gewährleisten". Dazu komme ein "neues zweistufiges Rechtsbehelfssystem zur Untersuchung und Beilegung von Beschwerden von Europäern über den Zugriff auf Daten durch US-Geheimdienste". Dieses werde ein spezielles Gericht zur Prüfung solcher Eingaben umfassen.

Laut "Politico" ist es unwahrscheinlich, dass die geforderten Untersuchungen der europäischen Überwachungspraktiken die Verabschiedung des neuen transatlantischen Datenpakts wesentlich verzögern. US-Offizielle seien aber schon seit Langem frustriert darüber, dass immer nur Abhöraktionen der US-Seite im Fokus stünden, berichtete Alex Joel, Professor an der American University in Washington und ehemaliger leitender Beamter des US-Büros des Direktors der nationalen Geheimdienste. Der Bereich der nationalen Sicherheit falle aber in die Zuständigkeit der europäischen Mitgliedsstaaten. Die EU-Kommission, die die Gespräche führt, habe darauf keinen Einfluss.